Erst sollten Grundstücke getauscht werden, was im Juni 2021 im Stadtrat an gleich mehreren Faktoren scheiterte. Heute nun versuchten es die Linken im Leipziger Stadtrat mit einer zweiten Verhandlungsrunde um das Grundstück einer Stadtbau AG-Tochter mit einer gewürzten Vorbedingung. Scheitere auch diese, könnte die Stadt anschließend mit einer rechtlich möglichen Enteignung gegen Zahlung des Verkehrswertes an das dringend gebrauchte Schulbaugrundstück an der Kurt-Eisner-Straße kommen. Viele ahnten, dass damit die nächste Klatsche für eine neue Schule im Leipziger Süden folgen würde.

Die Situation ist reichlich verfahren, wenn es darum geht, nach Jahren der meistbietenden Verkäufe städtischer Grundstücke und in diesem Fall auch die der Deutschen Bahn, nun Neubauten in dicht besiedelte Wohngebiete zu setzen. Auch, wenn es um Schulen geht, die, wie heute alle Redner/-innen nochmals betonten, vor allem im Leipziger Süden dringend benötigt werden.

Versuch eins war knapp im Stadtrat gescheitert, da im Juni 2021 ein Paket auf dem Tisch lag, in dem nicht nur der städtische Kauf der Schule für 25 Millionen Euro steckte, die die „Rubin 72 GmbH“ an der Kurt-Eisner-Straße selbst bauen sollte, sondern auch ein Mietvertrag über die ersten drei Jahre (Umfang: 4,7 Millionen Euro) für dieselbe Schule.

Obenauf kam damals noch ein Tausch von vier Grundstücken, darunter Grundstücke an der Käthe-Kollwitz-Straße, der Reichsstraße 20 (mit dem Restaurant „Leos Brasserie“ darauf) und der Antonienstraße. Nicht annehmbar, fand eine knappe Ratsmehrheit und sagte dem Vorschlag mit 33 zu 32 Stimmen denkbar knapp Adieu.

Heute nun war es an Stadträtin Franziska Riekewald (Linke), den anderen möglichen Weg vorzuschlagen und damit die Verwaltung zu verpflichten, weiter über das Grundstück an der Kurt-Eisner zu verhandeln.

Dieses Mal allerdings mit der Pistole auf dem Tisch. Denn „im Falle der Unmöglichkeit des freihändigen Erwerbs der Grundstücke durch die Stadt Leipzig oder des Abschlusses eines Erbbaupachtvertrags“ solle die Stadtverwaltung „die rechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Schaffung der Eigentumsbefugnis über die für den Neubau der Grundschule benötigten Grundstücke der Teilflächen der Flurstücke 3835/61 sowie 3835/28 der Gemarkung Leipzig an der Kurt-Eisner-Straße im Wege der entschädigungspflichtigen Enteignung der Grundstückseigentümer auf der dazu erforderlichen gesetzlichen Grundlage“ prüfen.

Letztlich also die Drohung, wenn es zu keinem vertretbaren Ergebnis bei den Verhandlungen kommt, der „Rubin 72“ das Grundstück gegen eine Entschädigung zu entziehen.

Runde 2 und Ende offen

In den Bereichen Straßenbau, Bergbau oder weiteren gesellschaftlich nötigen Bereichen sonst im CDU-regierten Sachsen normal, sei – so Franziska Riekewald für die Linke – im Falle eines alternativlosen Standortes auch eine Enteignung eines Grundstückes für einen Schulneubau möglich, ja explizit auch in den einschlägigen Gesetzen angeführt.

Was Riekewald bei der Einbringung des Antrages deutlich hörbar ärgerte: dass hinter der Enteignungsdebatte vor dieser Ratsversammlung der Grund, nämlich der dringend für die jungen Menschen benötigte Schulstandort, ziemlich zurücktrat. Etwas, was noch bei der Runde eins der Debatten gerade der Linken vorgehalten wurde, als diese gegen den Tauschdeal argumentierte.

Karsten Albrecht (CDU) fasste dann diesen Wechsel in der Argumentationsrichtung zumindest parteipolitisch zusammen, indem er der Linken attestierte, diese habe nun erst bemerkt, „was sie da angerichtet hat“.

Den überzeugenderen Beitrag lieferte dieses Mal hingegen Sven Morlok (FDP) für die Freibeuterfraktion. Weniger polemisch gegen oder für Enteignungen, stellte Morlok die Frage ins Zentrum, wie lang dieser Vorgang der Verhandlungen und anschließenden entschädigungsbewehrten Enteignung dauern würde. Er ging dabei von „10 Jahren“ aus, da er davon ausgehe, dass die „Rubin 72 GmbH“ klagen würde. Was durch alle Instanzen bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht eben dann dauere.

Am Ende dieser Zeitfrist müsse dann die Stadt also in der letzten Instanz nochmals nachweisen, dass es keinen anderen Standort gäbe. Statt also an einer anderen Adresse für einen Schulneubau im Leipziger Süden zu sorgen, hätte die Stadt im Sinne eines Sieges vor Gericht dann eher das Interesse, keine Schule zu bauen.

„Das können sie doch nicht wollen“, rief Morlok am Ende – ein Ruf, den die Fraktionen hörten. Nur 13 Räte stimmten für und 28 gegen den Antrag der Linksfraktion bei 11 Enthaltungen.

Es wird also auch in diesem Fall zu keiner Enteignungsdrohung gegen einen Grundstückseigentümer wegen eines dringend benötigten Schulneubaus kommen. Die Suche nach einem anderen Standort hingegen scheint jedoch gleichfalls schwierig. Man kann also für die Schulwege und -plätze der Jüngsten nur hoffen, sie dauert nachher nicht länger als die seit heute im Raum stehenden 10 Jahre.

Denn, wie ein weiteres Thema rings um Garagenbesitz im Leipziger Osten angesichts eines ebenso dringend benötigten Schulneubaus am 13. April 2023 allzu deutlich machte: Es ist längst ein Kampf um den städtischen Raum entbrannt, bei welchem Einzelinteressen immer öfter gegen Interessen einer wachsenden Stadt stehen.

Die Debatte im Stadtrat

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