Während in Leipzig mehrere Initiativen und Vereine zum „Housing Action Day“ aufriefen, versammelten sich in anderen sächsischen Städten wieder Querdenker. Innenminister Roland Wöller (CDU) verteidigte das Versammlungsrecht der Corona-Maßnahmen-Gegner/-innen. Außerdem: Rechtsextremisten der Hooligan-Gruppierung „Faust des Ostens“ werden nach 10 Jahren angeklagt und die sächsische Kirche positioniert sich zum Rechtsextremismus. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 27. und 28. März 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

„Housing Action Day“ in Leipzig

Impressionen zum „Housing Action Day“ am 27. März 2021 in Leipzig. Video: LZ, Sabine Eicker

In 25 deutschen Städten versammelten sich am Samstag, 27. März, Menschen, um gemeinsam den „Housing Action Day“ zu begehen. In Leipzig riefen Initiativen und Vereine zu verschiedenen Kundgebungen auf: am Neustädter Markt im Osten, am Adler und Connewitzer Kreuz sowie in der Karl-Tauchnitz-Straße 17. Unter dem Motto „Wohnen für Menschen statt für Profite!“ wollen Initiatoren und Teilnehmende seit einigen Jahren auf soziale Ungleichheit und steigende Mietpreise aufmerksam machen. Ein Sprecher der „Vernetzung Süd“ erklärte in seiner Rede die einfachen und klaren Forderungen: „Erstens: Wohnungen für alle. Zweitens: Mietschulden erlassen. Drittens: Mieten senken, Gewinne umverteilen. Viertens: Bodenspekulationen beenden, Wohnungskonzerne vergesellschaften.“

Vergangenes Jahr sei der Aktionstag in der Besetzung der Ludwigstraße 71 gemündet – die Medien überschlugen sich vor Berichten. Die diesjährige Veranstaltung solle nur dem Ideenaustausch und Erfahrungsberichten dienen – man wolle Sichtbarkeit für die Problematik erzeugen.

Ansprache “Vernetzung Süd”. Audio: LZ, Sabine Eicker

Mieterhöhungen, Leerstand und keine Transparenz

Eine Bewohnerin der Thierbacher Straße in Connewitz erzählt von ihrer Situation: „Die Mieten der Bewohner/-innen in unserem Haus wurden um das Dreifache erhöht. Für 110 Quadratmeter steigerte sich die Miete von 250 Euro kalt auf 990 Euro kalt. Das Einzige, was sich dabei am sogenannten Wohnkomfort änderte, war, dass die Fenster nun dicht sind.“

Mieterhöhungen, Kündigung von Mietverhältnissen, unverhältnismäßige Modernisierungsmaßnahmen, Räumungen – all das sei längst Alltag und kein Einzelfall. „Was wir brauchen und wollen ist vor allem bezahlbarer Wohnraum für alle, Mietpreisbremsen, Sozialwohnungen, Mitbestimmung bei Sanierung, Modernisierung und Bebauung.“

Ansprache zur Situation in der Thierbacher 6. Audio: LZ, Sabine Eicker

Die Bewohnerin eines LWB-Gebäudes in der Südvorstadt schildert neben den übertrieben luxuriösen Modernisierungsmaßnahmen noch ein weiteres essenzielles Problem auf dem Wohnungsmarkt: der gewollte Leerstand.

„2013 waren alle Wohnungen besetzt, heute stehen 20 von 30 Wohnungen leer. Wenn eine Wohnung frei wird, vermietet die LWB nämlich nicht mehr neu – stille Entmietung.“ So müsse sich die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) nicht mit den derzeitigen Bewohner/-innen um Mietpreiserhöhungen streiten, sondern könne gleich mit höheren Mieten ansetzen.

Die Rednerin verweist hierbei aber auf die Eigentümerziele der LWB sowie das Integrierte Stadtentwicklungskonzept 2030 der Stadt Leipzig. Die LWB als kommunale Wohnungsgesellschaft ist verpflichtet zur festgeschriebenen „sozialen Mischung“.

Sie müsse gezielt gegen die Segregation von verschiedenen Alters- und Sozialgruppen vorgehen und bei allen Maßnahmen transparent sein. In einem offenen Brief forderten die LWB-Mieter/-innen genau das – bisher aber keine Verbesserungen, so die Bewohnerin.

Kritik an der Entmietung & Mietpolitik der LWB. Audio: LZ, Sabine Eicker

Bis zu fünf Jahre Haft für „Faust des Ostens“-Mitglieder

April 2011: in der Nähe zweier Diskotheken attackieren 50 Personen rund ein Dutzend Ausländer/-innen. Rechtsradikale Parolen werden gerufen, einige Menschen verletzt. Mai 2012: im Dresdner Hauptbahnhof kommt es zu einem gewalttätigen Übergriff auf Fans des Vereins Erzgebirge Aue.

Für diese Straftaten sowie Angriffe auf Polizist/-innen müssen sich nun drei Mitglieder von der aufgelösten Hooligan-Gruppierung „Faust des Ostens“ verantworten. Die Anklagepunkte: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung, Diebstahl. Der Prozess gegen die Männer, die als Rädelsführer gelten, beginnt am Montag am Landgericht Dresden.

Die 2010 gegründete Gruppierung umfasste bis zur ihrer Auflösung im Herbst 2012 knapp 80 Leute. Da die „Faust des Ostens“ als kriminelle Vereinigung eingestuft wird, droht den Angeklagten eine Freiheitsstrafte von bis zu fünf Jahren. Bei der Strafzumessung würde aber auch die sehr lange Verfahrensdauer berücksichtigt, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Rechtsextremismus in der Kirche?

Am Samstag befasste sich die sächsische Landessynode auf ihrer digitalen Tagung mit dem Thema Rechtsextremismus. Die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens legte einen Bericht zu Unterschieden zwischen wertkonservativem Christentum und Rechtsextremismus vor. Hintergrund ist der Rücktritt des sächsischen Bischofs Carsten Rentzing. Von dem konservativen Theologen waren Texte bekanntgeworden, die die das Landeskirchenamt in Dresden als „elitär und in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich“ einstufte.

Laut des Berichtes seien rechtsextreme Einstellungen antichristlich. Allerdings dürfe man nicht so tun, als ob Rechtsextremismus und -populismus nicht auch in der Kirche stattfinden, so der Leipziger Extremismusforscher Gert Pickel, Mitautor des Textes.

Und auch die Osterfeiertage wurden besprochen: Die beiden großen Kirchen in Sachsen werden nicht nur digitale Veranstaltungen anbieten, sondern auch Präsenzgottesdienste organisieren. Mit Einschränkungen erlaubt der Freistaat die kirchlichen Messen.

Dresden erlässt Sonderregelungen aufgrund der steigenden Inzidenzen

Am Samstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) knapp 1100 Neuinfektionen in Sachsen, am Sonntag 100 weniger. Damit steigt die 7-Tage-Inzidenz im Freistaat auf 183 – und liegt damit deutlich höher als der Bundesdurchschnitt (130). Nur noch die Stadt Leipzig bleibt mit einer 73er-Inzidenz unter dem kritischen Wert von 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner/-innen innerhalb einer Woche.

Auch auf dem Gebiet der Impfungen steht es um Sachsen nicht gut. Trotz der Nähe zu den Risikogebieten Polen und Tschechien, den gesteigerten Fallzahlen und zusätzlichen Impfdosen liegt der Freistaat bei den Erstimpfungen bundesweit auf dem letzten Platz. Ein Grund für den Verzug seien die Vorbehalte gegen das Vakzin von AstraZeneca, so der MDR. Viele Sachsen seien verunsichert, sagen Impftermine ab oder nehmen sie gar nicht erst wahr.

Die steigende Inzidenz und schleppende Impfungen veranlassten die Stadt Dresden nun zu einer Verschärfung der Corona-Maßnahmen. Zusammenkünfte sind nun nur von den Angehörigen eines Hausstandes und einer weiteren, nicht im Haushalt lebenden Person, gestattet. Des Weiteren ist das Verlassen der eigenen Unterkunft nur aus einem triftigen Grund erlaubt – beispielsweise der Gang zur Arbeit, Schule oder Supermarkt. Außerdem gilt ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum.

Versammlungsrecht wichtiger als Infektionsschutz

Während in der Türkei Frauen für ihre Rechte auf die Straße gehen und Menschen in Myanmar gegen die gewalttätige Militärjunta kämpfen, versammelten sich an diesem Wochenende wieder Querdenker in verschiedenen deutschen Städten.

Am Samstag, 27. März, zogen mehrere hundert Menschen in einem nicht angemeldeten Zug durch Dresden. Knapp 600 Personen hätten an der Demonstration teilgenommen, so die Polizei: „Das Gros der Beteiligten hielt sich nicht an die Abstände und die Maskenpflicht.“ Auch in Chemnitz wurde das verhängte Demonstrationsverbot missachtet. Das örtliche Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht in Bautzen hatten die Versammlung untersagt. Auch hier hielten sich die Teilnehmer/-innen nicht an Abstandsregeln und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.

In Zwickau folgten knapp 300 Menschen dem Aufruf der Gemeinschaft „Freies Sachsen“. Während es hier friedlich blieb, kam es in den restlichen Städten zu Auseinandersetzungen. Polizei und Journalist/-innen wurden erneut angegriffen, ein 29-Jähriger, gegen den nun ermittelt wird, soll außerdem den Hitlergruß gezeigt haben.

Hier erscheint die Aussage des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU) zu den Querdenken-Demonstrationen umso zynischer: Im Interview mit der Chemnitzer „Freien Presse“ sagte der CDU-Politiker das Versammlungsrecht sei höher, als der Infektionsschutz zu bewerten.

In Görlitz trafen sich dann am Sonntag, 28. März, rund 130 Personen zu einem Autokorso unter dem Motto „Freiheitliche Grundrechte bewahren“. Parallel schlossen sich in Bautzen etwa 250 Teilnehmer zu einem weiteren Autokorso zusammen. Die geplanten Gegenproteste am Wochenende hielten sich an das Demonstrationsverbot.

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Der Leipziger Stadtrat hat nun endlich den Forstwirtschaftsplan 2021 beschlossen. Nächste Woche wird dann der Doppelhaushalt der Stadt endgültig aufgestellt: vorab schrieb der Ökolöwe einen Offenen Brief.

Ralf Julke wertete die Bürgerumfragen zum Corona-Jahr aus: die Belastungen im Homeoffice/Homeschooling, die Meinungen zu den Corona-Maßnahmen, die finanzielle Situation der Bürger/-innen.

Jan Kaefer schrieb über Leutzscher Fußball-Kunst im Museum der bildenden Künste und die prekäre finanzielle Lage des Leichtathletik-Verbandes.

Was am Wochenende außerdem wichtig war: Von Samstag- auf Sonntagnacht wurden die Uhren wieder auf Sommerzeit umgestellt – obwohl die EU die Zeitumstellung längst abschaffen wollte.

In Leipzig wurden in der Nacht zu Samstag mehrere Fahrzeuge der LWB in Brand gesteckt. Verletzte gab es nicht, die Polizeidirektion schloss eine politische Motivation nicht aus.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) plant ein bundesweites Nachhilfeprogramm. Knapp 25 Prozent der Schüler/-innen hätten große Rückstände durch das Homeschooling – für die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen soll eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden.

Was morgen passieren wird: Die Beschäftigten des Versandhauses Amazon am Standort Leipzig streiken am morgigen Montag, 29. März, erneut. Der Ausstand soll in der Nacht beginnen und vier Tage andauern. Das Ziel sei weiterhin ein kompletter Tarifvertrag mit Gehaltssteigerungen und verbesserten Arbeitsbedingungen.

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