Nach einem dramatischen Abschiebungsversuch und zahlreichen Demonstrationen beschäftigt sich nun die Härtefallkommission mit dem Fall Mohammad K. Außerdem debattiert Leipzig über Bezahlschranken bei Bombenfunden und eine Schule in Stötteritz schließt wegen defekter Heizung. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 21. September 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus passiert ist.

Härtefallkommission beauftragt: Abschiebung von Mohammad K. ausgesetzt

„Mohammad bleibt!“ Unter diesem Hashtag hatten sich hunderte Leipziger/-innen in der vergangenen Woche in den sozialen Netzwerken und auf zahlreichen Kundgebungen mit Mohammad K. solidarisiert. Nun bleibt der ehemalige Bäckereimitarbeiter tatsächlich – vorerst. Heute wurde Mohammad K. aus der Dresdner Abschiebehaft entlassen, ausgerechnet an seinem Geburtstag, den er dann mit Familie und Freund/-innen im Garten seines Wohnhauses in der Südvorstadt feiern konnte.

Grund seiner Entlassung ist die Entscheidung der sächsischen Behörden, Mohammad K.s Fall nach lautstarkem Protest gegen dessen angesetzte Abschiebung an die Härtefallkommission zu übergeben. Die sächsische Härtefallkommission kann für vollziehbar ausreisepflichtige Nicht-Deutsche die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis herbeiführen, insofern dringende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen.

Bis die Kommission über Mohammad K.s Fall entschieden hat, ist die geplante Abschiebung ausgesetzt. Mohammad K. und seine Vertrauten zeigten sich heute sichtbar erleichtert und glücklich. In einer Online-Videobotschaft bedankte sich der 26-Jährige für die Unterstützung. „Hallo Leute, ich bin wieder zu Hause“, spricht Mohammad K. in die Kamera. „Ich will heute feiern.“

Heftige Debatte über LVZ-Bezahlschranke bei Bombenfund

Nach dem gestrigen Bombenfund am Wilhelm-Leuschner-Platz, woraufhin die Innenstadt evakuiert werden musste, ist einmal mehr eine Debatte über sogenannte Bezahlschranken („Paywalls“) bei Online-Medien entfacht worden. Über die Ereignisse rund um den Bombenfund berichteten gestern zahlreiche tagesaktuelle Online-Medien, beispielsweise die Leipziger Volkszeitung (LVZ), der MDR und die Leipziger Zeitung (LZ).

Im Unterschied zum MDR und zur LZ war die Live-Berichterstattung der LVZ online nur für Abonnent/-innen lesbar. Die LVZ schaltete zwar einen Übersichtsartikel für alle Leser/-innen frei und teilte wichtige Informationen wie eine städtisch bereitgestellte Karte mit dem Evakuierungsradius kostenlos auf ihren Social-Media-Kanälen. Ihren Liveticker mit Updates des Geschehens an der Propsteikirche und dessen Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft konnten jedoch nur diejenigen lesen, die monatlich für ein Abonnement bezahlen.

Wie bereits bei vergangenen lokalen Großereignissen, bei denen die Sicherheit tausender Menschen in Gefahr ist, erhielt die LVZ Kritik für die Entscheidung, Teile ihrer Bomben-Berichterstattung hinter der Bezahlschranke zu platzieren. „Man könnte Leser & Traffic auf die eigene Webseite bekommen, weil das Interesse sicher groß ist, und Betroffenen helfen & Informationen verfügbar machen“, schrieb ein Facebook-Nutzer unter den LVZ-Beitrag. „Oder man versteckt sehr wichtige Informationen hinter der eigenen Paywall, LVZ+. Applaus, Leipziger Volkszeitung. Journalismus gone wrong.“

LVZ verteidigt Bezahlschranke

Auch auf Twitter äußerten zahlreiche Leute ihr Unverständnis für die Bezahlschranke der LVZ. Die LVZ reagierte auf die Kritik und veröffentlichte heute eine Sonder-Folge ihres Podcasts „Unsere Story“ zur Frage „Warum ist der Liveticker der LVZ kostenpflichtig?“.

Darin äußert die Chefredakteurin Hannah Suppa Verständnis für die Kritik, verteidigt aber die gestrige Entscheidung, vor dem LVZ-Liveticker eine Paywall hochzuziehen. „Das ist journalistische Arbeit, die wir den Kolleginnen und Kollegen natürlich bezahlen“, erklärt Suppa. „Dafür müssen wir Geld einnehmen.“

Das Abo-Modell der LVZ bedinge eine Bezahlschranke vor Inhalten, an denen so viele Reporter/-innen und Fotograf/-innen mitgearbeitet hätten. Seit circa zwei Jahren sind die Online-Inhalte der LVZ größtenteils nur gegen Bezahlung lesbar, so wie bei den Online-Auftritten vieler anderer Zeitungen auch.

Kritik an Informationen auf städtischer Website

Auch LVZ-Redakteur Josa Mania-Schlegel verteidigte die Bezahlschranke gestern auf seinem Instagram-Account. Er wies darauf hin, dass „alle lebensnotwendigen Informationen“ auf der Website der Stadt, beim MDR und im frei zugänglichen LVZ-Überblicksartikel zu bekommen seien. Zumindest mit den Infos von städtischer Seite fühlten sich nicht alle gut versorgt: Eine Leipzigerin prangerte gestern Abend unter einem Facebook-Beitrag der Stadt zum Bombenfund die städtische Kommunikation an.

Der Informationsfluss der Stadt bezüglich des Bombenfunds sei „beschämend“ gewesen. „Weder hier noch auf der Internetseite der Stadt Leipzig erhält man aktualisierte Informationen“, kritisiert die Nutzerin am späten Abend. „Man könnte natürlich den Liveticker der LVZ Leipziger Volkszeitung verfolgen. Der muss allerdings bezahlt werden. Warum sollte man auch solche wichtigen Informationen für die Allgemeinheit freigeben?“

Zu kalt zum Lernen: Neue Nikolaischule schließt wegen defekter Heizung

Man könnte sagen, dass Schüler/-innen und Lehrkräfte in Sachsen das Frieren bereits gewohnt sind. In den vergangenen zwei Jahren saßen sie in den Herbst- und Wintermonaten oft mit Jacken im Klassenzimmer, da die Behörden regelmäßiges Stoßlüften als Coronaschutzmaßnahme anordneten.

Vor Beginn der offiziellen Heizperiode Anfang Oktober ist es in Mitteldeutschland nun schon so kalt geworden, dass Heizen notwendig wird, um eine angemessene Raumtemperatur zu erhalten.

Die Neue Nikolaischule in Leipzig-Stötteritz schließt jetzt ab Donnerstag bis Ende September ihre Türen, da die Heizungsanlage defekt ist. Darüber berichtete heute der MDR. „Wegen der ausgefallenen Heizung sind die Temperaturen in den Unterrichtsräumen im Schnitt von 20 Grad am Montag auf heute 18 Grad gefallen“, schrieb die Schulleitung heute.

Die seit längerem defekte Heizung konnte über den Sommer nicht repariert werden, da Bauteile nicht geliefert wurden, erklärt die Schulleitung weiter. Die Klassen 5 bis 11 sollen bis zur erfolgreichen Reparatur im Homeschooling lernen, die zwölfte Klasse wird in externen Räumen in Präsenz unterrichtet.

Demonstration gegen „Bildungsnotstand“ vor Landtag

Es gibt in Sachsen einen weiteren Grund, weshalb Schüler/-innen regelmäßig nach Hause geschickt werden: der Mangel an Lehrkräften. Dagegen protestierten heute Abend rund 700 Menschen, organisiert von der Bildungsgewerkschaft GEW, vor dem Landtag in Dresden. Unter dem Motto „Raus aus dem Bildungsnotstand!“ kritisierten die Beschäftigten den Sparkurs im Bildungssektor.

„Mehr Personal, mehr Entlastung, mehr Anerkennung“, forderten Erzieher/-innen auf einem Plakat. Das Personal in Kindertagesstätten sei „am Limit“. Uschi Kruse, die Vorsitzende der GEW Sachsen, forderte die Landesregierung in einer Rede dazu auf, bei der Personalzuweisung an Kitas und Schulen deutlich aufzustocken.

„Nur weil den Kindern keine Schulden hinterlassen werden sollen, wird genau diesen Kindern die Bildungschancen verweigert.“ An Schulen herrsche ein nie gekannter Lehrkräftemangel und der Personalschlüssel an Kitas bleibe trotz Versprechungen der Koalition unverändert schlecht, heißt es im Kundgebungsaufruf der GEW.

Kultusminister Piwarz bittet Teilzeit-Lehrkräfte um Stundenaufstockung

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) will dem erheblichen Lehrer/-innenmangel derweil mit einer Aufstockung des Teilzeit-Personals gegensteuern. In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit der LVZ bittet Piwarz die Lehrkräfte, die derzeit in Teilzeit arbeiten, mehr Wochenstunden zu arbeiten. Rund ein Drittel der Lehrkräfte in Sachsen arbeitet in Teilzeit.

Anklage gegen Gil Ofarim zugelassen

Worüber die LZ heute berichtet hat: über Kindesmisshandlung im Interview mit Jugendpsychiater Kai von Klitzing, über die Frage des Artenschutzes beim Bau eines inklusiven Campingplatzes in Leipzig und über die Pläne für den Matthäikirchhof

Was heute noch außerdem noch wichtig war: Das Hauptverfahren gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim ist eröffnet. Das Landgericht Leipzig hat heute der Anklage gegen den 40-Jährigen Zulassung erteilt. Ihm wird unter anderem Verleumdung vorgeworfen. Vor rund einem Jahr hatte Ofarim einen Mitarbeiter im Hotel Westin des Antisemitismus beschuldigt, woraufhin es eine große Solidaritätswelle für Ofarim gab. Der Prozess startet am 24. Oktober in Leipzig.

Putin ordnet Teilmobilisierung an

Russlands Präsident Putin hat heute eine Teilmobilisierung im Krieg gegen die Ukraine angeordnet. Das russische Verteidigungsministerium spricht von 300 000 Reservisten, die nun eingezogen werden sollen. Die Bundesregierung bewertet die Teilmobilisierung als Zeichen der Schwäche Russlands, das in jüngster Vergangenheit zahlreiche militärische Rückschläge in seinem Angriffskrieg auf die Ukraine zu verzeichnen hatte. Verschiedene Medien berichten von ausgebuchten Flügen aus Russland ins Ausland.

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