Es sorgte im Stadtratswahlkampf fรผr gehรถrige Aufregung, als die CDU in Neustadt-Neuschรถnefeld Plakate auf Deutsch und Arabisch hรคngte, die fรผr mehr Ordnung und Sicherheit warben. 400 dieser Plakate wurden praktisch โรผber Nachtโ von Unbekannten entfernt. Die CDU war sauer, war das doch ganz offensichtlich ihr groรer Versuch, bei den Bewohnern des Viertels und insbesondere bei der migrantischen Community richtig Stimmen zu sammeln. Eine Partei voller Widersprรผche.
Denn gleichzeitig plakatierte die CDU in der Stadt auch noch mit โKehrtwende in der Migrationspolitik!โ Was ja irgendwie so klang, als wolle man der Asylpolitik in Deutschland ein Ende bereiten. Im Stadtrat hatte CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Weickert ja sogar formuliert, dass das โWir schaffen das!โ sich als falscher Weg herausgestellt habe.
Wie also dachte sich Leipzigs CDU diese โKehrtwendeโ?
Auf ihrer Wahlkampfseite wurde dann daraus ein bekannter Forderungskatalog. Der klang so: โDie Migrationskrise kann zwar auf kommunaler Ebene nicht gelรถst werden. Die CDU Leipzig will aber, dass Neuankรถmmlinge zu Respekt vor unseren gesellschaftlichen Werten angehalten werden. In der Stadtpolitik muss der Erwerb der deutschen Sprache und die Vermittlung in den Arbeitsmarkt absoluten Vorrang haben. Auch fรผr Migrantenverbรคnde und die Flรผchtlingshilfe gilt: Voraussetzung fรผr jede stรคdtische Fรถrderung ist ein klares Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung!โ
Das ist die alte โLeitkulturโ-Diskussion in neuen blumigen Worten.
Ob das freilich bei der migrantischen Community an der Eisenbahnstraรe so gut ankam, wo die CDU auch noch besonders emsig ihr Wahlplakat โMehr Sicherheit und Ordnung in unserem Wohngebietโ hรคngte? Auch auf Arabisch?
Ein Slogan, auf den die Stadtratsfraktion schon verwies, als sie das Projekt der Superblocks in Volkmarsdorf und Neustadt-Neuschรถnefeld in Frage stellte, mit der Behauptung, sie wรผsste, wie die Gewerbetreibenden auf der Eisenbahnstraรe รผber das Thema denken. Die hรคtten fรผr die Superblocks nichts รผbrig, wรผrden aber mehr Sicherheit und Ordnung wรผnschen.
Wahlkampfauftritt mit MP
Am 18. Mai besuchte sogar Sachsens Ministerprรคsident Michael Kretschmer die Eisenbahnstraรe in Begleitung des CDU-Landtagsabgeordneten Holger Gasse und Leipzigs Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew. Bei einer Diskussionsrunde im โBrothersโ ging es dann โ um Sicherheit und Ordnung.

War das das Thema, mit dem die CDU zur Stadtratswahl die Stimmen der migrantischen Community wรผrde sammeln kรถnnen?
Wer ist eigentlich das Zielpublikum?
Nicht wirklich, wie dann das Ergebnis am Abend des 9. Juni zeigte. Ob die Plakate รผberhaupt ihr Zielpublikum erreichten, dรผrfte fraglich sein. Ganz zu schweigen davon, dass die Quartiere an der Eisenbahnstraรe nicht nur von Migranten bewohnt werden und Gewerbetreibende nicht fรผr alle sprechen, zeigt der Blick auf die Ergebnisse zur Stadtratswahl in den beiden betroffenen Ortsteilen.
Das Wettern gegen die Superblocks trifft hier auf eine Bewohnerschaft, die vรถllig andere Vorstellungen davon hat, wie ein lebenswerter Kiez aussieht.
Ganze 7,4 Prozent erreichte die CDU in Neustadt-Neuschรถnefeld, ganze 6,4 Prozent in Volkmarsdorf. In Neustadt-Neuschรถnefeld fuhr Die Linke eines ihrer besten Stadtergebnisse mit 38,5 Prozent ein โ vor den Grรผnen mit 22,7 Prozent. Und nicht anders war es in Volkmarsdorf mit 41,2 Prozent fรผr die Linke und 19,8 Prozent fรผr die Grรผnen. Da kann man wohl vermuten, dass das Projekt Superblocks auf deutlich hรถhere Zustimmung bei den Bewohnern des Quartiers stรถรt als der Kampf der CDU um Stellplรคtze.
Wobei natรผrlich die Frage im Raum steht: Nutzen die Leipzigerinnen und Leipziger mit migrantischen Wurzeln รผberhaupt ihre Mรถglichkeiten, auf die Wahlergebnisse im Stadtrat Einfluss zu nehmen?
Die Wahlbeteiligung mit 64,7 Prozent und in Neustadt-Neuschรถnefeld und 59,4 Prozent liegen nicht allzu weit unter der Gesamtwahlbeteiligung von 67,4 Prozent in der Stadt. Nur sind diesmal wieder extrem wenige Kandidaten mit Migrationshintergrund in die neue Ratsversammlung eingezogen. รber die Kandidatenliste der CDU รผberhaupt keiner.
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Es gibt 15 Kommentare
@Gerd Stefan
keine Ahnung was du denkst, wie sich die LZ finanziert. Bisher hat die LZ nicht von Steuergeldern profitiert. Daher wird sich hier wohl auch ab Herbst nichts รคndern.
Ich nutze mein Abo der LZ, um mein Lesefeld ein ordentliches Stรผck nach links zu erweitern, auch wenn meine politischen Vorlieben hier eher nicht bedient werden und ich als Unternehmer manche Dinge anders sehe als viele hier. Aber lokaler Journalismus ist wichtig, und da bezahle ich gern. Wรผrde mich trotzdem freuen, wenn die LZ bisschen neutraler berichtet und die Kommentare ihrer Autoren mehr separiert. Artikel wie dieser hier โ von mir aus. Aber verliert dabei nicht die Entwicklung insgesamt aus den Augen und schaut dem Volk aufs Maul, ohne es zu verurteilen.
LOL
โCharmeoffensiveโ hat mich jetzt dann doch kalt erwischt und ich wรคre fast am Stehschreibtisch umgekippt, vor Lachen!
Gottseidank kann man mit den meisten Menschen diskutieren, ohne, dass die Geifer und Schaum vor dem Mund haben.
Nicht falsch verstehen: ich war geschockt ob des AfD-Wahlergebnisses. Auch die Ergebnisse der CDU lassen mich aufhorchen. Zwei populistische Parteien ohne Gestaltungswillen. So richtig mein Leipzig scheint das nicht (mehr) zu sein, wenn die so viel Zuspruch erhalten.
Ich gebe zu, dass meine Hoffnungen, die ich in den knapp 10 Jahren Abonnement LZ hatte, wirklich nicht alle erfรผllt werden, aber ich dennoch sehr froh bin, dass es โdieses Mediumโ gibt. Wenn man aus zwei mitunter recht tendenziรถsen Zeitungen die Infos herauslesen kann, die einen interessieren, hab ich mehr davon als wenn es nur eine gibt. Ganz ehrlich, bei aller Relevanz und Reichweite: so toll ist die LVZ allein auch nicht. Und wenn die ganzen Sternchen und Doppelpunkte zum Gendern hier nicht erst das Browser-Plugin herausfiltern mรผsste, sondern diese Umstandssprache gar nicht erst entstรผnde, wรคre noch mal ein Meilenstein der Qualitรคt fรผr die Leser geschafft.
Aber gut, jetzt sind wir ganz weit wegโฆ
Ob die Wahlaufrufe der CDU im Leipziger Osten verpufft sind, oder welcher Anteil der muslimischen Bevรถlkerung bei Wahlrecht was gewรคhlt eher konservativ oder eher links/grรผn gewรคhlt hรคtte, spielt รผberhaupt keine Rolle mehr. Man sollte sich doch eher darรผbet Gedanken machen, wie sich dieses Medium hier ab Herbst finanzieren will.
r2g hat real Stimmen und Sitze verloren. Ob es aber auch weiterhin ein โlinkes Bรผndnisโ gibt, ist noch vรถllig unklar.
Je nach dem wen man fragt, ist BSW als โlinksโ eingruppiert. Wie die 7 vom BSW tatsรคchlich ticken, wird sich zeigen. Ansonsten werden sich Volt, Piraten, Die PARTEI โฆ noch einer Fraktion anschlieรen mรผssen, wenn sie in den nรคchsten 5 Jahren etwas erreichen wollen.
Und mit dieser Charmeoffensive starten wir dann den Endspurt bis zur Landtagswahl. Nix falsch gemacht, noch besser machen, schneller machen. Freundschaft!
P.S.: Auch witzig, daร der grรถรte Whataboutist hier, mal wieder typisch, hart seine eigenen, erbรคrmlichen Relativierungsversuche und den Dauerfokus auf das immer gleiche Reizthema auf den Autor des Artikels projiziert und immer noch versucht, uns immer und immer wieder mit den dreistesten Unterstellungen und Mรคrchengeschichten zu belรผgen. Denn schlieรlich war sein โDauerbrennerโ Superblocks eben real und faktisch Thema der CDU, die nichts weiter kann, so wie โursโ, als mit Falschaussagen und altbackenen rhetorischen Dauerbrennern zu schimpfen, zu jammern, zu beleidigen und zu stรคnkern. Aber mit Fakten und Realitรคt wird es ein โursโ, so befรผrchte ich, nicht so halten, auch das ist seit langem bekannt.
Bei der CDU und allem, was da noch so rechts steht, habe ich die Hoffnung auf auch nur ein wenig Konstruktivitรคt und Stringenz schon lรคngst aufgegeben.
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An die โUmfrage-Angsthasenโ der anderen, progressiven und liberalen Parteien im Stadtrat hier: Setzt die Verkehrsberuhigungen endlich konsequent um und entfernt die Autos auch konsequent, dann zeigt sich nach einigen Monaten und Jahren, daร es plรถtzlich alle wollten, da es nachweislich positive Effekte hat. Und laรt euch von den Hetzern, Lรผgnern und Stรคnkerern von CDU bis NSAfD nichts einreden, deren Behauptungen scheitern an den realen, empirischen Fakten und Erkenntnissen bereits schon so ganz effektiv. Da kรถnnen rhetorische Rumpelstilzchen wie ein โursโ noch so sehr hรผpfen und zetern, ob nun in rhetorische Schmierigkeiten verpackt oder nicht.
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Wetten daร bei dem fast schon sicheren Erfolg auch die CDU wieder einmal versuchen wird, Ihre Sabotageakte in ihr Gegenteil zu verkehren? Das ist von derartigen rechten Realitรคtsverdrehern nicht anders zu erwarten, haben sie sich doch seit Jahrzehnten immer wieder mit fremden Federn geschmรผckt, weil sich โlinkeโ und progressive Akteure einfach mehr getraut haben.
Na ein Glรผck, daร solche rechtsextremen Stadtteil-Subjekte wie der โGohliserโ den Kardinalfehler begehen, so hart fremd zu projizieren, daร sie doch tatsรคchlich denken, daร die โLinksgrรผnenโ so denken wรผrden, wie sie selbst sich das allzu gerne herbeiphantasieren. Nur verkennen sie dabei immer und immer wieder die Realitรคt und die Faktenlage, nรคmlich daร mensch seitens โlinksgrรผnโ gar nicht mehr diesen Anspruch erheben mรผรte, da mensch diesen Einsatz seit Jahren bereits zeigt. Denn in progressiven Kreisen redet mensch nicht nur รผber โfremdeโ Menschen, sondern der Anteil an โMigrant*innenโ und Menschen mit weiblich gelesener Geschlechtsidentitรคt ist in den Parteien, die links von dem CDU-Rechts stehen, auch real hรถher.
Aber im Gegensatz zur faschistischen Naziluftnummer namens โNSAfDโ machen Parteien links von der rechten CDU wirklich etwas.
Zu โursโ bleibt mir nur zu sagen, daร es seine rechtsregressiven Mรคrchen und seinen Spekulatiusfetisch gerne in dessen eigenen Kopf ausleben kann, war doch sein pathologisch verlรคsslich wirkendes rotes Tuch, das โReizthemaโ der รผberfรคlligen Reduktion des Kraftverkehrs doch definitiv eines der Themen der lรผgenden und hetzenden CDU-Subjekte der faschistoiden Sachsen-CDU. Da stellt sich auch schon lรคngst nicht mehr die Frage, weshalb es ein โursโ diesen Subjekten gleichmacht, zeigen diese doch auf die gleiche Art ihre anbiedernde, rechte, menschenfeindliche, autofetischistische und realitรคtsferne, hรครliche Maske.
Und nein, Faschisten werden weiterhin nicht begrรผรt oder angesprochen.
Sebastian Thurm
Was halten Sie, lieber Autor, von meiner steilen These, daร sich solche breit angelegten Inszenierungen wie โSuperblocksโ gerade auch in von Neustadt-Neuschรถnefeld weiter entfernten Stadtteilen und damit anderen Wahlkreisen und deren Wahlergebnissen niederschlagen?
Ansonsten ist mein Grundeindruck hinsichtlich dieses Artikels, als daร Sie in Befรผrchtung des Wahlausgangs noch einen schรถnen Nebenaspekt in die Schublade gelegt hatten, der nun fix herausgeholt werden konnte. Erscheint wie eine Sonderform von Whataboutism.
Ein Kardinalfehler von links-grรผn ist, dass sie denken, nur weil sie sich besonders fรผr die Interessen von Migranten einsetzen, diese sie dann auch wรคhlen. Dabei hat ein guter Teil der Mirganten gรคnzlich andere Werte als links-grรผn und wรคhlt (siehe die Tรผrken in Dtl.) sehr sehr konservativ. Die AfD umwirbt nicht umsonst gezielt (bestimmte) Gruppen von Migranten und hat inzwischen einen รผberraschend hohen Anteil an Migranten in der Partei.
@Andrรฉ
Es gibt in dem Viertel sicher auch etliche mit Migrationshintergrund, die wahlberechtigt sind/waren. Sonst wรคre das Aufhรคngen von Plakaten in arabischer Schrift ja noch hanebรผchener Unsinn der CDU wie die Forderung nach einem 2. Citytunnel. Und sicher war es keine Abstimmung รผber Superblocks, aber dies war eins der Themen in diesem Stadtteil. Ging ja quasi um die Abschaffung des Autos, das Verbot des Autoabstellens usw. gegen das die Leipziger CDU ja so vehement gewettert hat. Da kann man schon den Schluss ziehen, dass das etliche Wahlberechtigte nicht so gesehen haben.
Also wie man aus einem Stadtratsergebnis solche Schlรผsse ziehen kann?
Es war keine explizite Abstimmung รผber Superblocks.
Und die meisten Migranten, sofern nicht EU-Bรผrger oder eingebรผrgert, durften doch eh nicht abstimmen, weil nicht wahlberechtigt. Welche Mรถglichkeiten das Wahlergebnis des Stadtrates zu beeinflussen sollen diese Menschen also gehabt haben?
@David
Es geht in dem Artikel ausschlieรlich um Neustadt-Neuschรถnefeld. Und da zieht der Autor doch die richtigen Schlรผsse, oder? Dass das รผber die ganze Stadt verteilt anders aussieht, ist klar, aber nicht Bestandteil dieses Artikels. Diese Wahl hat aber auch eins gezeigt: Es war eine Wahl der (oftmals von den Medien aufgebauschten) รberschriften und Schlagworte: Ideologie, Verbot usw. Inhalte spielten weniger eine Rolle. Da wird von einem Verbrennerverbot gefaselt, welches es gar nicht gibt, vom Verbot Auto zu fahren wenn ausschlieรlich ideologische Radwege angelegt werden, vom Verbot Wurst zu essen wenn die empfohlene Verzehrmenge von der DGE aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse herabgesetzt wird.
Und wenn CDU- Stadtrat Nowak im Video hofft, dass nun weniger ideologische Verkehrspolitik gemacht wird dann muss man ihm entgegnen: Unwahrscheinlich! Es wird jetzt eben wieder eine auf das Auto ausgerichtete Verkehrspolitik geben. Das ist nur eine andere Ideologieโฆ
RotGrรผnRot verlieren 8 Sitze im Stadtrat und damit รผber 20% im Vergleich zu 2019, aber natรผrlich ist ja eigentlich die CDU, welche mit +23.000 Stimmen, +1,4% und gleichbleibenden 13 Sitzen diesmal die stรคrkste Kraft im Stadtrat bilden, der Verliererโฆ Wann fangt ihr endlich mal an ehrliche Wahlauswertung zu machen?