Vielleicht sollte man es sich wirklich vorher gut überlegen, ob man in eine Straße zieht, die unter Denkmalschutz steht. Zehn davon gibt es in Leipzig. Und das Besondere an ihnen ist, dass ihr gesamtes Erscheinungsbild nicht verändert werden darf. Auch nicht das Pflaster. Und über das Pflaster in der Simildenstraße in Connewitz kann man jede Menge Witze reißen. Nur herausreißen darf man es nicht.

Und dabei hätten die Anwohner der Simildenstraße doch nur zu gern ein paar Bäume vorm Haus gehabt – zum Beispiel als Schattenspender in heißen Sommern. Damit wandten sie sich an den Stadtrat der Linken Michael Neuhaus, der sich des Themas dann auch gern annahm, aber bald merkte, dass hier zwei Schutzgüter im Verfassungsrang miteinander kollidieren: der Denkmalschutz und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.

Behörde sieht Vorrang für Denkmalschutz

Und die zuständige Denkmalschutzbehörde kam zu dem Schluss, dass hier der Denkmalschutz Vorrang hat. Bis hin zum teilweise desolaten Pflaster, in dem sogar noch die Gleise der einst hier verkehrenden Straßenbahn liegen.

„Und während viele Klimaschutzmaßnahmen entweder aufwändig in der Realisierung sind oder unter Akzeptanzproblemen leiden, rufen Baumpflanzungen quasi nie Proteste von Anwohnerinnen und Anwohnern hervor und sind zumindest in der Theorie leicht realisierbar. In der Praxis sieht das jedoch oft anders aus, wie das Beispiel Simildenstraße zeigt“, schrieb die Linksfraktion in ihrem Antrag, vielleicht doch mal Bäume in der Simildenstraße zu pflanzen.

„Mitte des Jahres äußerten Anwohnerinnen und Anwohner den Wunsch nach Bäumen in ihrer Straße. Die Antwort der Verwaltung: Die ganze Straße stehe unter Denkmalschutz. Eine notwendige denkmalschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 12 SächsDSchG kann nicht in Aussicht gestellt werden.“

Straßendecke darf nicht zerstört werden

Und auch in der Stellungnahme zum Antrag der Linken, den Michael Neuhaus am 17. Mai vortrug, ließ sich die Verwaltung nicht erweichen: „In der Simildenstraße ist die Anpflanzung von Straßenbäumen im nördlichen Bereich aufgrund des vorhandenen Leitungsbestandes nicht möglich. – Der südliche, denkmalgeschützte Teil des Straßenzuges kann aus denkmalrechtlicher Sicht nicht mit Straßenbäumen versehen werden.

Die Baumpflanzung wäre mit einer Teilzerstörung der originalen Straßendecke verbunden und hätte erheblich beeinträchtigende Wirkung auf die Erscheinung des Straßenzuges.“

Wobei doch das stellenweise Aufheben des Pflasters für Baumpflanzungen nicht das Problem sein sollte, meinte in der Diskussion FDP-Stadtrat Sven Morlok.

Aber da musste ihm Baubürgermeister Thomas Dienberg widersprechen: Es ginge eben nicht nur um das Pflaster, sondern um das gesamte Erscheinungsbild der Straße. Das – so Burkhard Jung – sich bestens eignen würde für Filmaufnahmen für die Zeit um 1900. Natürlich ohne die dort geparkten Autos. Aber die ließen sich ja wegfahren.

Gesamtes Erscheinungsbild heißt dann auch: Die Fassaden dürfen nicht durch Bäume verstellt werden.

Und die anderen neun Straßen?

„Die hier angesprochenen Maßnahmen (übertragener Wirkungskreis) sind im Einvernehmen mit dem Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege (LfD) mit einer denkmalrechtlichen Genehmigung zu unterlegen. Das Einvernehmen konnte nach Rücksprache mit dem LfD für Straßenbaumpflanzungen im südlichen Bereich der Simildenstraße jedoch nicht in Aussicht gestellt werden“, teilte die Stadt ihr Prüfergebnis mit.

Das Landesdenkmalamt hat also sein Veto eingelegt, was eine Änderung in der Simildenstraße anbelangt. „In der Gesamtheit sind gerade 10 Straßenzüge in Leipzig wegen ihres besonderen städtebaulichen und bauhistorischen Wertes unter Denkmalschutz gestellt. Dort gilt es, die historischen Informationen für künftige Generationen zu erhalten.“

Ein hartes Brot für die Anwohner. Wobei es nicht in jeder der zehn denkmalgeschützen Straßen so rigide Vorgaben gibt, signalisierte die Verwaltung.

Sodass die Linksfraktion letztlich beantragte: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Anpflanzung von Straßenbäumen in den übrigen neun unter Denkmalschutz stehenden Straßenzügen zu prüfen und wenn rechtlich umsetzbar, diese in die Planung einzubeziehen. Das Ergebnis der Prüfung wird dem Stadtrat im 4. Quartal 2023 in den zuständigen Ausschüssen Umwelt, Ordnung und Klima sowie Stadtentwicklung und Bau vorgelegt.“

Vielleicht ein paar Wanderbäume?

Und die SPD-Fraktion packte noch einen Extra-Antrag darauf: „An Standorten, an denen keine Straßenbäume angepflanzt werden können, soll das Konzept Wanderbaumallee als Alternative geprüft werden.“

Eine Idee, die auch Michael Neuhaus sympathisch findet und deshalb in den Antrag der Linken mit übernahmen.

Denn – so die SPD-Fraktion: „Die Idee der Wanderbaumallee stammt aus München. Dort gibt es die wandernden Bäume bereits seit 1992. Der Verein Green City hatte es dort initiiert, um die bayerische Landeshauptstadt grüner zu machen. Mit der sogenannten ‚Wanderbaumallee‘ wirbt Green City für eine grünere und damit lebenswertere Stadt, indem heimische Bäume karge Straßen für ein paar Wochen in Alleen verwandeln.

Dies gelinge, so schreibt der Verein, mit circa 15 mobilen Bäumen auf Rollbrettern. In einer großen Parade zögen diese Wanderbäume feierlich von einem Standort zum nächsten. Dort verschönerten sie jeden Sommer München und verwandelten triste Straßen für kurze Zeit in grüne Oasen. Mittlerweile wurden mehr als 60 Straßen von den Wanderbäumen besucht.“

Was dann zumindest besuchsweise mal ein bisschen Grün für die denkmalgeschützten Straßen bedeuten würde.

Mehrheit für den Prüfauftrag

Wobei Grünen-Fraktionsvorsitzender Tobias Peter daran erinnerte, dass das Problem in Leipzig eigentlich noch viel größer sei, denn beauftragt sei die Verwaltung ja damit, jedes Jahr 1.000 zusätzliche Straßenbäume zu pflanzen. Schon das überfordere die Verwaltung seit Jahren gewaltig, weil die Neupflanzungen oft nur Ersatzpflanzungen für Straßenbäume darstellen, die in den Dürrejahren vertrocknet sind.

Der Prüfauftrag bekam dann mit 40:19 Stimmen trotzdem eine deutliche Mehrheit, sodass man in der zweiten Jahreshälfte wohl erfahren wird, in welchen denkmalgeschützten Straßen noch Baumpflanzungen möglich sind.

Und wer das Pflaster in der Simildenstraße mag, dem empfahl ja Michael Neuhaus die dort befindliche Eckkneipe zum Besuch.

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Es gibt 2 Kommentare

@cx
> “Wie kann man derartig viel Zeit und Gedanken an eine für das Stadtklima derart unwichtige Straße verschwenden…OMG”
Das sehen die Bewohner sicher anders. Bäume sorgen für Schatten (auch wenn es ein paar Jahre dauert) und damit dafür, dass sich die Straße nicht so sehr aufheizt. Von daher lokal schon wichtig. Und grundsätzlich sollte man doch mal hinterfragen, warum aus Denkmalschutz-Sicht das Aufstellen/Pflanzen von Bäumen unmöglich ist, das Abstellen von PKWs aber nicht. Denn das Pflaster “zerstören” diese ebenso…

Wie kann man derartig viel Zeit und Gedanken an eine für das Stadtklima derart unwichtige Straße verschwenden…OMG

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