Damit hier keine Missverständnisse entstehen, das ist nicht die Forderung des Autors, sondern die des katholischen Jens Spahn, die er 2017 erhob. Damit steht er auch heute nicht allein, Markus Söder, der evangelische Ministerpräsident von Bayern, und die katholische Bundestagspräsidentin Julia Klöckner stoßen in dasselbe Horn. Zumindest dann, wenn ihnen die Meinung der christlichen Kirchen, nachfolgend sind mit Kirchen explizit die katholische und die evangelische Kirche gemeint, zu einigen Themen nicht passt.

Letztere sagte, in einem Interview mit dem Domradio, zwei Wochen nach ihrer Amtseinführung die bemerkenswerten Sätze:

„Ich halte es zum einen für nicht immer sinnvoll, wenn Kirchen glauben, eine weitere NGO zu sein und sich zu Tagespolitik äußern. Man kann für Tempo 130 sein, aber ich weiß nicht, ob die Kirchen dazu etwas schreiben müssen.“

Sind Kirchen NGOs?

Sie sollten es eigentlich sein, denn im Artikel 140 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist zu lesen: „Es besteht keine Staatskirche.“

Sie sind es aber nicht, als Körperschaften des öffentlichen Rechts haben sie einen Sonderstatus. Dieser geht aber weit über den anderer Körperschaften öffentlichen Rechts, wie Handwerkskammern, hinaus. Der Staat gewährt Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, mit diesem Status, besondere Rechte.

Diese im Einzelnen aufzuführen ginge zu weit, immerhin kann man aber steuerliche Begünstigungen, die Gewährung von Vollstreckungsschutz und die Mitgliedschaft in Rundfunkräten hervorheben.

Ergo: Kirchen sind keine NGOs, was sie aber sind: Sie sind de facto Lobbyisten für ihre Mitglieder.

Was sollen Kirchen, nach Meinung von CDU und CSU?

Die Kirchen sollen sich aus der Tagespolitik heraushalten, aber die Christen sollen sich trotzdem politisch engagieren, so Spahn 2017. Julia Klöckner meint, dass: „Unsere Kirche auch mit Blick auf Bewahrung der Schöpfung durchaus die Stimme erheben kann und auch sollte.“ Markus Söder will, dass sich die Kirchen auf christliche Werte konzentrieren, welche er damit meint, lässt er offen.

Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass Politiker von CDU und CSU die Kirchen zum politischen Handeln im Sinne ihrer Parteien auffordern. Handeln diese anders, dann ist das zumindest unerwünscht. Die Frage erhebt sich: Was sind eigentlich die christlichen Werte, von denen diese Politiker sprechen?

Christliche Werte

Man kann es schon belustigend oder befremdlich finden, dass diese nirgends eindeutig definiert sind. Es scheint, als ob es keine einheitlichen christlichen Werte gibt. Aber schauen wir mal, was die oben genannten Politikerinnen und Politiker damit meinen.

Jens Spahn sagte dazu in einem Interview: „Aber wenn es um Lebensschutz geht – das sind natürlich Themen, die mich auch im Gesundheitsministerium beschäftigen – dann wird es doch auch sehr, sehr grundsätzlich.“

Julia Klöckner betont: Wichtig seien die Stimmen der Kirchen in bioethischen Fragen, etwa Abtreibung oder Sterbehilfe.

Markus Söder bekräftigte einst: „Wir stehen zum Schutz des Lebens am Anfang und am Ende und der Würde jedes Menschen.“

Droht eine Verzwergung der Kirchen?

Auf jeden Fall. Setzen sich mit Spahn, Klöckner und Söder die Hardliner durch, dann dürfen die Kirchen sich nur noch zu Themen, die den Parteien mit „christlich“ im Namen genehm sind, äußern.

Lebensschutz ist dann explizit der Schutz des „ungeborenen Lebens“ und des „bald endenden Lebens“. Eintreten für den Schutz des „geborenen Lebens“, beispielsweise im Straßenverkehr durch ein Tempolimit, oder durch Klimaschutzmaßnahmen, ist dann explizit nicht mehr erwünscht. Auch der Schutz des Lebens von geflüchteten Menschen, gleich welcher Konfession, ist dann nicht mehr im Sinne der „christlichen“ Parteien.

Man könnte auch sagen, dass die Kirchen von den, vermeintlich christlichen, politischen Akteuren ihre Werte diktiert bekommen.

Fazit: Egal was man von den Kirchen als moralische Instanzen hält, der Autor hat die katholische Kirche vor fast exakt 50 Jahren verlassen, Kirchen als Spielball der „christlichen“ Parteien brauchen wir nicht. Ebenso wenig wie Parteien der Spielball der Kirchen sind.

Eine Frage steht noch im Raum: Wann ist der Begriff „NGO“ eigentlich zum Kampfbegriff geworden?

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Es gibt 2 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar