Das Lausitzer Braunkohledorf Mühlrose soll das letzte in Sachsen sein, welches vor dem offiziellen Kohleausstieg des Landes abgebaggert wird. Dass die Kohle dort tatsächlich noch benötigt wird, ziehen viele in Zweifel. Trotzdem gibt es vor Ort nur wenig Widerstand. Aktuell werden mehrere Höfe abgebaggert und es wird weiter nach Kohle gegraben. Die Bewohner/-innen haben sich offenbar mit dem zwangsweisen Umzug arrangiert.

Unter Mühlrose, genauer dem nahen Tagebau Nochten, sollen nach Schätzungen noch rund 150 Millionen Tonnen Kohle abgebaut werden. Die Lausitz Energie Verwaltungs GmbH (LEAG) will an die Braunkohle unter dem sorbischen Dorf in der Lausitz gelangen.

Vor zwei Wochen war im Ort das Klimacamp „Rosi bleibt!“ angesetzt. Als Reaktion darauf fand im Vorfeld eine Gegenaktion in Form einer Menschenkette statt, an der sich über 200 meist ortsansässige Menschen beteiligten.

Menschen, die jedoch nun nicht gegen die Abbaggerung protestierten, sondern gegen die Klimaaktivist/-innen und ihre Forderung, die Braunkohle im Boden zu lassen.

Klimacamp nach Protesten abgesagt

Daraufhin wurde das Klimacamp von den Organisatoren abgesagt. Der Klimaprotest in der Lausitz war weitgehend verstummt – ganz anders als im nordrhein-westfälischen Weiler Lützerath, dessen tagelange Räumung durch die Polizei im Januar bundesweit Schlagzeilen machte. Der Name Lützerath war längst zu einer Chiffre avanciert, in der sich Zukunftsängste und apokalyptische Endzeitszenarien rund um fossile Energieträger, Kohleausstieg und Klimakrise bündelten.

Eine solch symbolische Aufladung, wie sie auch im sächsischen Dorf Pödelwitz bei Leipzig lokal stattfand, bleibt in Mühlrose bisher aus. Vom „Anti-Lützerath“ sprechen einige Medien sogar, was letztlich falsch ist – auch da waren nur noch wenige ortsansässige Menschen am Protest beteiligt. Die Umsiedlung der Bewohner/-innen des Dorfes soll bis 2024 abgeschlossen sein, viele von ihnen sind bereits fort.

Dies und vor allem die Entschädigungen des Konzerns LEAG könnten erklären, warum der große Aufstand zumindest vor Ort bisher ausblieb.

Krach um das Kohle-Aus in Sachsen

Während die seit Dezember 2021 amtierende Ampel-Koalition im Bund per Koalitionsvertrag vereinbart hat, den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen – ein solcher Deal war es auch, der in NRW mehrere Dörfer rettete, aber Lützerath den Baggern preisgab – regt sich in den Bundesländern immer noch Widerstand. Auch Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer hält am Ausstieg für 2038 fest, was er – wie auch die LEAG – mit der Sicherheit der Energieversorgung begründet.

Andere erachten einen früheren Ausstieg sehr wohl für möglich, wenn auch aus rein ökonomischen Gründen. Laut einer Prognose wird sich der Abbau von Kohle und kohlebasierte Stromerzeugung schon 2030 nicht mehr rentieren. Dies hängt unter anderem mit der geplanten Verknappung von Zertifikaten zusammen, welche Unternehmen zur Nutzung klimaschädlicher Technologien nachweisen müssen, aber auch mit dem Rückgang des Bedarfes.

Auch eine Studie der Bundesnetzagentur vertritt den Standpunkt, dass das Kohle-Aus 2030 keineswegs zum Untergang des Landes und der Wirtschaft führen würde. Der BUND Sachsen kam für die Lausitz zu einem ähnlichen Ergebnis.

Neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht dies auch sein Parteifreund Wolfram Günther in seiner Funktion als Umweltminister Sachsens ähnlich.

„Friede, Freude, Erneuerbare?“ – Demonstration gegen den Kohleabbau

Eine eindeutige Position bezogen jedenfalls am Sonntag, dem 7. Mai, zahlreiche Menschen in der Lausitz, die sich zusammenfanden und unter dem Motto „Stoppt die Kohle im Osten“ demonstrierten. Über 500 Personen sollen es laut Polizeiangaben gewesen sein, Fridays for Future meldete eine Zahl von 1.000.

Neben der Forderung, das Dorf Mühlrose zu erhalten, verlangten die Aktivist/-innen einen zeitnahen Kohleausstieg bereits im Jahr 2030, einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien und die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels, welches 2015 auf der Pariser Klimakonferenz vereinbart worden war. Zudem müsse der Transformationsprozess sozial und ökonomisch durchdacht gestaltet werden.

Unter anderem beteiligten sich Der BUND Sachsen, Fridays for Future, die Initiative „Alle Dörfer bleiben“ und Greenpeace.

Um 12:30 Uhr wurde die Demonstration am Bahnhof in Schleife eröffnet. Vor Ort gab es verschiedene Reden sowie musikalische Beiträge. Danach ging es mit einem Demonstrationszug Richtung Tagebau. In der Nähe des Tagebaus fanden auch die Zwischen- und Endkundgebung statt. Im Vorfeld wurde die Versammlung beauflagt, nicht das Gebiet des Tagebaus sowie den Ort Mühlrose zu betreten.

Die Polizei zeigte dementsprechend auch Präsenz. Verschiedene Einsatzkräfte sperrten vor Ort Straßen ab, bildeten Ketten vor Wegen zum Tagebau und begleiteten die Demonstration. Auch Security Kräfte der LEAG waren vor Ort und standen teilweise an Zufahrtsstraßen zum Tagebau. Teile des Tagebaus waren weiträumig mit Zäunen abgesperrt. Es kam jedoch zu keinen Ausschreitungen.

Luisa Neubauer als prominenter Gast

Auf der Demonstration redeten unter anderem Vertreter/-innen des BUND Sachsen, Luisa Neubauer und Mitglieder von Fridays for Future. Außerdem spielte die Band „Brass Riots“ auf dem Lautsprecherwagen. In der Rede von Luisa Neubauer hieß es: „Und dass dann, und das ist das Unverantwortliche, eine Politik, eine Landespolitik, ein Ministerpräsident die von ihm selbst gemachte Anti-Klima-Stimmung als Ausrede nutzt, nichts zu tun, das ist das Letzte.“

Vor allem drückte sie damit die Respektlosigkeit gegenüber der jungen Generation in ihrer Rede aus. Die Demonstration endete dann schließlich 17 Uhr.

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