Der Klimawandel und das Artensterben machen sich immer bedrohlicher bemerkbar. 30 fette Jahre hat die Weltgemeinschaft vergeudet und vertan, um endlich gegenzusteuern. Und nun ist nicht nur Holland in Not. Eigentlich müssen in Windeseile neue Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden. Da wäre ein Ort wie die Deponie Seehausen günstig. Aber mit einer Menge guter Gründe erhebt jetzt der Naturschutzbund Deutschland, Regionalverband Leipzig e. V., Einspruch.

Am 28. April wurde entgegen der Ablehnung des Ortschaftsrates Seehausen die Bebauung der ehemaligen Deponie mit Photovoltaik im Stadtrat beschlossen. Der NABU Leipzig kritisiert diese Entscheidung und hat dazu nun extra ein Positionspapier verfasst, das die Bedenken des Naturschutzbundes bündelt.„Artensterben und Klimawandel sind eine Doppelkrise, die uns vor große Herausforderungen stellt. Bei allen Planungen und Bebauungen sollten Arten- und Klimaschutz stets besonders berücksichtigt werden“, betont René Sievert, der Vorsitzende des NABU Leipzig.

„Der Ausbau von Photovoltaik gehört zu den essenziellen Pfeilern bei der Umsetzung der Klimaziele. Ein Ausbau von Solarenergie ist daher auch im Interesse des Natur- und Artenschutzes, denn der Klimawandel zählt zu den größten Bedrohungen für Mensch und Natur. Es ist jedoch kontraproduktiv, wenn ein Ausbau von Photovoltaik so erfolgt, dass Natur- und Artenschutz ignoriert werden. Deshalb sollten Photovoltaikanlagen möglichst auf bereits versiegelten Flächen oder auf Dächern errichtet werden, nicht jedoch auf ökologisch wertvollen Flächen.“

Und zu einer solchen ist die einstige Deponie Seehausen ja geworden – quasi eine grüne Lunge mitten in einem Gebiet, das sonst von Autobahnen, Zubringern und Gewerbegebieten dominiert ist. Und die Ortschaft Seehausen mittendrin, wo man sich längst wie auf einer Insel fühlt, abgeschnitten von den einfachsten Möglichkeiten der Erholung im Grünen. Der Deponieberg wäre da eine wichtige Ausweichmöglichkeit, hatte nicht nur der Ortschaftsrat festgestellt.

Die Stadtwerke möchten den Berg gern zum Energieberg machen und hier den Großteil an Solarstrom für die Stadt Leipzig gewinnen. Und das, obwohl Seehausen ringsum von riesigen Unternehmen und Gewerbeparks umgeben ist, wo man problemlos die gleiche Menge Solarpaneele auf die Dächer bringen könnte. Selbst der Ausbau von Photovoltaik auf den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen sei nicht geprüft worden, kritisiert der NABU, obwohl das auch einem Verzicht auf Pestizide zuträglich wäre.

Man habe es einfach unterlassen, kritisiert der NABU. Der massive Eingriff in die seit 20 Jahren gewachsene Flora auf der Deponie würde an keiner Stelle im Umfeld ausgeglichen. Augenscheinlich wurde ein naturschutzrechtlicher Ausgleich nicht einmal in auf erste Optionen hin untersucht.

Das heißt: Auf die klimatisch und für den Artenschutz so wichtige Grüninsel wird in den Plänen weitestgehend einfach verzichtet, ohne dass man dafür irgendeine Ausgleichsfläche hat. Die klimaschonende Energiegewinnung wird einfach gegen einen im Umfeld von Seehausen mittlerweile unersetzlichen Grünbestand ausgespielt.

Und dazu kommt, so der NABU, dass im „Nachnutzungskonzept Deponie Seehausen“ durch den Abfallzweckverband Westsachsen eine Nutzung durch Photovoltaik eigentlich ausgeschlossen worden war. Doch seit die Idee, genau das trotzdem zu machen, vor drei Jahren erstmals auftauchte, hat es scheinbar keine intensive Diskussion mit Betroffenen und Umweltverbänden über die jetzt angesprochenen Kritikpunkte gegeben. Die Vorlage zum Energieberg Leipzig-Seehausen kam zeitlich denkbar knapp in den Stadtrat.

Und wenigstens eine Protokollnotiz konnte der Ortschaftsrat Seehausen erreichen: „Das weitere Verfahren (Bebauungsplanverfahren, Diskussion um die Ausgleichsorte und die Kompensation im Nordraum) wird aktiv zum Thema im Ortschaftsrat Seehausen gemacht. Der Planfortschritt im Wege des Abfallrechts soll transparent ausgestaltet werden.“

Das Positionspapier des NABU Leipzig.

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Keine Kommentare bisher

Ich stimme dem Nabu zu,
Verkehrswege in Gewerbegebieten können mit Solaranlagen überdacht werden, ebenso Lagerflächen.
Sinnvoll wäre es, eine Solarpflicht für bereits bestehende und künftig zu bauende Gewerbe – und Industriegebäude einzuführen, aus der man sich nicht freikaufen kann. Eine Eigenversorgungsquote für die Betriebe würde auch die Energieversorger entlasten und es könnten z.B. mehr Ladestationen für Elektrofahrzeuge gebaut werden.
Aber dazu gehört Mut, den die Politiker meist nicht haben. Eine Grünfläche kann sich nicht wehren.
Ich wünsche dem Nabu viel Erfolg!

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