Wurde der unter Mordverdacht stehende Edris Z. (31) schon gewalttätig, bevor er mutmaßlich seine Ex-Partnerin umbrachte? Am Mittwoch sagte vor dem Leipziger Landgericht jener Zeuge aus, der bereits 2018 offenbar nur durch Zufall mit dem jetzt angeklagten Mann aneinandergeriet – und danach für eine Woche im Krankenhaus landete. „Ich weiß bis heute nicht, was das sollte“, sagte Abbas A. (25) am Mittwoch vor dem Leipziger Landgericht aus. Noch immer ist der junge Mann fassungslos über den Gewalt-Exzess, der ihm am Fockeberg widerfahren sein soll.

Es war am 20. August 2018, als er sich mit der vor gut einem Jahr getöteten Myriam Z. und deren Hund zu einem gemeinsamen Spaziergang traf. Damals hatte sich die Sozialarbeiterin bereits von ihrem Partner Edris Z. getrennt, der nun wegen Mordes auf der Anklagebank sitzt.

Myriam Z. habe er in einer Flüchtlingsunterkunft kennengelernt, erinnerte sich der junge Iraker, der seit etwa vier Jahren in Deutschland lebt, und zu ihr eine rein freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Als sich die beiden bereits auf dem Heimweg befanden, seien sie an jenem 20. August 2018 zufällig auf Edris Z. getroffen.

Eine Woche Krankenhaus nach Angriff

Er sei auf die beiden zugekommen, habe auf sie eingeredet, Myriam Z. bespuckt und mit üblen Beleidigungen versehen. Deswegen habe er sich entschieden einzugreifen, erinnerte sich Abbas A.: „Er kam mir körperlich sehr nahe.“ Nachdem er ihn mit einer Hand zurückstieß, seien beide zu Boden gegangen. Dabei habe Edris Z. ihm seine Finger in die Augen gelegt, so der Zeuge, und ihm offenbar auch einen Teil des linken Ohres abgebissen.

Und Myriam? „Sie hat nichts unternommen. Sie hat nur geschrien.“ Vorher habe sie ihren Begleiter mit den Worten „Ich erkläre dir das alles“ zum Aufbruch gedrängt, um sich der Konfrontation zu entziehen, doch Edris Z. sei beiden gefolgt, ohne von ihnen abzulassen.

Abbas A. erlitt durch die Gewalt-Orgie Verletzungen auch an der Brust und beiden Oberarmen, musste für eine Woche in der Klinik bleiben und nach eigenem Bekunden operiert werden.

Späteres Opfer erwirkte Kontaktverbot

Nach dem dramatischen Vorfall hatte Myriam Z. ihren Ex-Freund, mit dem sie von Ende 2015 bis Anfang 2018 zusammen war, bei der Polizei angezeigt und ein Gewaltschutzverfahren angestrengt. Das endete im Herbst 2018 mit einem Kontaktverbot, das Edris Z. jegliche Annäherung an seine frühere Partnerin untersagte. Myriam Z. schilderte später gegenüber Abbas A., der den Redeschwall seines Kontrahenten am Fockeberg überhaupt nicht verstanden haben will, dass es zwischen beiden Streit um ein Geschenk im Wert von etwa 40 Euro gäbe. Dieses habe Edris Z. angeblich zurückgefordert.

Gekannt hatten sich beide Männer vor dem Geschehen offenbar nicht. Schon während Myriam Z. und Edris Z. noch ein Paar waren, habe er lediglich den Vornamen des Partners erfahren und Andeutungen von Myriam gehört, wonach sie in der Beziehung nicht sehr glücklich gewesen sei. Die Gründe habe sie ihm aber nicht konkretisiert, und er habe nicht nachfragen wollen: „Weil das nicht meine Sache ist“, so Abbas A. im Zeugenstand.

„Sie hatte ein schlechtes Gefühl“

Im Nachhinein erklärte Myriam ihm, dass Edris Z. eifersüchtig gewesen sei und Abbas A. möglicherweise für einen Nebenbuhler gehalten habe. Es habe demnach keineswegs seinem Willen entsprochen, die Beziehung zu beenden, erinnerte sich der 25-Jährige an die Darstellung von Myriam. Demgegenüber hatten andere Zeugen im Prozess ausgesagt, die Trennung sei von Edris Z. ausgegangen.

Der Vorfall am Fockeberg hinterließ offenbar seine Spuren: „Sie hatte ein schlechtes Gefühl“, meinte Abbas A. über den Zustand von Myriam nach dem Ereignis, als das Gewaltschutzverfahren lief. Ständig habe sie ihn auf der Straße oder im Park gesehen.

Von einem Bekannten erfuhr Abbas A. schließlich, dass Myriam Z., die er eine „richtig gute Freundin“ nennt, nach dem Angriff im Auwald vom 8. April 2020 ihren Kopfverletzungen erlegen war. Die Staatsanwaltschaft hält Edris Z., der im Prozess bisher durchweg schweigt, für den Täter.

Neuer Streit mit der Verteidigung

Während der Vernehmung von Abbas A., der zugleich Nebenkläger im Prozess ist, kam es am Mittwoch erneut zum Streit mit der Verteidigung des Angeklagten. Dessen Anwalt Georg K. Rebentrost richtete an den 25-jährigen Zeugen unter anderem Fragen, die Hintergründe seiner Flucht aus dem Irak und seine Vergangenheit als Soldat betrafen. Nach eigener Aussage hatte Abbas A. 2014 in der Heimat gegen den „Islamischen Staat“ gekämpft. In Deutschland absolviert er inzwischen eine Ausbildung.

Seine Anwältin Rita Belter und der Schwurgerichts-Vorsitzende Hans Jagenlauf wiesen die Fragen des Verteidigers mehrfach zurück: Diese berührten den privatesten Bereich des Zeugen und seien für den Sachverhalt nicht relevant.

Die Vernehmung wurde am späten Nachmittag unterbrochen und soll kommenden Mittwoch fortgesetzt werden.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar