Wenn etwas knapp wird, ist das in der Regel der Moment, in dem die Anbieter einer knappen Ware versuchen, ihre Preise drastisch zu erhöhen. Das trifft auch auf eng gewordene Wohnungsmärkte wie den in Leipzig zu. Eigentlich sollen das Mietspiegel und Kappungsgrenzen verhindern. Aber einige Vermieter scheint das nicht zu interessieren. Sie satteln ordentlich drauf bei der Miete. Über 200 Verdachtsfälle auf Mietwucher gibt es jetzt in Leipzig, ergab eine Stadtratsanfrage der Linksfraktion.
Seit November 2024 können Mieterinnen und Mieter mehrerer Städte, in Sachsen derzeit nur in Leipzig, über eine App der Linken im Bundestag ihre Miete auf Überhöhung überprüfen. Die Meldungen gehen auf Wunsch an das zuständige kommunale Amt, das Ermittlungen anstellen und eventuell ein Bußgeldverfahren einleiten muss. Zudem können Mieten gesenkt und zurückgefordert werden.
Mit der Linke-App wird die Dimension der Überhöhungen sichtbar. In Leipzig gab es seit Ende 2024 269 Verdachtsanzeigen. Das ergab eine Stadtratsanfrage der Linksfraktion. Die Spanne betrug zwischen 20,19 und 652,10 Prozent. Überhöhte Mieten sind Ordnungswidrigkeiten, wenn sie mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Das Wirtschaftsstrafgesetz sieht dafür ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro vor. Ab 50 Prozent gilt es als strafbewehrter Mietwucher.
Noch fehlen die Erfahrungswerte
Für die Kommunen, bei deren Sozial- oder Wohnungsämtern die Ahndung der Anzeigen liegt, ist ein effektives Vorgehen auch durch die komplizierte Gesetzeslage erschwert. Weshalb das Leipziger Sozialamt noch nach einem Weg sucht, wie es mit den Verdachtanzeigen umgehen kann.
In der Antwort des Sozialamtes auf die Linke-Anfrage heißt es dazu: „Die Meldungen auf mögliche Mietpreisüberhöhung bzw. möglichen Mietwucher gehen im Sozialamt, im Sachgebiet Wohnraumversorgung ein. Das Sozialamt führt die Sachverhaltsermittlung als Grundlage für das Ordnungswidrigkeits- bzw. Strafverfahren, durch. Das Ergebnis wird anschließend der Bußgeldbehörde vorgelegt.
Welchen Zeitumfang die Sachverhaltsermittlung und das darauffolgende Bußgeldverfahren oder Strafverfahren beanspruchen, ist noch nicht bekannt. Es liegen noch keine Erfahrungswerte vor.
Das Sachgebiet Wohnraumversorgung und die Bußgeldbehörde sind im intensiven Austausch, um ein geeignetes Verfahren zu etablieren.“
Aber man nehme das Thema ernst, betont das Sozialamt: „Die Anzahl der Anzeigen zeigt die Bedeutung des Themas für die Leipziger/-innen. Erst nach der Bearbeitung der Verdachtsanzeigen können grundsätzliche Ableitungen getroffen werden.“
Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware geworden
„Mietpreisüberhöhungen treffen die Menschen in den Ballungsräumen Sachsens, so in Leipzig, besonders hart. Die Belastung steigt besonders bei einkommensschwachen Haushalten unaufhörlich“, erklärt dazu Juliane Nagel, die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat.
„Es gibt kaum Möglichkeiten, eine Wohnung, von einer bezahlbaren nicht zu reden, zu finden. So sind die Wohnungssuchenden bei überhöhten Mieten leicht erpressbar. Wir fordern vom Freistaat Sachsen mit einer Bundesratsinitiative für eine Vereinfachung der Rechtslage einzutreten und so den Kommunen die Ahndung von Mietpreisüberhöhungen zu erleichtern. Vorbild dafür kann der seit gut zwei Jahren vorliegende Gesetzentwurf des Bundesrates sein.“
„Die im Sozialamt eingehenden Informationen sind als Meldung auf den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat zu werten“, erklärt das Sozialamt. Betont aber auch, dass bisher „weder die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens, noch die Abgabe an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung einer Straftat“ erfolgte.
Wenn es zu einem geregelten Verfahren bei Mietwucher kommen sollte, dürfte das für die entsprechenden Vermieter recht teuer werden, so Juliane Nagel: Laut Wirtschaftsstrafgesetz muss bei „unangemessen hohen Entgelte(n)“ das Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen belegt werden.
In der Bundesratsinitiative geht es um die Streichung des Tatbestands der „Ausnutzung“ und damit die Vereinfachung des Nachweises der Überhöhung. Zudem soll der Bußgeldrahmen auf 100.000 Euro erhöht werden.
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