Seit Jahren ist es Thema. Es geht um Falschparker, falsche Gewohnheitsrechte und fehlende Radfahrstreifen in der Erich-Zeigner-Allee. Kaum eine Straße macht so deutlich, wie sehr einige städtische Ämter lieber Politik für die eigene motorisierte Klientel machen, als Leipzigs Straßen tatsächlich sicherer zu machen. Am Dienstag, 12. Juli, meldete das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) endlich: „Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, werden derzeit auf einem 550 Meter langen Abschnitt der Erich-Zeigner-Allee in Plagwitz Schutzstreifen für Radfahrerinnen und Radfahrer markiert.“

Ausreden: Leipzigs Verwaltung mauerte zunächst

Eine schon seit Jahren von Umweltverbänden vorgetragene Forderung. Doch Leipzigs Verwaltung sträubte sich mit allerlei Ausreden. Man wolle erst einmal prüfen, hieß es 2017, nachdem die Grünen-Fraktion im Stadtrat die Anlage von Radfahrstreifen in der Erich-Zeigner-Allee beantragt hatte. Dass es fünf Jahre für eine Prüfung braucht, dürfte ein Märchen sein. Ums fehlende Geld ging es auch nicht, denn Radfahrstreifen sind im Vergleich zu anderen Straßenbaumaßnahmen geradezu billig.

Hier ging es eher um Konflikte innerhalb der Verwaltung. Und die gingen ans Eingemachte. Denn die Straße war schon seit Jahren ebenso für ihr Parkchaos bekannt, das sich allmorgendlich durch den Einflug von Elterntaxis an den angrenzenden Schulen verschärfte. Und Parkchaos hieß hier: Jahrelang wurde hier das Gehwegparken geduldet. Eine Tatsache, die die Verwaltung zwar immer wieder abstritt.

Aber eine deutliche Einwohneranfrage zeigte im Juni dann Wirkung: Es tauchten tatsächlich Politessen in der Straße auf und verteilten erst freundliche Ermahnungen an die auf den Bürgersteigen parkenden Fahrzeughalter. Dann folgten die ersten Knöllchen. Denn das Parken auf den Gehwegen war hier nie erlaubt worden. Nur geduldet. So wie in anderen Leipziger Straßen auch.

Ignorierte StVO-Verstöße

Ein Zustand, der auch wieder die Grünen-Fraktion auf den Plan rief, die jetzt eine Neuaufstellung des Ordnungsamtes fordert. Ein Ordnungsamt, das sich jahrelang nicht bemüßigt fühlte, eindeutige Verkehrsverstöße im ruhenden Verkehr auch zu ahnden, ist rausgeschmissenes Geld der Steuerzahler. Auch wenn einige Steuerzahler die Besitzer der Autos sind, die in ganz Leipzig falsch geparkt werden: auf Bürgersteigen, auf Kreuzungen, auf Radwegen, auf Wiesen …

Das hat sich über Jahre eingeschliffen. Und viele Autobesitzer betrachten diese Praktiken mittlerweile tatsächlich als Gewohnheitsrecht.

Ein Gewohnheitsrecht, das dann andere Ämter dieser Stadt wieder daran hindert, die Konsequenzen zu ziehen und den Verkehrsraum tatsächlich umzuverteilen, wie das beim Radverkehr eigentlich seit 2012 Beschlusslage ist.

Dass da bei der Erich-Zeigner-Allee noch nicht alle Probleme beseitigt sind, ist jetzt schon absehbar. Denn noch immer tut sich Leipzigs Ordnungsamt schwer, das Parken direkt am ehemaligen Plagwitzer Rathaus an der Erich-Zeigner-Allee zu untersagen. Die Fläche wurde schon in DDR-Zeiten betoniert, um den Mitarbeitern des Stadtteilrathauses einen bequemen Stellplatz gleich am Rathaus zu ermöglichen. Nur entsprachen diese Stellplätze weder 1990 noch heute je der Straßenverkehrsordnung, denn sie sind nur über den Gehweg zu erreichen. Daran ändert auch das Schild „Privatparkplatz“ nichts.

Krach um vermeintliches Gewohnheitsrecht droht

Der Streit darüber, ob das alles unter ein in irgendeiner Weise geltendes Gewohnheitsrecht fällt, nachdem das Gebäude privatisiert wurde, dürfte noch eskalieren. Erst recht, wenn die dort Parkenden nicht nur über den Gehweg fahren, sondern auch über den neuen Radfahrstreifen. Auf jeden Fall ein gefährliches Unterfangen.
Das aber auch sinnfällig macht, warum es bei der Schaffung sicherer Radverkehrsanlagen in Leipzig so schleppend vorangeht.

Denn es fällt einigen Ratshausmitarbeitern sichtlich sogar schwer, bauliche Verstöße gegen die StVO auch nur als solche zu erkennen und diese zu beseitigen. Ganz zu schweigen davon, die Priorität des Pkw-Verkehrs in ihrem Kopf zu beenden. Die sorgt nämlich dafür, dass selbst bei so eindeutigen Konfliktlagen das Fehlverhalten von Autobesitzern weiter geduldet wird. Man will die Gefährdung für schwächere Verkehrsteilnehmer nicht sehen.
Die Radfahrstreifen werden zumindest deutlich machen, dass Radfahrer hier nicht mehr als Störelement in einer motorisierten Verkehrswelt zu sehen sind.

Was soll auf der Erich-Zeigner-Allee jetzt passieren?

Konkret erhält der Bereich vom Kreisverkehr Industriestraße bis zur Karl-Heine-Straße beidseitig Schutzstreifen mit einer Breite von jeweils 1,50 Metern.

Die Erich-Zeigner-Allee ist eine stark befahrene Hauptverkehrsstraße – und zugleich eine wichtige Strecke im HauptnetzRad, stellt das VTA fest. Schon 2012 wurde deshalb festgestellt, dass die Straße den Normen für so eine Routenführung einfach nicht genügt.

Die Schutzstreifen schließen nun eine Lücke auf dieser Radroute und sorgen für mehr Sicherheit bei Radfahrerinnen und Radfahrern. Zugleich können sich Kfz auf der vorhandenen Restfahrbahnbreite noch konfliktfrei begegnen. Breitere Fahrzeuge dürfen bei Gegenverkehr die Schutzstreifen punktuell überfahren, sofern keine Radfahrerinnen und Radfahrer gefährdet werden, erklärt das VTA. Die bestehende Parkordnung im Abschnitt zwischen Industriestraße und Alte Straße wird beibehalten.

Damit sich die Abbiegesituation für Radfahrerinnen verbessert und Fußgänger die Erich-Zeigner-Allee in Richtung des Geh- und Radweges am Karl-Heine-Kanal künftig gefahrloser überqueren können, sollen zu einem späteren Zeitpunkt noch ein Rad-Abbiegestreifen auf der Elisabethbrücke und eine kleine Querungshilfe nachgerüstet werden. Hierzu soll es einen Bürgerdialog geben, zu dem die Stadt zu gegebener Zeit einladen will.

Die Markierung der Schutzstreifen auf der Erich-Zeigner-Allee ist Teil des Aktionsprogramms Radverkehr 2021/22 und kostet inklusive Beschilderung rund 21.000 Euro.

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Es gibt 2 Kommentare

Also die gestrichelten Linien sind im Prinzip okay, es ist halt zu wenig Platz.
Die Industriestraße müsste aber dringend eine 30er Begrenzung bekommen.
Und an alle Mit-Fahrradfahrenden: bitte auch beim Einbiegen auf den Fahrradschutzstreifen schauen, ob nicht ein Auto (oder ein anderes Fahrrad) kommt. Leider zu oft wird einfach ohne zu schauen aus einer Seitenstraße losgefahren. Das ist gefährlich, auch, wenn “nur” ein anderes Fahrrad kommt.

Ich hoffe, das werden solche gestrichelten Streifen wie auf der Industriestraße, das macht es nämlich auch für Autofahrer*innen sicherer, da es ihnen erlaubt, den Streifen zu befahren, wenn es sonst zu eng wird.

Wann baut das VTA eigentlich endlich die alten Fahrradwege auf dem Gehweg der Karl-Heine-Straße zurück? Das sorgt immer noch für Irritationen und Konflikte. Aber das ist wohl zu teuer.

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