Als es beim Stadtradeln 2020 erstmals großflächig eingesetzt wurde, kam das Maschinchen hinter der Meldeplattform RADar! ziemlich schnell an seine Grenzen. Und so mancher Mitradelnde meldete, dass die App wohl gar nichts meldete. Mit einigen Folgen sicher auch für die Ergebnisse beim Stadtradeln. Aber trotzdem hatte der tausendfache Einsatz der App einen Nutzen, betont der Ökolöwe. Denn erstmals gibt es eine Karte mit sichtbaren Radfahrer-Strömen, eine Heatmap. Sie zeigt, wo Radwege belastbar ausgebaut werden müssen.

Wo sind regelmäßig viele Radelnde unterwegs? Wo läuft es flüssig und wo müssen wir als Radfahrer/-innen permanent an roten Ampeln warten? Wo und warum werden bestimmte Radwege gemieden und andere Routen bevorzugt?Die Antworten auf diese Fragen sucht der Leipziger Umweltbund Ökolöwe zusammen mit der Stadt Leipzig und der TU Dresden mit dem Forschungsprojekt MOVEBIS.

Endlich flächendeckende Daten für Leipzigs Radverkehr

Im Stadtradeln-Jahr 2019 hatte der Ökolöwe als Ausrichter des Leipziger Stadtradelns den Fokus darauf, mit dem Tool RADar! punktuell Hinweise zur Verbesserung der Leipziger Radinfrastruktur an die Stadtverwaltung zu geben. Im Jahr 2020 ist es dem Verein dann gelungen, auch das Projekt MOVEBIS nach Leipzig zu holen und in das Stadtradeln zu integrieren.

Und auch wenn so mancher Teilnehmer Probleme mit der App hatte, weil die Ergebnisse nicht übertragen wurden, sind dennoch eine Menge Daten zusammengekommen, sodass es jetzt für Leipzig endlich etwas gibt, das für die Planung des Autoverkehrs seit vielen Jahrzehnten ganz normal ist: einen flächendeckenden Datensatz. Dieser Datensatz ist jetzt auch für alle Interessierten zugänglich. Dadurch hatte auch der Ökolöwe die Möglichkeit, die Daten genauer zu analysieren

Während des Stadtradelns vom 4. bis 24. September 2020 haben Leipzigs Radfahrer/-innen insgesamt 56.938 Radfahrten mit einer Gesamtlänge von 234.000 km aufzeichnen können. Das ist laut TU Dresden ein ausgezeichneter Wert und entspreche einer sehr guten Netzabdeckung. Damit gehören Leipzigs Stadtradler/-innen auch in Sachen Streckenerfassung zu den fleißigsten Deutschlands, meint der Ökolöwe.

Teilgenommen hatten übrigens 12.415 Leipziger/-innen, die insgesamt 2,5 Millionen Kilometer geschafft haben in den zwei Wochen.

Die Heatmap mit den gestrichelt eingezeichneten geplanten neiuen Radverbindungen. Grafik: Ökolöwe
Die Heatmap mit den gestrichelt eingezeichneten geplanten neuen Radverbindungen. Grafik: Ökolöwe

Der Ökolöwe hat aus den gesammelten Daten nun eine Heatmap generiert, die eine Visualisierung der Rohdaten darstellt. Sie vermittelt einen guten Eindruck davon, wo die Stadtradler/-innen während des Wettbewerbes in der Stadt unterwegs waren. Nur eine Einschränkung gäbe es, so der Ökolöwe: „In dem Datensatz ist sehr deutlich die Route der Leipziger RADNACHT 2020 zu erkennen. Diese verlief um den Innenstadtring und die B2. Da diese der Auftakt zum Stadtradeln war, wurde die Strecke sehr oft mit der App aufgezeichnet und verfälscht den Datensatz an dieser Stelle.“

Aber ein Ergebnis war überdeutlich und stellt damit so manche Debatte im Leipziger Stadtrat infrage: Die Hauptstraßen sind auch die Hauptrouten für den Radverkehr. Der Blick auf die Heatmap zeigt sehr deutlich: Die Radfahrer/-innen nutzen in erster Linie die Hauptstraßen, auch bei schlechten Bedingungen. Sie sind einfach die direkten Wege zwischen den Zielen. „Deshalb brauchen wir in Leipzig ein lückenloses Netz von guten und sicheren Radwegen auf allen Hauptstraßen“, sagt Matthias Uhlig vom Ökolöwen.

Lücken schließen im Hauptnetz

Und so fordert der Ökolöwe folgerichtig, dass die Lücken im Hauptnetz schnellstmöglich geschlossen werden. Man kann Radfahrer/-innen nicht auf irgendwelche Nebenrouten verbannen, bloß weil man dem Kfz-Verkehr keinen Platz „wegnehmen“ möchte. Zusätzlich zu den Radrouten entlang des Straßennetzes sind für Leipzigs Radfahrer/-innen freilich auch stressfreie Alternativrouten sehr wichtig. Hier lassen sich auf der Heatmap noch einige größere schwarze Flecken erkennen, so der Ökolöwe.

Auch wenn der knallgelb leuchtende Elsterradweg und die Radverbindung durch den Clara-Zetkin-Park Richtung Innenstadt deutlich zeigen, wie beliebt und entsprechend stark frequentiert existierende Radrouten abseits der Straßen längst sind. Die meisten Radfahrer/-innen würden am liebsten nur solche Routen benutzen – wenn sie denn nur existieren würden auf ihrem täglichen Weg.

Deswegen dauert es aus Radfahrersicht eigentlich viel zu lange, bis die seit über zehn Jahren geplanten neuen eigenständigen Radrouten gebaut werden. Der Ökolöwe hat sie in die Karte extra mit eingemalt – die Aktivachse Süd, den Parkbogen Ost und den Bahnbogen Gohlis, der eigentlich nur noch eine einzige Tragödie der mutlosen Stückelei ist.

Fahrradstraßen auf schlechtem Pflaster?

Auch in einigen Nebenstraßen kann man auf der Heatmap stark leuchtende Linien erkennen, etwa in der Fockestraße. „Diese stark von uns Radfahrer/-innen genutzten Nebenstraßen bieten sich als ECHTE Fahrradstraßen mit Modalen Filtern und Vorfahrt für den Radverkehr an. Denn ein engmaschiges Netz mit kurzen und direkten Verbindungen ist für uns Radfahrer/-innen sehr wichtig“, betont der Ökolöwe. „Wir wollen auch in Nebenstraßen sicher und komfortabel unterwegs sein und nicht durch tiefe Schlaglöcher oder über Kopfsteinpflaster hoppeln.“

Aber gerade deshalb ist die Fockestraße ein ganz schlechtes Beispiel mit einem großflächig schlechten und rutschigen Pflaster. Es ergibt keinen Sinn, ausgerechnet die Straßen mit dem schlechtesten Pflaster zu Fahrradstraßen zu machen. Oft fahren viele Radfahrende genau da lang, weil es keine Ausweichstrecke gibt.

Die Daten aus dem Projekt MOVEBIS sollen nun helfen, Leipzigs Fahrradinfrastruktur in den kommenden Monaten und Jahren zu perfektionieren, betont der Ökolöwe und sammelt jetzt die Eindrücke der Radfahrer/-innen zu den Karten. „Die Daten helfen auch uns Ökolöwen dabei, unsere Handlungsempfehlungen an die Stadtverwaltung und die Politik auf eine fundierte Datengrundlage zu stellen.“

Und auch fürs Stadtradeln 2021 will der Ökolöwe versuchen, wieder Teil von MOVEBIS zu werden, um den Datensatz mithilfe der vielen tausend Stadtradler/-innen kontinuierlich weiter zu verbessern.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

 

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 3 Kommentare

„Deshalb brauchen wir in Leipzig ein lückenloses Netz von guten und sicheren Radwegen auf allen Hauptstraßen.“
Wieso? Die Straßen sind die besten “Radwege”. Es muss nur sichergestellt werden, dass sie von den Radfahrern auch sicher und bequem genutzt werden können. Dazu müssen die Prioritäten weg von klima- und umweltschädlichen Fahrzeugen hin zu klima- und umweltfreundlichen Fahrzeugen gelenkt werden:
1. Tempo 30 in der Stadt
2. Ampelschaltung für Fahrräder optimieren
3. Im Innenstadtbereich nur noch kostenpflichtige Parkplätze (unterirdisch), überall sonst Anwohnerparken
4. Wo immer möglich (reine) Fahrradstraßen
5. etc. pp.

Hauptstraßen haben auch oft einen besseren Zustand. Die Nebenstraßen haben teilweise Schlaglöcher jenseits von gut und böse, irgendwann werde ich komplett in so einem Schlagloch verschwinden. Übles Kopfsteinpflaster, wie es in vielen Nebenstraßen noch zu finden ist, ist auch unangenehm für einen Radfahrer. Viele kennen solche “Abkürzungen” unter Umständen sehr wohl und meiden sie vielleicht gerade deshalb.

Hauptstraßen sind nicht die direktesten Verbindungen, es gibt vielfach kürzere Verbindungen über Nebenstraßen. Hauptstraßen werden genutzt, weil diese Verbindungen gut bekannt sind. Und vor allem, weil man dort Vorfahrt hat. Darin unterscheiden sich Radfahrer nicht von anderen Fahrzeugführern.
Der große Vorteil von straßenunabhängigen Verbindungen ist, dass man über längere Strecken ohne Anhalten an Kreuzungen fahren kann.
Man könnte aus den dargestellten Daten (K.-Kollwitz-Str. deutlich stärker genutzt als Jahnallee) übrigens auch schließen, dass ein relevanter Teil der Radfahrenden Verbindungen mit wenig Radverkehrsanlagen BEVORZUGT. Leider war im Zeitraum der Datenerhebung nicht alleine die Kreuzung am Brühl, sondern zeitweise auch noch der Waldplatz gesperrt. Das hat natürlich einige Verkehrsströme verschoben, so dass man abwarten muss, wie es im nächsten Jahr aussieht.
Aber man sollte diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen!

Schreiben Sie einen Kommentar