Ob das so auf alle Haushalte zutrifft, ist eher fraglich. Aber einige Haushalte sind in den Corona-Lockdowns regelrecht zum Sparen gezwungen worden, weil es keine Möglichkeit gab, das Geld auszugeben. Ein europaweites Phänomen, wie das IWH in Halle jetzt feststellt.

Während der Coronakrise haben europäische Haushalte so viel Geld zurückgelegt wie noch nie. Eine Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) führt dieses Sparverhalten hauptsächlich auf ein eingeschränktes Angebot infolge staatlicher Lockdown-Maßnahmen und nicht auf andere Faktoren wie ökonomische Unsicherheit zurück. IWH-Präsident Reint Gropp sieht daher Potenzial für eine rasche Wiederbelebung des Konsums und somit eine zügige wirtschaftliche Erholung, sobald der Lockdown aufgehoben wird.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind die Ersparnisse der Europäer auf ein Rekordniveau gestiegen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ging in einer Studie drei möglichen Ursachen für dieses Sparverhalten nach und fand heraus: Private Haushalte legen ihr Geld vor allem deshalb auf die hohe Kante, weil es kaum Konsummöglichkeiten gibt. Lockdown-Maßnahmen wie Reisebeschränkungen, geschlossene Restaurants, Kinos oder Theater sowie fehlende Einkaufsmöglichkeiten im Einzelhandel treiben die Sparquoten der Verbraucher in die Höhe.

Hingegen haben erhöhte Unsicherheiten, beispielsweise die Angst, arbeitslos zu werden oder die Sorge, sich mit dem SARS-CoV-2-Erreger zu infizieren, lediglich einen schwachen Einfluss auf die Höhe der Ersparnisse. Gar keinen Effekt auf die Sparquote können IWH-Präsident Reint Gropp und Koautor William McShane nachweisen für Befürchtungen der Verbraucher, der historische Anstieg der Staatsschulden könnte Steuererhöhungen zur Folge haben, für die Geld zur Seite gelegt werden müsse.

Optimistische Prognose für das Ende des Lockdowns

Die Beweggründe der privaten Haushalte, die eigenen Ersparnisse in der Coronakrise zu erhöhen, geben Aufschluss darüber, wie und wann mit einer Rückkehr der Gesamtnachfrage auf das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie und folglich mit einer wirtschaftlichen Erholung zu rechnen ist, was wiederum tiefgreifende Auswirkungen auf die Regierungspolitik hat.

Für die beobachteten Studienergebnisse bedeutet das: Sobald die privaten Haushalte nach der Lockerung der Maßnahmen im Frühjahr/Sommer 2021 wieder in der Lage sein werden Geld auszugeben, wird die angestaute Verbrauchernachfrage zu einer Erholung des Konsums führen. Davon werden vor allem die besonders schwer getroffenen Branchen wie der Einzelhandel, die Gastronomie, Veranstalter oder der Tourismus profitieren.

Möglicherweise könnte die Nachfrage vorübergehend auf ein Niveau klettern, das die Vorkrisenzahlen sogar übertrifft, so das IWH.

Denn da ist auch noch der Faktor Psychologie.

Denn anders sähe es aus, wenn die Haushalte ihre Nachfrage aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten zurückgefahren und vorsorglich finanzielle Rücklagen gebildet hätten. Für diesen Fall würde sich der Konsum im Jahr 2021 nur sehr langsam erholen. Auch die Furcht vor Steuererhöhungen infolge schuldenfinanzierter Rettungspakete würde den Konsum erst dann wiederbeleben und die privaten Ersparnisse abschmelzen lassen, wenn die Regierungen ihre Schuldenstände sichtbar reduzierten. In beiden Fällen dauerte der Weg aus der Rezession erheblich länger, so das IWH.

„Unsere Ergebnisse lassen eine optimistische Prognose für die wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise zu, zumindest dann, wenn der Lockdown bald endet und nicht verschärft wird“, sagt Gropp. Das Impfen eines hinreichenden Teils der Bevölkerung könne hingegen eine rasche Lockerung der Maßnahmen bewirken und so den Konsum wieder ankurbeln.

Nur: Wie lange wird das Impfen dauern? Noch läuft die Impfung der impfbereiten Bevölkerung ja sehr zurückhaltend an.

Und dazu kommt: Nicht alle Haushalte konnten in der Corona-Zeit sparen. Mehr Geld zurücklegen konnten nur jene, die vorher schon überdurchschnittlich verdient haben und auch überdurchschnittlich konsumiert haben.

„Die Haushalte werden im Durchschnitt mit mehr Vermögen aus der Krise hervorgehen, als sie zu Beginn der Krise hatten. Das werten wir als gutes Zeichen dafür, dass die Konsumenten ihr Vertrauen zurückgewinnen. Auf lange Sicht dürfte sich das positiv auf die Finanzstabilität im Allgemeinen auswirken“, so die Studienautoren.

Befürchtungen, erhöhte Ausgaben könnten zu einem starken Anstieg der Inflation führen, teilen die IWH-Finanzmarktforscher nicht. Eine unmittelbarere Bedrohung gehe momentan eher von einer Deflation aus, die die privaten Haushalte zusätzlich von Ausgaben abhalten könnte. Angesichts der aktuellen Beschränkungen habe die Fiskal- und Geldpolitik wenig Spielraum, eine erhöhte Nachfrage zu generieren.

Für ihre Untersuchung kombinierten die IWH-Wissenschaftler mehrere Datensätze. Die Stichprobe umfasst alle Länder des Euroraums mit mehr als einer Million Einwohner. Der beobachtete Zeitraum erstreckt sich von Januar 2019 bis August 2020. Informationen über die monatlichen Spareinlagen der privaten Haushalte sowie Daten zur Gesamtverschuldung der Staaten lieferte das Statistical Data Warehouse der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die Lockdown-Maßnahmen der Länder entstammen dem Oxford COVID-19 Government Response Tracker (OxCGRT) und die Arbeitslosigkeitserwartungen der Haushalte dem Fragebogen der Verbraucherumfrage der Europäischen Kommission. Daten zum zweiten Lockdown seit November 2020 liegen noch nicht vor und gingen somit nicht in die Analyse sein.

Veröffentlichung: Reint E. Gropp, William McShane: Why Are Households Saving so much During the Corona Recession? IWH Policy Notes 1/2021. Halle (Saale) 2021.

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