Freudig hüpfte er auf, als die bundesdeutsche Forstministerin Julia Klöckner (CDU) ankündigte, richtig viel Geld für das Pflanzen neuer Baumplantagen geben zu wollen: Thomas Schmidt (CDU), derzeit Sachsens Forstminister auf Abruf. Kaum ein Minister in der alten Riege macht deutlicher, wie sehr altes Machbarkeitsdenken zu katastrophalen Folgen führt. Auch im sächsischen Wald. Und er denkt gar nicht daran, mit der alten Plantagenwirtschaft aufzuhören.

Das machte jetzt die Antwort auf die Anfrage von Wolfram Günther, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Landtag, deutlich. Günther bezog sich auf die Regierungserklärung von Michael Kretschmer (CDU), der angekündigt hatte, dass im sächsischen Wald 50 Millionen neue Bäume gepflanzt werden sollen.

„Verfolgt die Staatsregierung das Ziel, bis zum Jahre 2030 über 50 Millionen Bäume zu pflanzen, um die Landesfläche aus Wald schneller als bisher geplant auf 30 Prozent zu erhöhen?“, fragte Günther. Und: „Auf welcher Berechnungsgrundlage der Staatsregierung erfolgte die Festlegung des Ziels auf 50 Millionen Pflanzungen?“

Millionen Bäume – das hörte sich auch bei Klöckner toll an. Nach einem ungemeinen Kraftakt, der freilich bei vielen Umweltverbänden und bei Forstwirtschaftlern, die sich wirklich intensiv mit Biodiversität der Wälder beschäftigen, auf heftigen Protest stieß. Denn diese Neupflanzungen würden wieder nur künstliche Wälder erschaffen und eine natürliche Waldbildung mit standortangepassten Baumgesellschaften verhindern.

Aber genau so arbeitet der dem Forstminister unterstellte Staatsbetrieb Sachsenforsten seit Jahren – auch dort, wo man den Wald im forstwirtschaftliche Sinn „umbaut“. So ist die „zehnjährige Forsteinrichtung“ gestrickt, die Thomas Schmidt erwähnt und nach der der Staatsbetrieb jedes Jahr tatsächlich schon Millionen neuer Bäume pflanzt.

„Kunstverjüngungsflächen“ nennt sich das im Forstdeutsch: Nach dem hektarweisen Kahlschlag der vorherigen Nadelholzplantagen wird auf diesen freigeschlagenen Flächen wieder hektarweise die Baummischung gepflanzt und gesät, die man künftig dort stehen haben will. Was zwangsläufig verhindert, dass auf diesen Flächen eine natürliche Waldentwicklung stattfindet.

So kommt man übrigens auch auf die scheinbar gigantischen Zahlen: Über 6 Millionen Bäume wurden so jedes Jahr gepflanzt, 2011 sogar mal 8 Millionen. 2018 rutschte die Zahl erstmals unter 5 Millionen, weil die eingesetzten Forstangestellten und die beauftragten Firmen schon alle Hände mit der Beseitigung der Borkenkäferschäden zu tun hatten. Auch das ein Teil der sächsischen Forstwirtschaftsstrategie, die sich nicht darauf verlässt, dass nach dem Borkenkäferbefall wieder ein neuer Wald wächst.

Große deutsche Medien beklagen zwar, dass die Deutschen ihre einst romantische Beziehung zum deutschen Wald verloren hätten. Aber das hat auch mit dieser Praxis zu tun, Wald nicht mehr als einen sich selbst regenerierenden Organismus zu betrachten, sondern als eine Plantage, auf der Förster – zusammen mit bezahlten Wissenschaftlern – bestimmen, was dort zu wachsen hat.

Und das alles mittlerweile verstärkt unter dem Label „Klimawandel“.

Wie das Forstministerium dabei tickt, erklärt Thomas Schmidt so: „Aufgrund des sich wandelnden Klimas mit seinen sichtbaren Folgen wird der Waldumbau auf hohem Niveau konsequent fortgesetzt. Anknüpfend an das Jahr 2018, welches durch Sturm-, Schneebruch- und Borkenkäferschäden gekennzeichnet war, werden jährlich mindestens 4,8 Millionen Bäume im Landeswald gepflanzt werden müssen. Die Staatsregierung hält am Ziel fest, den Waldanteil auf 30 Prozent der Landesfläche bis zum Jahr 2050 zu erhöhen. Hierfür werden zusätzliche Bäume gepflanzt. Zusammenfassend ist das Ziel, zusätzlich zu Naturverjüngung, Saat und Erstaufforstungen, allein im Landeswald 50 Millionen Bäume zu pflanzen, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation sehr ambitioniert. Bisher erfolgten Zielfestlegungen für den Waldumbau anhand von Flächengrößen in Hektar. Die zusätzliche Festlegung einer zu pflanzenden Anzahl von Bäumen ist ein neuer, darüber hinausgehender Ansatz.“

Ein Ansatz, der freilich an der Denkweise nichts ändert. Denn die Bäume werden ja nicht in bewachsene Waldstücke gepflanzt, sondern ebenso auf freigeschlagene Flächen ohne Baumbewuchs. Neu ist an diesem Denken nichts. Und dass das Forstministerium überhaupt nicht daran denkt, wird deutlicher, wenn Schmidt der Frage nach den konkreten Flächen für die Pflanzungen ausweicht: „Die zehnjährige Forsteinrichtungsplanung für den Staats- und den Körperschaftswald des Freistaates Sachsen berücksichtigt die Kunstverjüngung von Waldflächen (Saat und Pflanzung) auf der Grundlage von Flächengrößen in Hektar je Waldort und nicht als Pflanzenzahlen. Ebenso wenig erfolgt eine genaue jährliche Festlegung der Kunstverjüngungsfläche innerhalb des zehnjährigen Planungszeitraums. Aufgrund der Sturmereignisse der letzten drei Jahre, der eingetretenen Dürreschäden sowie der forsthistorisch beispiellosen Borkenkäferkalamität seit dem Jahr 2018 ist die Forsteinrichtungsplanung vielerorts überholt und aufgrund der fortdauernden Schadensentwicklung für eine Ermittlung der jährlich notwendigen Pflanzflächen nicht mehr ausreichend.“

Er hält hier an der Praxis der „Kunstverjüngung“ fest – die „Naturverjüngung“ kommt nur ganz am Rande vor. Sie spielt in dem Land, in dem 1713 Hans Carl von Carlowitz erstmals den Begriff Nachhaltigkeit für die Bewirtschaftung von Wäldern prägte, keine Rolle. Was auch an der damaligen Definition liegt, die überhaupt erst einmal dem Kahlschlag in den Wäldern des Erzgebirges ein Ende setze und den Förstern klarmachte, dass man nicht mehr Holz aus den Wäldern holen kann als nachwächst. Nur wusste auch Hans Carl von Carlowitz noch nicht allzu viel über die Artenvielfalt und die Klimastabilität von Wäldern. Für den sächsischen Oberberghauptmann ging es gar nicht um klimastabile Wälder. Das war gar nicht sein Problem. Sein Problem war, dass die kahlgeschlagenen Hänge des Erzgebirges nicht mehr genug Holz für den Bergbau lieferten.

Und deshalb definierte er in „Sylvicultura Oeconomica“ (hier zitiert nach Wikipedia): „Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weil es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse (im Sinne von Wesen, Dasein, d. Verf.) nicht bleiben mag.“

Es ging ihm also um einen kontinuierlichen Holznachschub und angebautes Holz. Um Holzplantagen also. Und weil normale Laubwälder viel zu lange brauchen, um binnen weniger Jahre neues Nutzholz zu produzieren, wurden die sächsischen Mittelgebirge mit schnellwachsendem Nadelholz bepflanzt – jenem Nadelholz, das jetzt, mit dem ersten Schub der Klimaerwärmung, nicht mehr standhält, wenn Stürme durch die Berge fegen.

Dabei braucht Sachsen gar nicht mehr die enormen Holzmengen des Jahres 1713 – das übrigens noch in die Kleine Eiszeit fiel. Damals brauchten die Menschen das Holz zum Heizen, für den Bergbau, den Hausbau und die Metallverhüttung.

Aber die Antwort des Forstministers macht nur deutlich, dass 50 Millionen Bäume in zehn Jahren für Sachsen gar nichts Neues sind: So arbeitet der Staatsbetrieb Sachsenforst ja seit Jahren. Auch mitten in streng geschützten Naturschutzgebieten wie dem Leipziger Auenwald. Und zumindest eines hat Günther so erfahren: Wenn dieser Minister im Amt bleiben sollte, geht die Plantagenwirtschaft im sächsischen Wald munter weiter.

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

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