In Halle und weiteren ostdeutschen Städten führten Sicherheitsbehörden heute auf Bundes- und Landesebene verschiedene Razzien durch, einmal beim bekannten Neonazi Sven Liebich und einmal bei mutmaßlichen Schleusern. Außerdem haben die Gewerkschaften erneut Warnstreiks in kommunalen Kitas und Horten angekündigt, um vor der dritten Verhandlungsrunde den Druck auf die Arbeitgeberverbände zu erhöhen. Und: Die Bundesregierung hat heute das sogenannte Entlastungspaket für Bürger/-innen auf den Weg gebracht. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 27. April 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus passiert ist.

Vorwurf der Volksverhetzung: Razzia bei Sven Liebich

Mehrere polizeiliche Durchsuchungen fanden heute im Raum Mitteldeutschland statt, wovon eine besondere mediale Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Reideburger Straße 44 in Halle-Ost ist seit Jahren Produktionsort des Online-Versandhandels „Shirtzshop“. Dessen ehemaliger Geschäftsführer Sven Liebich ist ein über die Stadt hinaus bekannter Neonazi.

Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt nennt in seiner Medieninformation zur heutigen Durchsuchung zwar Liebichs Namen nicht, spricht aber von einem „als Rechtsextremist bekannten Beschuldigten“. Ihm und seiner mutmaßlichen Mittäterin – möglicherweise seine Schwester – wirft die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg vor, Merchandise wie T-Shirts, Aufkleber und Tassen mit volksverhetzenden Inhalten verkauft zu haben.

Wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Belohnung und Billigung von Straftaten durchsuchten heute knapp 100 Beamt/-innen, darunter auch Kräfte der Polizeidirektion Leipzig, das Gelände in Halle. Auch in Sachsen wurden im Rahmen der Ermittlungen heute Objekte durchsucht.

Laut LKA nahmen die Beamt/-innen Geschäftsunterlagen, digitale Speichermedien, Computertechnik und bedruckte T-Shirts als Beweismaterial mit.

Details zu den Ermittlungen gegen Liebich und seine Mitbeschuldigte und zum Unternehmensgeflecht „H & L Shirtzshop GmbH“ hat unser Kollege Michael Freitag für die LZ aufgeschrieben.

Schlag gegen mutmaßliche Schleuser in Erfurt, Halle und Zwickau

Auch die Bundespolizei führte heute eine Razzia in Mitteldeutschland durch, und zwar im Bereich der Schleuserkriminalität. Hauptsächlich fand die Razzia in einer Plattenbausiedlung im Erfurter Norden statt. Dort wurden am Mittwochmorgen sieben Wohnungen durchsucht. Auch in Halle und Zwickau stand bei mehreren Objekten die Polizei vor der Tür.

Bei den Beschuldigten handelt es sich um neun Männer türkischer Staatsangehörigkeit im Alter von 17 bis 52 Jahren. Sie werden verdächtigt, Menschen mit meist türkischer, syrischer und irakischer Staatsangehörigkeit illegal nach Deutschland gebracht zu haben. Zwischen 2.000 und 4.000 Euro pro Person sollen die mutmaßlichen Schleuser für ihre Aktivitäten verlangt haben.

Laut Bundespolizei wurden bei der Razzia Smartphones, elektronische Speichermedien, Aufenthalts-Dokumente, Bargeld und Betäubungsmittel beschlagnahmt.

Bei der Razzia waren auch Spezialkräfte der GSG 9 im Einsatz, die dazu ausgebildet werden, gegen Schwerst- und Gewaltkriminalität sowie Terrorismus vorzugehen. Insgesamt waren 250 Beamt/-innen an der Durchsuchungsmaßnahme beteiligt.

Ermittlungen gegen sächsische Polizei-Azubis

Die Polizei ermittelt aber nicht nur gegen Dritte, sondern leider regelmäßig auch innerhalb der eigenen Reihen. Bei der Polizei Sachsen beispielsweise führten in den vergangenen Jahren das sogenannte „Fahrradgate“ und erst vor kurzem ein nicht nur fragwürdiges, sondern strafbares mutmaßliches „Aufnahmeritual“ beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) des LKA zu internen Ermittlungen.

Auch angehende Polizist/-innen sind in den letzten Jahren mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, der prominenteste Fall ereignete sich Anfang 2020, als drei Studenten der Polizeihochschule Bautzen aus einer Wohnung heraus die Nachbarschaft mit „Sieg Heil“-Rufen beschallten.

Nun wird wieder gegen angehende Polizisten ermittelt, diesmal handelt es sich um zwei sächsische Polizeimeisteranwärter im Alter von 23 und 27 Jahren. Ihnen wird vorgeworfen, auf einer Exkursionsfahrt im thüringischen Schneeberg eine 28-jährige Frau vor einer Spielothek beleidigt zu haben.

Der Vorfall soll laut der Polizei Sachsen in der Nacht zu Dienstag (26. April) außerhalb der Dienstzeit stattgefunden haben. Die beschuldigten Polizei-Azubis sollen den geschilderten Vorfall bei Befragungen durch ihre Vorgesetzten anders dargestellt haben, als in der Anzeige beschrieben. Die sächsische Polizeihochschule prüft laut eigener Aussage derzeit die Einleitung möglicher disziplinarrechtlicher Schritte. Diese können theoretisch bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gehen.

Erneut Kita-Warnstreiks am kommenden Mittwoch

Am kommenden Mittwoch (4. Mai) könnte die Kinderbetreuung in vielen kommunalen Kitas und Horten nicht gewährleistet sein, denn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft die Beschäftigten für diesen Tag zu einem Warnstreik auf. Im Detail haben die Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen heute Arbeitsniederlegungen in Chemnitz, Dresden, Leipzig, Halle, Dessau, Erfurt und Gotha angekündigt.

Das streikende Personal ist aufgerufen, sich zu einer zentralen Kundgebung auf dem Leipziger Richard-Wagner-Platz zu versammeln.

Bereits am 14. April hatte es Warnstreiks in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegeben.

Seit Ende Februar verhandeln die Gewerkschaften mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über die Weiterentwicklung der Sonderregelungen und der Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Die bisherigen zwei Verhandlungsrunden haben laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen keine Ergebnisse gebracht, da die VKA kein Angebot vorgelegt habe.

Vor der dritten Verhandlungsrunde, die für den 16. und 17. Mai anberaumt ist, wollen die Gewerkschaften mit dem heute angekündigten Warnstreik und dem Demonstrationszug in Leipzig den Druck auf die Arbeitgeberverbände erhöhen.

Die Gewerkschaften fordern unter anderem eine verbesserte Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst und Anpassung der Stufenlaufzeiten an die allgemeinen Regelungen und Öffnung der Stufen 5 und 6 für alle Entgeltgruppen im Sozial- und Erziehungsdienst.

Entlastungspaket für Bürger/-innen beschlossen

Worüber die LZ heute berichtet hat: wie bereits beschrieben über Ermittlungen und eine damit einhergehende Durchsuchungsaktion gegen den Rechtsextremisten Sven Liebich und eine Mitbeschuldigte, über die (mangelnde) Umsetzung der Baumschutzsatzung in Leipzig und über neue Rettungswagen bei der Leipziger Notfallrettung.

Was heute sonst noch wichtig war: Die Bundesregierung hat heute die Einreiseregeln bezüglich Corona bis Ende Mai verlängert. Personen, die nach Deutschland reisen, müssen also weiterhin nachweisen, dass sie entweder geimpft, getestet oder genesen sind.

Außerdem hat das Kabinett in Berlin das sogenannte Energie-Entlastungspaket beschlossen. Es beinhaltet unter anderem einen einmaligen Kindergeld-Extrazuschuss von 100 Euro, eine Steuersenkung bei Kraftstoffen für drei Monate, ein Neun-Euro-Pro-Monat-Ticket für Regional-ÖPNV (ebenfalls auf drei Monate befristet) und ein Energiegeld für Erwerbstätige von 300 Euro brutto.

Halbfinale der Europa-League in Leipzig und „Girls‘ Day“

Was morgen passieren wird: Am morgigen Donnerstag (28. April) treffen RB Leipzig und die Glasgow Rangers in der Leipziger Red-Bull-Arena vor voraussichtlich rund 40.000 Fußballfans aufeinander, um das Halbfinale der Europa-League auszutragen. Anpfiff ist 21 Uhr. Die Stadt hat deshalb erneute Verkehrseinschränkungen rund um das Stadion angekündigt.

Unter anderem verhängt das Ordnungsamt Halteverbote in bestimmten Bereichen des Waldstraßenviertels. Das östliche und westliche Waldstraßenviertel sind zudem ab 18 Uhr für PKW gesperrt.

Morgen findet außerdem der sogenannte „Girls‘ Day“ statt, ein von der Bundesregierung in vielen Bereichen geförderter Aktionstag gegen Klischees in der Berufsorientierung. Dabei sollen Mädchen und junge Frauen Einblicke in Berufe erhalten, die traditionell vorwiegend von Männern ausgeübt werden.

In Sachsen beteiligen sich unter anderem die HTWK Leipzig, die Polizei und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Seit einigen Jahren begehen viele Institutionen und Unternehmen am selben Tag auch den „Boys‘ Day“, um Jungen und junge Männer für Berufe zu begeistert, die statistisch gesehen eher von Frauen ergriffen werden.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Luise Mosig über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar