Sommer 2018. Berichte über eine Neuntklässlerin fluten die Medien: Greta Thunberg schwänzt. Doch es ist keine pubertäre Antihaltung gegenüber der Schule, die sie dazu bewegt. Mit ihrem freitäglichen Fernbleiben vom Unterricht will die damals 15-Jährige ein Zeichen setzen: für welche Zukunft lernen wir eigentlich? Sollte die Menschheit trotz des Pariser Klimaabkommens weiterhin so unbedarft handeln wie bisher, zeichnet sich ein klares Bild ab: Tier- und Pflanzenarten werden aussterben, Naturkatastrophen als Alltagsphänomen, verschmutzte Luft, die Millionen Menschen erkranken lässt.

Aus Gretas Streik entwickelte sich schnell eine globale Bewegung: Fridays For Future (FFF). Gingen zunächst nur Schüler/-innen auf die Straßen der Welt, folgten schnell weitere Initiativen: Studierende, Kunstschaffende, Eltern und Wissenschaftler/-innen. Auch in Leipzig sind die FFF-Gruppen sehr aktiv und machen mit Plakataktionen, Protesten und Kundgebungen auf unhaltbare Zustände aufmerksam.

In einer Leipziger Telegram-Gruppe zum Thema Klimabildung regte sich dann Anfang des Jahres etwas: wenn die Schüler/-innen für ihre Zukunft kämpfen, warum sollten die Lehrer/-innen ihnen nicht unter die Arme greifen? So bildete sich erst kürzlich die Leipziger Ortsgruppe von Teachers For Future. Doch in dem bisher knapp 30 Mitglieder umfassenden Bündnis sind natürlich nicht nur Lehrpersonen willkommen, so Teilnehmerin Charlotte Simonyi: „Ich studiere Lehramt auf Physik und Mathe und komme eigentlich von den Scientists For Future. Die Initiatorin der Leipziger Teachers-Bewegung ist beispielsweise Medizinerin und Mutter – dementsprechend in den Parents und Health For Future-Gruppierungen.“

So versammeln sich in regelmäßigen, derzeit digitalen Plenen nicht nur Lehrkräfte verschiedener Schultypen, sondern auch Lehramtsstudierende und Personen, die sich einfach für das Thema Klimabildung interessieren oder auf irgendeine Art und Weise darin verankert sind.

Vorrangig unterstützen die Teachers For Future natürlich Gretas Grundgedanken: auf der Straße oder mit anderen Aktionen für die Einhaltung des festgesetzten 1,5°-Zieles kämpfen. Zur Erklärung: im Dezember 2015 einigten sich auf der Pariser Klimakonferenz über 190 Länder, darunter die gesamte EU, darauf, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit deutlich unter 2 Grad zu halten.

Diese und weitere Klimathemen wollen die Lehrer/-innen aber nicht nur bei Protesten, sondern auch im Unterricht verdeutlichen.

Es fehlt an Verbindlichkeiten für Klimabildung

„Als Lehrpersonal sollen wir die Kinder und Jugendlichen ja auf ihre Zukunft vorbereiten“, so Charlotte Simonyi. „Und der Klimawandel wird ein großer Teil davon sein.“ Das UNESCO-Programm „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) sei inzwischen in eine sächsische Landesstrategie überführt worden. Seit 2019 greifen die sächsischen Lehrpläne BNE explizit auf.

Im Physiklehrplan für Gymnasien gebe es viele tolle Vorschläge, physikalische Inhalte auf Nachhaltigkeitsfragen zu beziehen: etwa auf das Schmelzen von Polkappen, Umweltbelastung durch den Luftverkehr, verschiedene Kraftwerks- sowie Motoren-Arten oder Maßnahmen zum Energiesparen.

Verpflichtend sei jedoch nur der Vergleich verschiedener Kraftwerksarten. „Als Teachers for Future fordern wir hier mehr Verbindlichkeit“, so Simonyi.

Natürlich müsse es Räume und Anlässe für Klimathemen im Unterricht geben, so Simonyi. Doch diese sieht sie in jedem Fach, entweder in der Vermittlung von Grundlagen oder in der Erklärung bestimmter Umweltthemen: „In den Naturwissenschaften kann man natürlich Fragen auf den Grund gehen wie: Was passiert beim Klimawandel? Was ist der Treibhauseffekt und wie entwickelt sich das Ganze, wenn wir so weitermachen wie bisher? Hier könnte man beispielsweise mit anschaulichen Experimenten ansetzen. Im Englischunterricht könnte man Diskussionen darüber führen. Immerhin ist es ein Thema von globaler Reichweite, also wäre es sinnvoll, den Kindern Vokabular über Klimawandel und Umwelt an die Hand zu geben.“

Auch im Geschichtsunterricht könnte man Vergangenheit und Gegenwart stärker verknüpfen und beispielsweise die Industrialisierung mit ihren heutigen Auswirkungen in Bezug setzen. Im Politik- und Sozialkundeunterricht könnten gesellschaftliche und politische Handlungsweisen aufgezeigt werden.

Die Möglichkeiten sind schier endlos, bereiten Schüler/-innen wirklich auf ihre Zukunft vor und stellen oft auch eine Lebensnähe her, wie es andere Themen nicht vermögen. „Am wichtigsten hierbei ist natürlich nicht nur zu zeigen, dass es ein Problem gibt, sondern dass wir alle etwas dagegen tun können“, so Charlotte Simonyi dazu.

Ob BNE an sächsischen Schulen umgesetzt wird, hängt nach Simonyis Einschätzung bisher stark vom Engagement einzelner Lehrkräfte ab. Umso wichtiger sei es, Lehrkräfte in ihrer Ausbildung zu BNE zu befähigen. Doch insbesondere für die Hochschulen betont die sächsische Landesstrategie den empfehlenden Charakter der vorgeschlagenen Ziele und Maßnahmen. Der ergebe sich zwingend aus der im Grundgesetz verankerten Freiheit von Forschung und Lehre – bedeute aber auch, dass Studierende und Dozierende an den Hochschulen selbst anpacken müssen.

Die neue Leipziger Zeitung (LZ) Nr. 89, VÖ 26.03.2021
Die neue Leipziger Zeitung (LZ) Nr. 89, VÖ 26.03.2021

Simonyi dazu: „In meinem Studium kommt das Thema nachhaltige Entwicklung auch ziemlich kurz. Ich habe circa die Hälfte meiner Studienzeit absolviert und in Physik noch nicht mehr über den Treibhauseffekt gehört als zu meinem Abitur. Solarzellen kamen auch noch nicht dran, Elektromotoren wurden nur am Rande gestreift.“ Deshalb sei sie vor einigen Monaten der Studienkommission Physikdidaktik beigetreten. Diese kann Module verändern, einführen oder abschaffen.

„Unsere Idee wäre ein eigenes Modul zum Thema Klimabildung. Wir hoffen, dass die Dozierenden in der Kommission dieses Vorhaben absegnen“, sinniert Simonyi. Es werde sich auch zeigen, ob das Land – wie im Strategiepapier zugesichert – die Hochschulen bei der Umsetzung von BNE finanziell unterstütze.

Zum internationalen Klimastreik am Freitag, 19. März, unterstützten die Teachers For Future Leipzig andere Klimagruppen bei ihren Aktionen. In Zukunft wollen sie auch eigene Projekte und Proteste in Angriff nehmen, weiterhin Druck auf die Politik ausüben, um Rahmenbedingungen für die Klimabildung zu schaffen und das Lehrpersonal für die Vermittlung von Umweltthemen ausbilden.

„Wer Interesse am Thema Klimabildung hat, kann gerne unserer Telegram-Gruppe ,Teachers4F Schools4F‘ beitreten. Ob aktive Mitarbeit oder einfach nur stilles Mitlesen und Inspiration sammeln“, schließt Charlotte Simonyi.

„Teachers For Future Leipzig“ erschien erstmals am 26. März 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG.

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