So richtig wissen kann gerade niemand, was heute noch in Leipzig geschieht. Per Twitter angekündigt ist eine Demonstration namens „Tag X+1“, welche an die unfriedlichen Tage im vergangenen Jahr erinnert für 22 Uhr im Leipziger Osten. Die Leipziger Polizei jedenfalls zeigt sich alarmiert und ist vor Ort. Und dieser, an der Wurzner, Ecke Roßbacher Straße füllt sich kurz nach 22 Uhr gerade mit immer mehr Menschen.

Am Ende brannte am 3. September 2020 in der Nacht auf der Ludwigstraße eine Barrikade und die Polizei setzte Tränengas ein. Gleichzeitig war dies nur ein Auftakt zu zwei weiteren Nächten – danach eher in Leipzig-Connewitz – an denen Polizeikräfte angegriffen wurden und aus einer Demonstration heraus Farbe und ein Bengalo auf einen Neubau in der Wolfgang-Heinze-Straße flogen.Wie im letzten Jahr schließt sich heute eine Demonstration an, die allerdings vor Ort niemand anmelden möchte. Im Moment startet eine erste Demonstration an der Wurzner Straße, die LZ ist, wie eine bereits größere Anzahl von Menschen und Presseleuten vor Ort.

Die Demo hat sich aktuell ohne weitere Vorwarnung in Gang gesetzt, die Polizei ist ebenfalls umgehend gestartet – erste Böller und Bengalos sind angezündet worden. Es fliegen erste Flaschen Richtung Polizeibeamte.

Erste Videobilder aus der Wurzner Straße (ca 22:15 Uhr)

22:25 Uhr: Team Blau liegt 1:0 vorn

Angesichts der gestern begonnen EM müsste man tatsächlich sagen: Spontandemo aktuell 0 Polizei 1. Mit geschätzten 80 Einsatzfahrzeugen, Wasserwerfern, einem Räumpanzer und unzähligen Beamten zeigt der Staat gerade an der Wurzner Straße, was er hat.

Im nahegelegenen Park streifen Polizeibeamte und suchen mit Taschenlampen das Areal ab – die Straße ist derzeit klar blau gefärbt. Eine Demonstration findet in dem Sinne nicht statt – außer die der Polizei und ihrer Stärke.

Videobilder ab 22:20 Uhr auf der Wurzner Straße

Video: LZ

22:55 Uhr: Extrem hohe Polizeidichte

Die Polizei hat nun vollständig die Regie vor Ort übernommen, während überall verstreut Menschen herumstehen oder laufen. Manche waren zur Demo gekommen, die es nicht gibt, andere wollen nur mal schauen, was die vielen Lichter in der Nacht bedeuten. Ein Vater beschwert sich bitterlich über den kreisenden Helikopter über dem Gebiet, da sein zwei Monate altes Kind nun nicht mehr schlafen kann.

Unterdessen hat die Polizei begonnen auch den angrenzenden Park zu durchkämmen. Ob hier und heute an diesem Ort noch etwas passieren wird, ist eher unwahrscheinlich. Die Einsatzleitung hat bereits die ersten Spontandemoansätze im Keim erstickt und wirklich anmelden mochte die Versammlung auch niemand.

Mindestens drei Wasserwerfer und einen Räumpanzer hat die PD Leipzig neben rund 80 weiteren Einsatzfahrzeugen und hunderten Beamten in dieser Nacht im Einsatz – angesichts des dafür recht kleinen Gebietes vielleicht die höchste Polizeidichte überhaupt, die es in den letzten Jahren pro Quadratmeter gab.

23:10 Uhr: Die Wurzner leert sich

So schnell es im Leipziger Osten aufflammte, so schnell ist es auch an der Wurzner Straße zu Ende. Nun ist wohl nach ersten Informationen eine Demonstration in Leipzig Connewitz am Herderpark (Wolfgang-Heinze-Straße) angemeldet. So heißt es jedenfalls vor Ort in der sich rasch leerenden Straße.

Ob der Leipziger Süden der einzige Ort ist, an dem heute Nacht noch demonstriert werden könnte, prüft die LZ-Redaktion gerade.

Wasserwerfer umparken und eine Straße leert sich Richtung Leipzig Süd. Video: LZ

23:35 Uhr: Still ruht der See

Derzeit bewegen sich eine noch unklare Anzahl an Einsatzfahrzeugen über die Leipziger Innenstadt Richtung Leipziger Süden. Am Herderpark haben sich bereits einige Menschen eingefunden, doch es herrscht eher Feierstimmung.

Unterdessen wird auch erste Kritik am massiven Polizeiaufgebot laut – einerseits aus einem gewissen Frust heraus, weil es bislang nicht gelungen ist, eine Spontandemo hinzubekommen. Zum anderen aber auch, weil es durchaus beeindruckend aussah, was so alles in der PD Leipzig verfügbar ist, wenn man denn will.

Gelangweilte Polizei im Leipziger Osten kurz nach 23 Uhr. Foto: LZ
Gelangweilte Polizei im Leipziger Osten kurz nach 23 Uhr. Foto: LZ

Bislang blieb es auch im Leipziger Süden friedlich, eine echte Versammlung ist nicht zu erkennen. An der Wurzner Straße sind nur noch ein paar gelangweilte Einsatzbeamte übrig geblieben. Mit jeder Minute steigt nun auch die Möglichkeit, dass ein anderer, alternativer Demonstrationsort aufgegeben wurde und wirklich der Leipziger Süden übrigbleibt. Womit auch immer.

0:03 Uhr: Ein Ausweichort als Flopp und wenig los am Herderpark

Die Nacht gehört der Polizei. Auch ein angeblicher Ausweichort im Leipziger Osten, an dem eine Ersatzdemo hätte stattfinden sollen, blieb um 23:30 Uhr menschenleer. An der Zweinaundorfer Straße – so war vorab in einigen Kreisen zirkuliert – wollte man eigentlich eine Spontanversammlung machen, wenn es in der Wurzner Straße, wie geschehen, keine Möglichkeit dazu gäbe.

Nun ist auch diese ausgefallen, einige sind gen Süden gereist, so mancher ist wohl auch einfach wieder nach Hause gegangen. Derzeit ist offen, ob heute noch eine spontane Demonstration zum „Tag X+1“ startet. Der 12. Juni 2021 jedenfalls ist mittlerweile rum.

Abschiedsbilder im Leipziger Osten. Die Zweinaundorfer ist menschenleer. Video: LZ

0:25 Uhr: 1:1 in Connewitz

Bleiben wir in den EM-Fußballmetapher vom Anfang, dann ist soeben doch eine Spontandemo allerdings in Leipzig Connewitz gestartet. Seit 0:20 Uhr etwa ziehen Menschen hinter einem Transparent laufend die Wolfgang-Heinze-Straße stadteinwärts.

Etwa 75 bis 100 Menschen haben sich hier versammelt und dieses Mal ist die ganze Geschichte sogar – sofern jemand fragt – angemeldet. Jemand hat sich bereit erklärt, die sicher nicht einfache Rolle der Versammlungsleiterin im Zweifel zu übernehmen, sollte es nötig werden.

Wie auch in der Wurzner Straße verläuft alles bislang friedlich.

Video: LZ

0:40 Uhr Alles schon wieder vorbei

Und das war es dann auch schon wieder. Übers Connewitzer Kreuz, ein Stück die Karl-Liebknecht-Straße hinunter und dann waren alle weg. So spontan, wie die Demo um etwa 0:15 Uhr in der Wolfgang-Heinze-Straße am Herderpark begann, so spontan löste sie sich gegen 0:40 Uhr wieder auf und zerstreute sich in alle Richtungen. Die Polizei hatte das ganze zwar mit einem Einsatzfahrzeug begleitet, sich aber zurückgehalten.

Vielleicht warteten die Beamten im Fahrzeug aber auch nur auf Verstärkung. Kurz nach der Auflösung kreuzten wieder viele Einsatzfahrzeuge auf dem Bereich Höhe „Matratzen-Concord“ an der Karli. Vielleicht ja auf der Suche nach den Demonstranten.

Polizisten kontrollieren etwa 1 Uhr zufällig Passanten an der Kurt-Eisner-Straße. Foto: LZ
Polizisten kontrollieren etwa 1 Uhr zufällig Passanten an der Kurt-Eisner-Straße. Foto: LZ

Damit endet wohl die heutige Suche nach der „Demo danach“, nach der gestrigen Hausbesetzung der Tiefe Straße 3 in Leipzig. Auf der Bornaischen und der Wolfgang-Heinze-Straße ist noch Party an einem Samstag, an welchem die Pandemie schon weit entfernt und der Sommer angebrochen scheint.

Video: LZ

Schlusspunkt

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