Eine der brennenden Fragen, die in letzter Zeit im Leipziger Stadtrat gestellt wurden, kann wahrscheinlich nie wirklich umfassend beantwortet werden. Obwohl sie ins Mark der Leipziger Stadtfinanzen trifft und in die heillosen Probleme, die mit einem immer mehr aus dem Ruder laufenden Haushalt auf die Stadt zukommen. Gestellt hatte die Anfrage die Linksfraktion: „Auswirkungen der übertragenen Aufgaben von Bund und Land auf den Haushalt der Stadt Leipzig“. Sie hat darauf zwar schon zwei fette PDF-Pakete aus dem Finanzdezernat bekommen. Von Klarheit kann aber keine Rede sein.

Das gab auch Finanzbürgermeister Torsten Bonew zu, der ja irgendwie versucht, den Leipziger Haushalt im Griff zu behalten. Doch davon sind mittlerweile hunderte Finanzbürgermeister in ganz Deutschland überfordert. Denn ein immer größerer Teil der städtischen Haushalte besteht aus Pflichtaufgaben, die Bund und Länder an die Kommunen übertragen haben – vor allem im sozialen Bereich, wo die Kosten inzwischen völlig aus dem Ruder laufen.

Nur sind diese Aufgaben nicht ausfinanziert. Bund und Länder sparen sich dabei eine Menge Geld. Geld, welches dann die Kommunen aus ihren klammen Haushalten zahlen müssen. Aber bald nicht mehr können. 

„Eine Vielzahl von Aufgaben wurde per Gesetzeskraft durch Bund und Land in den vergangenen Jahrzehnten auf die Kommunen und Landkreise übertragen, ohne im Ansatz eine ausreichende Finanzierung bereitzustellen. Der Grundsatz, wer bestellt – bezahlt, spielt für die beiden Gebietskörperschaften scheinbar kaum eine Rolle mehr“, formulierte die Linksfraktion den Kern ihrer Anfrage.

Und bekam dafür tatsächlich schon einen dicken Packen an PDF aus den verschiedenen Dezernaten. Aber jede Meldung anders aufbereitet, nichts miteinander kompatibel. Da verzweifelt auch die Linksfraktion beim Erstellen einer klaren Tabelle, wie sie sich zum Beispiel Enrico Stange wünscht, der am 24. September i der Ratsversammlung doch recht beharrlich nachfragte, ob das nicht besser aufbereitet werden könnte.

Eigentlich ein echter Forschungsauftrag

Das sagte ihm Finanzbürgermeister Torsten Bonew auch zu, merkte aber auch an, dass es eine Komplettübersicht über alle Aufgaben, die Bund und Land nicht ausfinanzieren, nicht geben könne. Das könne die Verwaltung allein nicht leisten und wäre eher ein Forschungsauftrag für das Mathematische Institut an der Uni Leipzig für 500.000 Euro, mit dem die Forscher dann zwei Jahre zu tun hätten.

Aber genau mit dieser Äußerung machte Bonew eben auch deutlich, dass die Finanzverstrickungen der Kommunen vor allem mit dem Bund mittlerweile völlig undurchschaubar geworden sind. Die Kommunen wissen zwar, was sie zahlen müssen, aber nicht, was sie dafür tatsächlich als Ausgleich bekommen. Und das geht schon seit Jahren so.

Bonew hatte sich mit der Linksfraktion darauf geeinigt, den Zeitraum ab 2013 bis heute zu beleuchten. Auch das macht schon eine Heidenarbeit in den Dezernaten, wo man wahrscheinlich froh ist, wenn man das Ergebnis dann einfach in eine PDF-Datei packen und ins Ratsinformationssystem stellen kann.

Aber das hilft selbst den rauchenden Rechnern in der Linksfraktion nicht. Stange wünschte sich deshalb von Bonew eine einfache Übersicht, aus der dann zu jedem Posten einfach Einnahmen und Ausgaben ausgewiesen werden. Sodass dann etwas sichtbar wird, was auch Bonew so noch nicht hat: der Fehlbetrag im Leipziger Haushalt, der dadurch entsteht, dass Bund und Land immer mehr Aufgaben zur Erledigung an die Kommunen übertragen haben, aber nicht das Geld bereitstellen, um alle Ausgaben zu decken.

Noch ein bisschen Geduld

Zu fünf Posten hatte Bonew ja am 24. September schon Zahlen vorgelegt, bei denen es z.B. um Kosten der Unterkunft und Hilfen zur Pflege ging. Allein da kam er schon auf einen Fehlbetrag von 167 Millionen Euro.

Tatsächlich wird es bei der Summe, die Leipzig bei der Erledigung der auferlegten Pflichtaufgaben nicht ausgeglichen bekommt, um deutlich höhere Beträge gehen. Summen, die teilweise über die Jahre stetig angewachsen sind und vielleicht vor zehn Jahren noch nicht tragisch aussahen, mit dem Doppelhaushalt 2025/2026 Leipzig aber endgültig in die Roten Zahlen stürzen.

Stanges berechtigte Frage: „Leben eigentlich wir über unsere Verhältnisse? Oder wer lebt da eigentlich über unsere Verhältnisse?“

Und so deutete nicht nur Bonew an, dass ihn die Zahlen selbst interessieren würden. Auch Burkhard Jung sagte: „Das wäre auch was für mich.“

Denn dann hätte er im Deutschen Städtetag am Beispiel seiner eigenen Stadt eine erste belastbare Zusammenstellung, wie Bundesaufgaben die Haushalte der Kommunen im ganzen Land zum Kippen bringen. Und bei einem ist er sich auch ziemlich sicher: Die Aufträge aus dem Stadtrat waren es nicht, die Leipzigs Haushalt in den roten Bereich getrieben haben. Dazu ist deren Dimension schlicht zu klein.

Aber Jung sagte eben auch deutlich: „Herr Stange, Sie haben recht.“

Und jetzt ist man ganz bestimmt nicht nur in der Linksfraktion gespannt, was dann tatsächlich in der Tabelle stehen wird. Auch wenn Torsten Bonew keine umgehende Umsetzung ankündigen kann, sondern auf Ende Oktober vertröstete.

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