Noch ist offen, ob es tatsächlich zu Warnstreiks oder gar richtigen Streiks etwa bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) kommt, wenn die Gewerkschaft ver.di ihre Forderungen in den Tarifverhandlungen mit den öffentlichen Arbeitgebern nicht durchsetzen kann. Denn auch die Kommunen haben nicht wirklich große Spielräume, jetzt Lohnerhöhungen von 10,5 Prozent aus klammen Haushalten zu zahlen. Auch das war am 8. Februar am Rand der Abstimmungen zum Haushalt 2023/24 Thema.

Anlässlich der Tarifverhandlung öffentlicher Dienst (TVöD) wurde schon im Vorfeld der Tagung zum Doppelhaushalt die Kampagne #WirFahrenZusammen vor Ort mit über 1.000 Soli-Postkarten unterstützt, die unter anderem an Oberbürgermeister Burkhard Jung und die anwesenden Stadträte übergeben wurden.

Zivilgesellschaftliche Unterstützer/-innen sowie Aktive der Klimabewegung – unter anderem von Fridays for Future und EndFossil Occupy – stellten sich mit der Kampagne hinter die Forderungen nach höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen und einem Inflationsausgleich vor allem für das Fahrpersonal im ÖPNV.

Der offene Brief

In einem offenen Brief, den Akteure der ver.di-Betriebsgruppe der LVB schon am 2. Februar an Burkhard Jung übergaben, wurden die Forderungen so zusammengefasst:

Leipzig, 2. Februar 2023

Offener Brief der ver.di Betriebsgruppe der LVB

Sehr geehrte Stadträt/-innen,

der Leipziger ÖPNV bildet das Rückgrat der Mobilität dieser Stadt. Wir Beschäftigte der LVB sorgen jeden Tag dafür, dass die Menschen zu ihrer Arbeit kommen, in der Stadt einkaufen gehen oder in den Genuss von Bildung und Kultur kommen können. Ohne uns würde Leipzig im Verkehrschaos versinken und viele Menschen hätten keine Möglichkeit, ihr direktes Wohnumfeld zu verlassen.

Außerdem spielt der ÖPNV, gerade in Zeiten der Klimakrise und der Notwendigkeit der sozial-ökologischen Verkehrswende, eine herausragende Rolle. Denn nur mit ÖPNV kann der städtische Verkehr der Zukunft platzsparend, umweltverträglich und für jede/-n zugänglich gestaltet werden.

Die Postkartenaktion in der Wandelhalle des Neuen Rathauses. Foto: Jan Kaefer
Die Postkartenaktion in der Wandelhalle des Neuen Rathauses. Foto: Jan Kaefer

Diese wichtige Rolle spiegelt sich jedoch nicht in der Wertschätzung unserer Arbeit wider. Daher ist es kein Wunder, dass es einen massiven Arbeitskräftemangel bei den LVB gibt, sodass zeitweise sogar das
Angebot der LVB eingeschränkt werden muss. So ist eine Verkehrswende in Leipzig unmöglich.

Andere sächsische Städte hingegen haben gezeigt, wie es geht. Die Verkehrsbetriebe in Dresden, Chemnitz und Zwickau zahlen ihren Beschäftigten bereits jetzt einen Inflationsausgleich in Höhe von 300 € monatlich – unabhängig von den Ergebnissen der aktuell laufenden Tarifrunde.

Nachdem uns Herr Jung am Mittwoch eine Absage erteilt hat, fordern wir Beschäftigte des LVB-Konzerns daher die drei Stadtratsfraktionen der SPD, von Die Linke und Bündnis 90/die Grünen des Leipziger Stadtrates gemeinsam auf,

1. einen Beschluss zu fassen, um den LVB die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie den Inflationsausgleich in Höhe von 300 € monatlich für alle Beschäftigten des LVB-Konzerns zahlen können
2. unsere Forderungen bei der Tarifverhandlung des TVöDs zu unterstützen.

Denn nur so kann die sozial-ökologische Verkehrswende in Leipzig gelingen! Wir freuen uns auf Ihre Antwort und noch mehr auf Ihre Unterstützung – jetzt und in Zukunft.

Mit gewerkschaftlichen Grüßen, die ver.di-Betriebsgruppe der LVB

Eine Aktion im Ratssaal

Über mehrere Wochen hinweg haben Mitglieder von #WirFahrenZusammen und Genug ist Genug! hunderte Gespräche geführt, um Unterschriften auf den Postkarten zu sammeln.

Dass die Übergabe am 8. Februar erfolgte, begründen die Aktivisten so: „Bereits eine Woche zuvor sicherte der Leipziger Oberbürgermeister den LVB-Beschäftigten bei ihrer Petitionsübergabe keinerlei Unterstützung zu. Nun während der Stadtratsversammlung Präsenz zu zeigen und die Forderungen zu unterstützen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Verkehrswende. Klimaziele werden seit Jahren auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene verfehlt und Emissionen steigen sogar. Eine Verkehrswende ist dringender denn je, kann aber nur dann erfolgen, wenn der ÖPNV wieder zu einem attraktiven und angenehmen Berufsfeld wird.“

Die Ratssitzung nutzten die Aktiven dann tatsächlich auch noch, um von der Zuschauertribüne herab ein Transparent mit der Forderung „Solidarität mit den Streikenden. Hohe Löhne und Verkehrswende jetzt“ zu entrollen.

Ein Akt, den OBM Burkhard Jung als Sitzungsleiter mit dem Hinweis sofort unterband, dass politische Kundgebungen in der Ratsversammlung nicht gestattet sind. Er müsste die Akteure sonst des Saales verweisen, wenn sie das Transparent nicht wieder einrollen. Was sie dann auch taten.

Zu den Kosten, die etwa bei Übernahme des Modells 300 Euro Inflationsausgleich monatlich entstehen würden, eine kurze Überschlagsrechnung. Denn wenn das allein die LVB und ihr Tochterunternehmen LSVB beträfe, würde das rund 1.140 Angestellten (davon 650 Fahrerinnen und Fahrer) betreffen, monatlich also rund 340.000 Euro betragen.

Darüber gab es am 8. Februar freilich noch keine Entscheidung.

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