ExclusivSie kamen wie aus dem Nichts. Am 11. Januar fielen über 200 Hooligans und Rechtsextremisten über den linksalternativen Szenekiez in Leipzig-Connewitz her. In der Wolfgang-Heinze-Straße hinterließen die Angreifer eine Schneise der Verwüstung. Nun liegen den Redaktionen der L-IZ.de und der Leipziger Zeitung die Namen der 215 Tatverdächtigen vor.

Kein Ereignis hat die ansonsten so vitale Connewitzer Kultur- und Politszene in den letzten Jahren so hart getroffen wie der blitzartige Überfall am 11. Januar. Während viele Antifaaktivisten in der Innenstadt gegen die Zelebrierung des ersten Jahrestags der LEGIDA-Demos demonstrierten, tauchte nach Polizeiangaben gegen 19:20 Uhr ein schwarzer Mob auf.

Die Rechten liefen demnach zeitweise geschlossen unter Mitführung eines Plakats mit der Aufschrift: „Leipzig bleibt helle“ – entnommen von der Aktion der Zivilgesellschaft und Stadtvertretern am gleichen Tag gegen den Legida-Aufmarsch. In der Wolfgang-Heinze-Straße wurden aus den Demonstranten Angreifer. Sie zündeten nach Polizeiangaben Pyrotechnik und warfen Schaufensterscheiben ein.

Die Polizei konnte die meisten Teilnehmer der Randale vor Ort stellen. Offensichtlich in Ermangelung von Ortskenntnissen flüchteten diese in eine schmale Seitenstraße, die die rasch herbeigeeilten Einsatzkräfte nur beidseitig abzuriegeln brauchten. Die Polizei nahm 215 Verdächtige vorübergehend in Gewahrsam. Haftbefehle ergingen nicht.

Die Festgenommenen wurden noch im Laufe der Nacht wieder auf freien Fuß gesetzt. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seit über einem halben Jahr wegen Landfriedensbruch im besonders schweren Fall. Anklagen wurden bisher nicht erhoben.

Die Ermittler äußern sich nicht zu den Beschuldigten. „Im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren anlässlich der gewalttätigen Ausschreitungen am 11. Januar 2016 in Leipzig-Connewitz werden durch die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die noch laufenden Ermittlungen auch auf Anfrage grundsätzlich keine Namen von Beschuldigten mitgeteilt bzw. bestätigt oder verneint“, teilte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz unlängst der LEIPZIGER ZEITUNG mit.

Die ersten Aufräumarbeiten auf der Heinze-Straße, nachdem die Täter weg waren. Foto: L-IZ.de
Die ersten Aufräumarbeiten auf der Heinze-Straße, nachdem die Täter weg waren. Foto: L-IZ.de

Da wusste er noch nicht, dass die Liste mit allen Namen der Redaktion kurz darauf vorlag. Wer also waren die Angreifer?

In den Tagen danach kochte die Gerüchteküche hoch, wer die Täter gewesen sein könnten. Lokale und regionale Medien veröffentlichten erste Einordnungen und stellten Zusammenhänge mit der regionalen Neonazi-Szene und dem gewaltbereiten Fußballmilieu her. Auf linken Szeneportalen erschienen neben sachlichen Analysen über rechte Strukturen auch diffuse Spekulationen und Anschuldigungen in Richtung Polizei.

Wenngleich öffentliche Stellungnahmen von Beteiligten ausgeblieben sind, lässt das Namensverzeichnis der Verdächtigen Rückschlüsse auf die politischen Strukturen zu, die die Aktion auf die Beine gestellt haben könnten. Die umfangreiche Liste umfasst 214 Männer und eine Frau. Der jüngste Tatverdächtige war zum Tatzeitpunkt zarte 15, der älteste stattliche 47 Jahre alt. Diese Altersangaben verdeutlichen bereits, dass es sich bei dem Angriff um eine generationsübergreifende Tat handelte.

Unter den Festgenommenen befinden sich zahlreiche Jugendliche und junge Männer bis 25, die sich laut Angaben in sozialen Netzwerken mit den Fußballvereinen Hallescher FC, 1. FC Lokomotive Leipzig und Dynamo Dresden identifizieren. Beteiligt waren allerdings auch sogenannte Alt-Hools, also Fußballschläger, die schon Ende der Achtziger, in den Neunzigern und Anfang der 2000er Jahre durch Beteiligung an einschlägigen Aktionen aufgefallen waren.

Der Überfall wurde von den Organisatoren klandestin, also heimlich und verdeckt, geplant. Dafür spricht insbesondere, dass am 11. Januar sowohl Szenebeobachter als auch Sicherheitskräfte überrumpelt wurden. Wahrscheinlich ist eine Mobilisierung über verschlüsselte Kommunikationsmittel, Chats und mittels Mund-zu-Mund-Propaganda. Einige deutliche Hinweise deuten nun auf einen harten Kern aus 77 Rechtsextremisten und diverse Mitläufer.

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