Dritter Tag im Prozess wegen schweren Landfriedensbruchs im Juni 2015. Diesmal wurden keine Zeugen befragt. Stattdessen ging Strafverteidiger Daniel Werner in die Offensive: Er möchte beweisen, dass sein Mandant Opfer eines polizeilichen Übergriffs wurde und keine Pflastersteine bei sich trug.

Der Prozess gegen einen 37-jährigen Mann, der sich am 5. Juni 2015 an den Ausschreitungen am Bundesverwaltungsgericht beteiligt haben soll, wurde am Mittwochnachmittag fortgesetzt. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Verhandlungstagen wurden diesmal keine Zeugen befragt. Stattdessen nahmen Richter, Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagter verschiedene Beweismittel in Augenschein. Dazu zählten eine offenbar abgefeuerte Seenotfackel sowie Fotos von Schäden an Gebäuden und Gegenständen, die der Angeklagte bei sich getragen haben soll, darunter ein Stoffbeutel, ein Marmeladenglas und eine Sturmhaube.

Zudem äußerte sich der angeklagte Lars S. zu seinen persönlichen Verhältnissen: Abitur, sozialwissenschaftliches Studium, Gewerkschaftsmitglied, Büroangestellter lauteten die Angaben. Früher war er außerdem Sprecher einer Bürgerinitiative, die sich gegen den Abriss von Häusern engagiert hat.

Eine spannende Entwicklung könnte der Prozess womöglich dank mehrerer Anträge seines Strafverteidigers Daniel Werner nehmen. Dieser möchte zum einen beweisen, dass sein Mandant zum Zeitpunkt seiner Verhaftung keinen Stoffbeutel trug, sondern diesen nachträglich übergestreift bekam. In einem Beutel, den ein Polizist vor Gericht dem Angeklagten zugeordnet hatte, waren Pflastersteine gefunden worden.

Zum anderen möchte Werner aufzeigen, dass die Verletzungen seines Mandanten – unter anderem Nasenbeinbruch und verschiedene Prellungen – nicht aus einem Sturz, sondern aus dem Schlag eines Polizisten mit einem Gegenstand resultierten. Mithilfe einer speziellen Software möchte Werner dies in einem bereits bekannten Video deutlich sichtbar machen. Die Staatsanwaltschaft hält einen Anfangsverdacht für eine solche Straftat offenbar jetzt schon für gegeben und ermittelt gegen unbekannt.

Um herauszufinden, welcher Polizist für den möglichen Übergriff verantwortlich ist, möchte Werner zahlreiche Beamte laden, die mit der Festnahme von S. zu tun hatten. Zudem wies der Strafverteidiger auf einen Widerspruch in der Zeugenaussage jenes Polizisten hin, der S. bislang am Stärksten belastet. Ziel ist es, dessen Glaubwürdigkeit infrage zu stellen.

Ließe sich eine Körperverletzung im Amt nachweisen, müsste sich dies laut Werner im Falle einer Verurteilung strafmildernd auswirken. Zudem möchte er offensichtlich Zweifel daran wecken, dass der Angeklagte tatsächlich Pflastersteine mit sich führte. Zur Verteidigungsstrategie gehört im Moment auch, die Ansammlung, aus der heraus Pflastersteine, Molotowcocktails und andere gefährliche Gegenstände auf Polizisten geworfen wurden, als nicht grundsätzlich unfriedlich darzustellen. So seien beispielsweise 71 geworfene Gegenstände gefunden worden, darunter 20 Pflastersteine. Laut Zeugenaussagen haben sich zwischen 100 und 200 Personen an dem Aufzug beteiligt. Würde man annehmen, dass einige Menschen mehrere Gegenstände warfen, hätte sich der überwiegende Teil laut Werner demnach friedlich verhalten.

Bislang sind zwei weitere Fortsetzungstermine angesetzt.

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