In der Ratsversammlung im Dezember war sie einmal mehr ganz großes Thema: die Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße. 2018 wurde sie eingerichtet, weil der damalige sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) felsenfest davon überzeugt war, dass man die Probleme eines solchen Quartiers mit mehr Polizeikontrollen in den Griff bekommen könnte. Doch schon 2021 war klar, dass die Sonderzone völlig nutzlos war. Der Stadtrat beschloss ihre Aufhebung. Nur aufgehoben wurde sie nicht.

Denn mit solchen Polizeiinstrumenten regiert Sachsens Regierung nur zu gern in die Souveränität der Kommunen hinein. Und statt die Waffenverbotszone wegen erwiesener Nutzlosigkeit einfach aufzuheben, hat sich das Innenministerium eine andere Bedingung ausgedacht, die erst erfüllt sein soll, damit man gnädigerweise bereit ist, die Schilder abzumontieren. Erst soll es eine offizielle Polizeiwache an der Eisenbahnstraße geben. Doch deren Etablierung verschiebt sich immer weiter.

Weshalb jetzt das Leipziger Jugendparlament beantragt hat, dass die Stadt beim Innenministerium Druck ausüben soll, dass die Waffenverbotszone schnellstmöglich aufgehoben wird.

Die Zone dient nur zur Stigmatisierung des Ostens

„Es ist bekannt, dass die Waffenverbotszone im Bereich der Eisenbahnstraße ihren gesetzlich vorgegebenen Zweck nicht erfüllt, dies ging schon aus dem zugehörigen Evaluationsbericht aus 2021 hervor“, stellt das Jugendparlament in seinem Antrag fest. „So trägt sie in ihrer bisherigen Form unnötigerweise zur weiteren Stigmatisierung des Leipziger Ostens und insbesondere der Eisenbahnstraße als ‚gefährlichste Straße Deutschlands’ bei.“

Und eigentlich, so findet das Jugendparlament, wäre „davon auszugehen, dass sich aufgrund dieser Situation darum bemüht würde, die Waffenverbotszone möglichst schnell und unbürokratisch abzuschaffen. Das Gegenteil ist der Fall, die Abschaffung wird an einen ‚Maßnahmenplan‘ geknüpft, welcher allerdings seit über zwei Jahren in ‚Arbeit‘ ist.

Absurd genug, dass die Waffenverbotszone fast die Hälfte der Zeit ihres Bestehens eigentlich schon abgeschafft sein sollte, ist es doch auch mindestens mal schwer nachzuvollziehen, inwiefern denn überhaupt ein ‚Maßnahmenplan‘, der schlichtweg sozialpolitische Maßnahmen auf Kommunalebene umsetzen soll, im Zusammenhang mit einer Waffenverbotszone, deren einzige bisher nachgewiesene Wirkung eine Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls war, steht.“

Die Sturheit von Erwachsenen kommt bei jungen Menschen oft genug als simple Wirklichkeitsverweigerung an. Was sie in diesem Fall wohl auch ist.

Wozu braucht es einen Maßnahmenplan?

„Eine rechtlich nicht legitime Waffenverbotszone sollte schnellstmöglich abgeschafft werden, also warum wird dafür ein solch umfangreicher ‚Maßnahmenplan‘ benötigt, dass die Erarbeitung desselben mehrere Jahre dauert?“, fragt das Jugendparlament berechtigterweise. „Der Status quo ist inakzeptabel, er trägt zu einer weiteren Stigmatisierung eines Stadtteils bei, welcher schon genug damit zu kämpfen hat und das ohne rechtliche Legitimierung oder praktische Notwendigkeit.

Eine Abschaffung der Waffenverbotszone ist alternativlos und muss endlich schnell und unbürokratisch geschehen.“

Bei der Leipziger Stadtverwaltung rennen die jungen Parlamentarier damit offene Türen ein. Denn die bemüht sich seit dem Stadtratsbeschluss von 2021, den unhaltbaren Zustand zu ändern.

In der Stellungnahme des Leipziger Ordnungsamtes zum Antrag liest sich das so: „Seit der Veröffentlichung des Ergebnisberichts zur Evaluierung der Waffenverbotszone Eisenbahnstraße im Jahr 2021 setzt sich die Stadt Leipzig für die Aufhebung des Kontrollbereichs entlang der Eisenbahnstraße ein. Der genaue Zeitpunkt, zu dem die formale Abschaffung erfolgen wird, kann noch nicht angegeben werden, da dieser an die Umsetzung konkreter Maßnahmen (u.a. der Einrichtung einer Außenstelle des Polizeireviers Zentrum) geknüpft ist.

Die Stadt Leipzig strebt hier ein kooperatives Vorgehen an, sodass – auch vor dem Hintergrund, dass die Aufhebung der Waffenverbotszone absehbar ist – von der Prüfung rechtlicher Schritte abgesehen wird.“

Diese rechtlichen Schritte hat das Jugendparlament verlangt, wenn sich das Innenministerium trotzdem weigert, die Waffenverbotszone aufzuheben.

Den Maßnahmenplan will ja die Stadt Leipzig selbst umsetzen. Beschlossen ist er schon lange, wie das Ordnungsamt feststellt: „Im Rahmen des Ergebnisberichts zur Evaluierung der Waffenverbotszone Eisenbahnstraße in Leipzig identifizierten die Forschenden der Universität Leipzig und der Sächsischen Hochschule der Polizei verschiedene Faktoren, die das subjektive Sicherheitsgefühl sowie die tatsächliche Kriminalitätsbelastung im Untersuchungsbereich negativ beeinflussen.

Um positiv auf jene Faktoren einzuwirken, wurde ein Maßnahmenplan erarbeitet, der bereits vor rund 1,5 Jahren in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters beschlossen wurde. Die Laufzeit von rund fünf Jahren begründet sich vor allem damit, dass der nachhaltige Aufbau bzw. die Stärkung von Sozialkapital im Untersuchungsgebiet nicht binnen weniger Wochen und/oder durch die Umsetzung punktueller Maßnahmen realisiert werden kann.

Schließlich wurden in der Ratsversammlung am 13.12.2023 weitere Maßnahmen beschlossen, deren Umsetzung und schlussendlich potenzielle Wirkung aufgrund der hohen Komplexität ebenfalls tendenziell mittel- bzw. langfristig zu erwarten sind (Neufassung Antrag – VII-A-04905-NF-02-Ifo-ÄA-03). Aus dieser Perspektive besteht eine nachvollziehbare inhaltliche und zeitliche Verknüpfung zwischen dem Maßnahmenplan und der Abschaffung der Waffenverbotszone.“

Alle warten auf die Polizei

Aber die Einrichtung einer Polizeiwache ist nicht zwingend Voraussetzung dafür, dass der Maßnahmenplan – endlich – umgesetzt wird. Denn auch das Ordnungsamt stellt fest, dass die „Aufhebung der Waffenverbotszone im Bereich der Eisenbahnstraße im Zuge der Umsetzung des gemeinschaftlich erarbeiteten Maßnahmenplans“ erfolgen kann. Dass man also mit dem Maßnahmenplan einfach loslegen kann.

Aber stattdessen wartet man darauf, dass sich Innenministerium und Polizei endlich bewegen.

Und tatsächlich übernimmt die Verwaltung den eigentlichen Kern des Antrags des Jugendparlaments auch in die eigene Stellungnahme, indem sie auf ihr Verwaltungshandeln hinweist und formuliert: „Die Stadt Leipzig setzt sich beim Sächsischen Staatsministerium des Innern für eine Abschaffung der Waffenverbotszone (WVZ) im Bereich der Eisenbahnstraße ein. Die Aufhebung der WVZ erfolgt unabhängig eines Maßnahmenplans bis spätestens Ende des II. Quartals 2024. Gegebenenfalls sind rechtliche Schritte zu prüfen.“

Das ist sogar noch eine Spur schärfer als der Antrag des Jugendparlaments, wo es hieß: „Der Stadtrat beschließt, dass sich die Stadt Leipzig beim Staatsministerium des Innern für eine Abschaffung der Waffenverbotszone nach §42 Absatz 5 WaffG im Bereich der Eisenbahnstraße bis spätestens Ende des 2. Quartals 2024 unabhängig eines Maßnahmenplans einzusetzen hat. Insofern die Abschaffung bis dahin nicht erfolgt ist, sind rechtliche Schritte zu prüfen.“

Aber vielleicht braucht Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) diesen Druck, sonst sitzt sein Ministerium das Thema immer weiter aus, während man sichtlich keine geeignete Unterbringung für die vom Innenminister gewünschte Polizeiwache findet.

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