Nachdem das Sächsische Finanzministerium am Freitag, 12. November, die Ergebnisse der November-Steuerschätzung bekannt gegeben hat, positionierten sich postwendend auch die Parteien aus dem Landtag zu den Zahlen. Zahlen, die eigentlich aufatmen lassen und Raum geben, über die Tilgungszeiträume für die Corona-Kredite zu verhandeln. Aber das wird schwer mit einer CDU, die gleich mal wieder das Motto ausgibt: „Mit uns wird es keinen Schuldenstaat geben!“

Nach der jüngsten Steuerprognose kann der Freistaat in den Jahren 2021 und 2022 Steuereinnahmen in Höhe von 16,8 Milliarden und 17,5 Milliarden Euro erwarten. Das ist mehr als noch im Mai prognostiziert und liegt damit auf dem Vorkrisen-Niveau von November 2019.Was dann den finanzpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, Georg-Ludwig von Breitenbuch, fast zum Jubeln bringt: „Sachsen hat das Vorkrisen-Niveau wieder erreichen können. Wir sind zurück auf dem Wachstumskurs! Das haben wir den Unternehmen und Bürgern im Land zu verdanken. Die Steuerschätzung für Sachsen ist auch eine Bestätigung der Maßnahmen zur Bewältigung der Coronakrise. Die von der CDU geführte Staatsregierung hat mit ihrer Politik von Maß und Mitte wesentlich dazu beigetragen.“

Aber auch von Breitenbuch ist klar, dass seine Fraktion jetzt nicht mehr um ernsthafte Gespräche mit den Koalitionspartnern Bündnis 90 / Die Grünen und SPD umhinkommt. Die Schuldenbremse aus der Verfassung gehört jetzt auf den Tisch.

„Die Steuerschätzung gibt Anlass zur Hoffnung, aber wir dürfen jetzt nicht in Euphorie verfallen. Die Haushaltslage in Sachsen bleibt für die kommenden Jahre angespannt“, meint Breitenbuch.

„Wie wir mit Blick auf die Verfassung jetzt mit dem Ergebnis der Steuerschätzung umgehen werden, wird die CDU auf ihrer Fraktionsklausur in zwei Wochen beraten. Eins ist aber sicher: Mit uns wird es keinen Schuldenstaat geben! Wir werden auch in diesen harten Zeiten an die kommenden Generationen denken.“

Eine Phrase, die die CDU gern benutzt, wenn sie eigentlich nur die Staatsausgaben senken und Kreditaufnahmen vermeiden will. Mit den künftigen Generationen hat das nichts zu tun.

Franziska Schubert (Grüne): Die sächsische Schuldenbremse muss reformiert werden

Franziska Schubert (B90 / Die Grünen). Foto: L-IZ.de
Franziska Schubert (B90 / Die Grünen). Foto: LZ

Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, sieht hingegen überhaupt keinen Grund, die starre Schuldenbremse so in der Verfassung zu erhalten.

„Es sind gute Nachrichten, dass die Einnahmeerwartungen für den Freistaat und für unsere Kommunen gegenüber der Mai-Steuerschätzung wiederholt spürbar nach oben korrigiert wurden. Ich habe das erwartet und es stimmt mich hoffnungsvoll“, sagte sie am Freitag.

„Auch wenn die Lage weiterhin angespannt bleibt, denn es befinden sich nach wie vor Lücken in der Finanzplanung für die kommenden Jahre. Und gerade läuft die vierte Corona-Welle durchs Land und zeigt, dass die Pandemie noch nicht durch ist.“

Doch für den Freistaat und seine Kommunen werden in den Jahren 2022 und 2023 keine Einbrüche bei den Steuereinnahmen erwartet.

„Damit haben wir Luft und können die nächste wichtige Aufgabe angehen: die Reform der sächsischen Schuldenbremse“, betont Schubert.

„Die Krise war der Praxistest und hat gezeigt: Die sächsische Schuldenbremse ist anzupassen. Wir konnten lernen, dass der aktuelle Mechanismus die Situation dramatisch verschärft. Es war nie die Idee einer Schuldenbremse, Krisen zu manifestieren und den Freistaat dadurch noch zusätzlich finanziell zu schwächen. Wir brauchen daher einen zeitgemäßen Mechanismus, der uns sicher durch solche Krisen bringt und auch wieder rausholt. Heißt: ein Mechanismus, der Investitionen und Entwicklung ermöglicht.“

Und gleich mal im Richtung CDU-Fraktion sagte sie: „Das sture Festhalten an einer unveränderten Schuldenbremse macht es für Sachsen maximal schwer, aus Krisen herauszuwachsen. Die Schuldenbremse in ihrer momentanen Ausgestaltung ist ein Bremsklotz für den Aufschwung und eine Gefährdung für die Gestaltung unserer Zukunft, deren Aufgaben uns sehr klar vor Augen stehen.“

Nico Brünler (Linke): Die schnelle Tilgung der Corona-Kredite führt zu schlimmen Kürzungen

Nico Brünler (Linke). Foto: DiG/trialon
Nico Brünler (Linke). Foto: DiG/trialon

„Die pandemiebedingten Steuereinbrüche fallen offenbar etwas kleiner aus als befürchtet – das ist eine gute Nachricht. Der Koalition dürfte es also leichtfallen, im Corona-Bewältigungsfonds weiteres Geld für Hilfszahlungen freizuschaufeln, anstatt die Mittel zurückzuhalten, um Mindereinnahmen beim Steueraufkommen des Freistaates auszugleichen“, sagte Nico Brünler, Sprecher der Linksfraktion für Finanzpolitik, am Freitag. Einen entsprechenden Antrag habe die Linksfraktion am Freitag eingereicht.

„Dennoch haben wir weiterhin Grund zur Sorge, dass eine zu schnelle Tilgung der Corona-Kredite zu schlimmen Kürzungen bei Sozialem, Bildung, Kultur oder Infrastruktur führen wird. Es bestünde die Gefahr, die vorausgesagte Erholung im Keim zu ersticken“, so Brünler.

„Deshalb bleiben wir bei unserer Forderung, die Landesverfassung zu ändern und die Rückzahlung auf 20 bis 30 Jahre zu strecken. Acht Jahre, von denen nur noch sechs übrig sind, sind zu kurz. Im Übrigen zeigt das aktuelle Infektionsgeschehen, dass die Pandemie auch in finanzieller Hinsicht noch lange nicht bewältigt sein wird. Es wäre fahrlässig, vor diesem Hintergrund am Fetisch Investitionsbremse festzuhalten.“

SPD-Landesvorsitzender Henning Homann: Die Schuldenbremse darf nicht zur Investitionsbremse werden

Henning Homann, MdL. Foto: Stefan Kraft

Auch der SPD-Landesvorsitzender Henning Homann sieht die Notwendigkeit, die Schuldenbremse zu reformieren. Denn das Geld, das nach der aktuellen Fristsetzung in acht Jahren abfließen soll, fehlt genau da, wo die CDU so stolz ist auf die heimische Wirtschaft: für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen.

„Sachsen braucht mehr Tempo“, sagt Homann. „Wir müssen jetzt die Voraussetzung für mehr Zukunftsinvestitionen und sichere Arbeitsplätze der Zukunft schaffen. Trotz der positiven Steuerentwicklung ist eine Reform der Schuldenbremse notwendig, um finanzielle Gestaltungsspielräume zu wahren und Kürzungen im Sozialbereich zu verhindern. Wir brauchen Investitionen in den Industriestandort der Zukunft.“

„Die Entwicklung des Mikroelektronikstandortes in Dresden, des Wasserstoffclusters in Chemnitz und der E-Mobilität u.a. in Zwickau zeigen, dass Sachsen die Chance hat, in zentralen Branchen deutschland- und europaweit eine Führungsrolle einzunehmen. Ein Festhalten an der radikalen Tilgungsregelung von acht Jahren würde sich in Sachsen wie eine Investitionsbremse auswirken. Das wollen wir als SPD verhindern“, führt Homann weiter aus.

Auch er fordert die Koalitionäre auf, baldigst an einen Tisch zu kommen: „Die Koalition muss jetzt ihre Hausaufgaben machen. Die Unklarheiten über die finanziellen Rahmenbedingungen sorgen bei Kommunen, Wirtschaft, Vereinen und Verbänden für massive Unsicherheit. Sie gefährdet damit den wirtschaftlichen Aufschwung und Arbeitsplätze. Sachsen braucht dringend Planungssicherheit. Die Position der SPD ist hier klar: Wir wollen eine solide Investitionspolitik durch eine gestreckte Rückzahlung der coronabedingten Kredite und das Mobilisieren zusätzlicher Mittel im Landeshaushalt.“

Dirk Panter (SPD): Wir müssen die sächsische Verfassung ändern

Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Foto: LZ
Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Foto: LZ

Schon am Donnerstag, 11. November, hatte sich Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, zu den Folgen der Steuerschätzung geäußert.

„Die Einnahmeerwartungen sind besser ausgefallen, als noch im Mai 2021 prognostiziert wurde. Die positive Steuerschätzung ist das Ergebnis der klugen Investitionspolitik und der Wirtschaftshilfen in der Coronakrise – vor allem durch Finanzminister Olaf Scholz. Das Land sowie der Bund haben entschlossen gehandelt und investiert. Dadurch stehen wir jetzt etwas besser da, als zuletzt befürchtet“, ging Panter auf die Tatsache ein, dass sich nicht nur die CDU die guten Wirtschaftsentwicklungen auf die Fahnen schreiben kann.

Aber die Diskussion, wie Sachsen durch die nächsten Jahre kommen will, beginnen jetzt. Und müssen auch beginnen, wie Panter betont: „Wir kommen mit dieser Steuerschätzung durch die Tür – aber sicher nicht durch die nächsten Jahre. Gehandelt werden muss jetzt und nicht irgendwann. Die höheren Steuereinnahmen reichen für Investitionen in die Zukunft nicht aus. Auch eine mögliche neue Krise werden wir so nicht bewältigen können. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen verschlafen wir nicht nur die Zukunft – wir gefährden sie.“

Logischer Schluss, so Panter: „Um auch für kommende Krisen gerüstet zu sein und Zukunftsinvestitionen möglich zu machen, müssen wir jetzt die sächsische Verfassung ändern. Die darin enthaltenen Regelungen zur Kreditaufnahme und Kredittilgung gleichen einer Wegfahrsperre. Ein starker Staat braucht eine moderne Finanzpolitik und keine Wegfahrsperre. Unsere Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft bleibt die Verfassungsänderung und der Sachsenfonds 2050.“

„Ändern wir die Verfassung nicht, dann wird es in den nächsten Jahren zu massiven Kürzungen kommen. Diese Kürzungen wären für die Zukunft Sachsens fatal. Wer sie in Kauf nimmt, gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den Wirtschafts- und Industriestandort Sachsen. Wer die Verfassungsänderung an dieser Stelle blockiert, der gefährdet Arbeitsplätze, der sorgt dafür, dass ÖPNV abbestellt wird, dass keine Straßen mehr saniert werden können und dass die Infrastruktur der Zukunft woanders entsteht“, warnt Panter.

Die Karten liegen auf dem Tisch. Jetzt kann man gespannt sein, ob die CDU die Botschaft verstanden hat oder lieber pokert.

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