Die AfD ist geübt darin, mit plakativen Schaufensteranträgen im Stadtrat Aufmerksamkeit zu erlangen. Am Mittwoch war es wieder einmal so weit: Der OBM möge sich für die Wiedereröffnung des Russischen Generalkonsulats am Rosental einsetzen, das Ende 2023 geschlossen worden war, so die AfD-Fraktion. Das stieß auf Widerstand und Kopfschütteln.
Von einem „Hass auf Russland und seine Bürger“, der „politisch opportun“ sei, sprach AfD-Stadtrat Roland Ulbrich am Mittwoch in seiner Rede, und von einer „Hexenjagd, initiiert von denen, die mit ihrem Gerede von Menschenrechten nerven“ würden: „Der Oberbürgermeister wird ersucht, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass das Ende 2023 geschlossene Generalkonsulat der Russischen Föderation in Leipzig wieder eröffnet wird“, hieß es im Antrag seiner Fraktion, für den der Rechtsanwalt um Zustimmung warb.
Rundumschlag der AfD
Immerhin habe das Konsulat an der Boris-Romantschenko-Straße (vorher: Turmgutstraße) bis zu seiner Schließung rund 80.000 russische Bürger in der Region betreut, die sich nun zur Erledigung beispielsweise von Passangelegenheiten nach Berlin wenden müssten, sagte Ulbrich. Er erwähnte Künstler, die nach Kriegsbeginn nicht hätten auftreten können, Kinder, die man vom Sport habe ausschließen wollen, LKW-Fahrer, die wegen gesperrter Kreditkarten nicht mehr heimkamen.
Mit den Ukrainern, die seit 2022 unter dem russischen Großangriff leiden, zeigte der Stadtrat weniger Mitgefühl. Stattdessen wiederholte er nach einem Rundumschlag zu Kriegen der USA, den Linken und dem Islam das vielfach widerlegte Narrativ, der Westen und die NATO trügen wesentliche Schuld am Krieg, weil man Russland unter Wortbruch auf die Pelle gerückt sei.
„Es hält mich kaum auf meinem Sitz“, stöhnte OBM Burkhard Jung, nachdem sich Ulbrich ernsthaft zur Behauptung verstiegen hatte, die Stadt habe „so viel Verständnis für moslemische Messerstecher und Gruppenvergewaltiger.“ Für Jung eine „bösartige, rassistische Unterstellung.“
Die „spezielle Friedensoperation“ von 2024
Gegenrede eins kam von Katharina Subat (Die PARTEI/Freie Fraktion), die klarstellte, dass die Konsulatsschließung eine Reaktion auf ein ähnliches Vorgehen in Russland war und keineswegs so simpel, wie die AfD suggeriert. Die habe „durchschaubare Motive“ und ignoriere, dass ein OBM keine Außenpolitik betreiben darf.
Subat erinnerte denn auch an den 9. Mai 2024 – damals hatten Mitglieder ihrer Partei die bereits leerstehende Villa des Konsulats im Rahmen einer „speziellen Friedensoperation“ besetzt. Warum könne man kein „Kulturzentrum für europäische Völkerverständigung“ aus diesem exklusiven Ort machen, fragte sie – auch in Schwedt habe die Übernahme eines Objekts ja funktioniert.
Leipziger Delegation in Kiew: „Ihr Name war Maria“
Der Appell Subats, den „Unsinn dieser gesichert rechtsextremen Partei“ abzulehnen, prallte beim BSW ab: Das „Wording“ im Antrag mache es der Fraktion möglich, diesem zuzustimmen, sagte Thomas Kachel unter ungläubigem Gelächter, auch wenn er halbherzig „tendenziell rassistische Inhalte“ in Ulbrichs Vortrag zugestand.
OBM Jungs Bitte, aus erster Hand zu berichten, was Krieg bedeutet, kam Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning nach. Der war frisch aus Kiew zurückgekehrt, der Leipziger Partnerstadt, die erschöpft durch russische Angriffe und Opfer sei, aber ungebrochen im Widerstandswillen.
„Ihr Name war Maria“, sagte Hörning sichtlich bewegt, löste kommentarlos auf: Ein 11 Jahre altes Mädchen, dessen Leichnam nach einem russischen Raketenangriff mit zehn Toten aus den Trümmern eines Hauses in Kiew geborgen wurde. Am Montag, eine Stunde vor Eintreffen der Leipziger Delegation, die mit dem Chef des Zivilschutzes verabredet war.
Morlok: AfD-Antrag inhaltlich falsch
Sven Morlok (FDP/Freie Fraktion) rüttelte dann die Fakten noch dahingehend zurecht, dass die Schließung des Konsulats Folge einer russischen Verfügung sei. Damit habe die Bundesregierung nichts zu tun. Wenn es die AfD also ernst meine, hätte sie den OBM auffordern müssen, sich bei Putin für mehr diplomatisches Personal einzusetzen und erst dann auf die Bundesregierung zuzugehen. In dem Fall würde die AfD zumindest inhaltlich saubere Politik betreiben, meinte Morlok: „So machen Sie nur Propaganda eines Verbrechers.“
Der Antrag der AfD fiel dann auch wenig überraschend mit 16 zu 45 Stimmen durch, Enthaltungen gab es nicht.
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Es gibt 4 Kommentare
Sie hatten meinen Sarkasmus überlesen, lieber User “Hearst”.
@Urs: “Russland hätte also bedenkenlos die Botschaft in Berlin schließen können, um das Generalkonsulat in Leipzig aufrechtzuerhalten.” Das ist so nicht richtig. Zumal bedenkenlos? Die Schließung einer Botschaft bringt nur Nachteile und stellt eine weitere scharfe Form der Eskalation dar. Leipzig ist international gesehen politisch bedeutungslos, zumindest verglichen mit Berlin / Bonn. Richtig ist: Russland musste 4/5 Generalkonsulate schließen, Bonn blieb natürlich.
Am 31. Mai 2023 schrieb die LVZ:
„Das russische Generalkonsulat in Leipzig ist offenbar unter jenen vier von insgesamt fünf Vertretungen, die bis zum Jahresende geschlossen werden müssen. Die Bundesregierung hatte dies am Mittwoch als Reaktion auf die Ausweisung Hunderter deutscher Bediensteter aus Russland angeordnet, die Auswahl allerdings der russischen Föderation überlassen. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums, die dieser Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem: ‚Die Forderung des Auswärtigen Amts, die russischen Generalkonsulate in Hamburg, Leipzig, München und Frankfurt am Main bis zum 31. Dezember 2023 zu schließen, betrachten wir als einen erneuten unfreundlichen Schritt.‘
Vom Jahresende an wird Russland damit wohl nur noch die Botschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Bonn betreiben. Russland entscheide selbst, welche Vertretung erhalten bleibe, hatte ein Sprecher der Bundesregierung zuvor deutlich gemacht. Für Russen in Deutschland gibt es damit weniger Anlaufstellen, um etwa neue Pässe zu beantragen.“
Russland hätte also bedenkenlos die Botschaft in Berlin schließen können, um das Generalkonsulat in Leipzig aufrechtzuerhalten.
Am 24. September 2023 schrieb die LZ:
“Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist noch immer nicht beendet. Nichts hat sich gegenüber der Stadtratsentscheidung vom 9. November 2022 geändert, außer dass es jetzt auch noch eine Anweisung der Bundesregierung gibt, wonach auch das Russische Konsulat in Leipzig geschlossen wird.” https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2023/09/stadtrat-tagte-boris-romantschenko-strasse-strassenname-afd-ablehnung-video-556323
Als Quelle für das vielfach widerlegte Narrativ kommt ausgerechnet die East StratCom Task Force der EU (wohl mehrheitlich von Deutschland finanziert), welche nachweislich schon gelogen hat (vgl. Aussagen zu CIA Basen in UA). Warum ist eigentlich das US Konsulat (völkerrechtswidriger Angriffskrieg inkl. Bombardierung von Atomanlagen) noch offen? So macht man die AfD auch stark. Bravo.