Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier steht in der Kritik, weil er Noah Becker rassistisch beleidigt haben soll. Angeblich ist ein anonymer Mitarbeiter für den mittlerweile gelöschten Tweet verantwortlich. Doch frühere Äußerungen des AfD-Politikers zeigen, dass seine Urheberschaft plausibel wäre. Journalisten sollten deshalb wohl bis zum Beweis des Gegenteils eher davon ausgehen, dass Maier lügt.

Die AfD hat offenbar einen neuen Weg gefunden, um sich nachträglich von Äußerungen zu distanzieren, die selbst für ihre Verhältnisse zu weit gegangen sind. Waren es bislang meist die Journalisten, die für falsche Interpretationen verantwortlich gemacht wurden, müssen nun eigene Mitarbeiter als Erklärung für Fehlverhalten herhalten.

Als auf dem Twitter-Account der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Beatrix von Storch kurz vor Weihnachten zu lesen war, dass man Bundeskanzlerin Angela Merkel das Fleisch „von ihrem Kadaver reißen“ wolle, folgte kurz darauf – ebenfalls via Twitter – die Erklärung, dass dies ein „Schrotttweet meines Teams“ gewesen sei. Die AfD-Politikerin selbst sei „13.000 Kilometer entfernt im Funkloch und mache Twitterpause“.

Einen ähnlichen Weg wählte nun der sächsische Bundestagsabgeordnete Jens Maier. Nachdem auf seinem Twitter-Account eine rassistische Beleidigung zu lesen war, die sich an Noah Becker, einen Sohn des ehemaligen Tennisprofis Boris Becker, richtete, schob Maier die Verantwortung für diesen Tweet einem „Mitarbeiter“ zu. Die Nachfrage des „Bild“-Journalisten Julian Röpcke nach dem Namen des Mitarbeiters und arbeitsrechtlichen Konsequenzen beantwortete Maier bislang nicht.

Jens Maier und das N-Wort

Andere Personen für strafrechtlich relevante Inhalte verantwortlich zu machen, ist keine neue Strategie. So hatte auch Pegida-Frontmann Lutz Bachmann in seinem Strafprozess wegen Volksverhetzung zunächst behauptet, dass eine unbekannte Person seinen Facebook-Account genutzt hätte. Für Journalisten und andere AfD-Beobachter stellt sich die Frage, wie mit solchen Ablenkungsmanövern umzugehen ist.

Nehmen wir den Fall Maier: Wäre es dem selbsternannten „kleinen Höcke“ zuzutrauen, dass er einen Menschen als „Halbneger“ bezeichnet? Definitiv. Erst gestern, am 3. Januar 2017, veröffentlichte er auf Facebook eine Fotomontage, die die Grünen als Verbotspartei darstellt. Unter anderem „Negerkuss“ und „Negerkönig“ dürfe man offenbar nicht mehr sagen, so die Botschaft.

Bereits im vergangenen September berichtete die FAZ über eine Wahlkundgebung in Görlitz. Dort soll Maier geäußert haben: „Zu einem Schwarzen hat man früher Neger gesagt.“ Im Januar 2017 redete Maier zudem über die „Herstellung von Mischvölkern“, benutzte also eine ähnliche Sprache wie nun der angebliche Mitarbeiter.

In jedem Fall verantwortlich

Dass Maier den rassistischen Tweet selbst verfasst hat, erscheint aber nicht nur deshalb plausibel, weil es ihm aufgrund seiner bisherigen Auftritte zuzutrauen wäre, sondern auch weil es kein Autorenkürzel eines angeblichen Mitarbeiters gab. Noch immer enthält der Twitter-Account keinen Hinweis, dass einige Tweets angeblich von anderen Personen geschrieben werden. Dementsprechend beurteilt auch Dietmar Neuerer, der AfD-Experte des „Handelsblattes“, die Erklärung als „unglaubwürdig“.

Letztlich stellt sich auch die Frage, ob Maier nicht sowieso für diesen Tweet verantwortlich ist – unabhängig von der Urheberschaft. Schließlich dürfte ihm die menschenfeindliche Gesinnung eines solchen Mitarbeiters im Bewerbungsgespräch kaum verborgen geblieben sein.

Die Becker-Familie möchte nun offenbar juristisch gegen Maier vorgehen. Diese Entscheidung ist allein deshalb schon zu begrüßen, weil so womöglich geklärt werden kann, wer den Tweet wirklich geschrieben hat. Da sowohl Beatrix von Storch als auch Jens Maier solche Äußerungen zuzutrauen sind, sollte man bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass sie die Urheber sind.

Davon abgesehen gilt: Wer die Bundeskanzlerin für jede Gewalttat eines Geflüchteten verantwortlich macht, muss sich konsequenterweise auch die Fehler angeblicher Mitarbeiter persönlich anrechnen lassen.

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Keine Kommentare bisher

Es sollte sich dringend mal jemand seine Urteile als Richter in der Vergangenheit genauer ansehen. Ich glaub nicht, dass das Urteil zugunsten der NPD, das man auf seiner Wikipedia-Seite nachlesen kann, das einzig fragwürdige ist.

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