Wenn es so ist, wie es die Linksfraktion vermutet, dann dürften die Bewohner einiger alter Straßen in Leipzig ziemlich ins Kochen kommen in den nächsten Jahren. Denn dann dürften ausgerechnet in baumlosen Straßen in einigen Altbauvierteln keine Straßenbäume gepflanzt werden. Jedenfalls nicht, wenn es nach Definition der Stadt Flächendenkmale sind. Sie werden also dafür bestraft, dass auch die Erstmieter der Erbauungszeit arme Leute waren, die in baumlose Straßen ziehen mussten.

Während sich die gutbetuchten Leipziger immer jede Menge Straßenbäume vor ihrem Haus gegönnt haben. Dafür stehen exemplarisch Straßen wie die August-Bebel-Straße, die Karl-Tauchnitz-Straße oder die Gohliser Straße. Die Straßen dort wurden breiter angelegt, sodass Platz für schattenspendende Linden und Platanen da war. Und manchmal gab es dann auch noch Reitwege in der Mitte der Allee.

Zum Parken waren die breiten Bürgersteige nicht gedacht, auch wenn Anrainer der Erich-Zeigner-Allee oder der Karl-Heine-Straße das heute glauben.

Während in den klassischen Arbeiterquartieren eng gebaut wurde, mit schmalen Bürgersteigen und ohne Platz für Straßenbäume. Und das alte Connewitz ist – ähnlich wie Quartiere in Plagwitz oder Lindenau – genau so ein altes Arbeiterquartier.

Die Häuser waren entsprechend von schlechterer Qualität, weshalb Alt-Connewitz in den letzten Jahren der DDR ja zum Abriss stand. Hausbesetzer verhinderten den weiteren Abriss und sorgten dafür, dass Connewitz zu einem der ersten Sanierungsgebiete der Stadt wurde – und damit letztlich zum Flächendenkmal, weil sich hier die alten Straßenstrukturen sogar bis zum Kopfsteinpflaster und den Schienen der Straßenbahn (die in der Simildenstraße ihr Depot hatte) erhalten haben.

Und da es Adressbücher gibt, schauen wir einfach mal, wer z. B. in der Simildenstraße 30 wohnte. Das waren 1910 ein Zimmermeister und ein Zimmermann, ein Metalldreher und ein Schreiber, ein Lagerist und ein Arbeiter. Natürlich mit ihren Familien.

Und natürlich zwei Straßenbahnschaffner, denn das Straßenbahndepot der Großen Leipziger Straßenbahn befand sich ja quasi gleich hinterm Haus. Alles Leute, die froh waren, wenn sie hier eine bezahlbare Wohnung fanden.

Ist Denkmalschutz wichtiger als Schatten?

Aber ob die Denkmalbehörde mit ihrer Haltung recht behält, muss sich noch herausstellen. Denn die Baumlosigkeit war in der Marienstraße, die 1905 den Namen Simildenstraße bekam, nicht als architektonische Besonderheit geplant gewesen.

Und das sehen auch die Bewohner der Straße nicht ein, dass ein historischer Mangel jetzt auch noch unter Denkmalschutz gestellt werden soll.

„Die Anwohnerinnen und Anwohner der Simildenstraße wendeten sich mit der Frage an den Stadtbezirksbeirat Süd und die Stadt Leipzig, ob dort die Anpflanzung von Straßenbäumen möglich sei. Gerade in Hitzesommern, wie diesem, sei es bedenklich, dass es in der Straße nicht einen einzigen Baum gibt, so die Anfragenden. Sie verweisen auch darauf, dass die Parallelstraßen hingegen gut begrünt sind“, heißt es jetzt in einer Anfrage der Linksfraktion im Stadtrat.

„In ihrer Antwort verweist die Stadt Leipzig darauf, dass die Beschaffenheit der Straße zwar grundsätzlich die Einordnung von Straßenbäumen erlaube, dem Wunsch der Anwohnerinnen und Anwohner dennoch nicht entsprochen werden kann, da die Stadt als flächiges Baudenkmal klassifiziert ist und eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung nicht Aussicht gestellt werden kann.“

Was ja irgendwie darauf hinweist, dass die zuständigen Denkmalschützer weder in dieser noch in einer anderen baumlosen Straße wohnen. Dass die Erhaltung historischer Fehlzustände nun die Lebensqualität der heutigen Bewohner mindern soll, ist zumindest ein seltsamer Anspruch der Leipziger Denkmalpolitik.

Und so fragt die Linksfraktion auch entsprechend umfassend an, denn wenn das schon in der Simildenstraße zum Einspruch der Denkmalschützer führt, wird das auch in anderen Leipziger Ortsteilen, die flächenmäßig unter Denkmalschutz stehen, zu Problemen führen – etwas in einigen Straßen des Waldstraßenviertels.

Die Fragen der Linksfraktion

1. Widerspricht die Anpflanzung von Straßenbäumen grundsätzlich dem Denkmalschutz?
2. Unter welchen Voraussetzungen können für die Anpflanzung von Straßenbäumen Ausnahmen vom Denkmalschutz genehmigt werden?
3. Welche Rolle spielen Klimaschutz und Klimaanpassung bei der Abwägung, ob eine Ausnahmegenehmigung vom Denkmalschutz für die Anpflanzung von Straßenbäumen erteilt wird?
4. Welchen Handlungs- und Ermessensspielraum hat die Stadt Leipzig, um die Anpflanzung von Straßenbäumen trotz geltenden Denkmalschutzes zu ermöglichen?
5. Wie viele Straßen sind in Leipzig als flächige Baudenkmäler klassifiziert?

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Es gibt 5 Kommentare

Bei der enge der Straße und der Fußwege werden die Bäume die Wohnungen schön dunkel machen. Dann mal schnell Licht an. Da war doch noch was?

@dieeinzigepersondieaußermirhierkommentierte
Geschmack und Phantasie sind natürlich essentiell. Und Bäume finde ich auch gut. Bloß der Vergleich zwischen dem Verdeckungspotential von Bäumen und Autos ging halt in die Hose.

@Sebastian: zumindest habe ich Fantasie genug, mir beim Betrachten des Fotos die Straße ohne ruhenden Verkehr, stattdessen mit Bäumen vorzustellen. In meinen Augen eine optische Verbesserung, auch im Hinblick auf den Denkmalschutz. Wo die meisten Nebenstraßen in Gründerzeitvierteln nur noch aussehen, wie Parkplätze mit Durchfahrschneise, wo bleibt da der Denkmalschutz?

Dass Sie das Verdeckungspotential von Autos mit denen von Bäumen gleichsetzen könnte eventuell ebenfalls als “eingeengte” Sichtweise gesehen werden…

Und bei allem sicherlich berechtigten Loben der Bäume für das lokale Mikroklima vor Ort: “Ins Kochen” kommen die Bewohner sowohl mit als auch ohne Bäume, wenn es so schlimm wird. Und welche Bäume dann dort überleben ist die nächste Frage, denn schon heute sterben sie vielerorts an Wassermangel.

Das Aufstellen von Autos dagen ist mit dem Denkmalschutz vereinbar? Welch eingeengte Sichtweise haben diese Leute?

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