Vielleicht eignet sich das Mini-Buchformat aus dem Buchverlag für die Frau genau für solche Erinnerungen geradezu ideal. Denn berühmte Menschen, an die sich Menschen aus ihrem Umfeld intensiv erinnern, gibt es viele. Viel mehr, als dann tatsächlich eine dicke Biografie bekommen. Und selbst dann tauchen nicht immer auch jene Menschen darin auf, die einen Star wie Hildegard Knef (1925–2002) in ihrem Berufsleben begleitet haben. So wie der Visagist René Koch.

Im Dezember wäre die beliebte Schauspielerin und Sängerin 100 Jahre alt geworden. Richtig berühmt wurde sie mit dem 1951 in die Kinos gekommenen Film „Die Sünderin“, die die ganze prüde und piefige alte Bundesrepublik auf die Barrikaden brachte.

Was dem Erfolg des Films beim Publikum keinen Abbruch tat. Die alte Bundesrepublik war genauso zwiespältig und zerrissen wie die neue, in der wir leben. Aber genau dieser Film markiert die Entwicklung der Knef zum Star. Nur dass sie ihre Karriere an diesem Punkt lieber in den USA fortsetzte. Wo sie in erfolgreichen Hollywood-Streifen auftrat und sogar eine Hauptrolle am Broadway bekam.

Mit Liedern wie „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ sang sie sich in die Herzen ihrer Zuhörer. Leicht ironisch, so wie eigentlich alle ihre großen Lieder, die Bücher, die sie schrieb und auch viele ihrer Filmrollen. Zwar in Ulm geboren, blieb sie eigentlich – trotz dutzender Wohnortwechsel – immer eine Berlinerin im Herzen. Mit dem von ihr immer wieder gern gesungenen „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ sang sie eigentlich das Lied ihres Lebens. Denn nach Berlin kehrte sie immer wieder zurück.

Alles oder nichts

Und René Koch erzählt in diesem Erinnerungsbuch, warum sie so eine beeindruckende Frau war. Denn beim Styling vor dem Spiegel kommt man ja ins Gespräch. Das braucht Vertrauen. Und etliche Briefe erzählen auch von der Vertrautheit der berühmten Schauspielerin mit ihrem Visagisten. Da wurde natürlich über das Leben geplaudert, ihre Filme, ihre Lieder. „Einmal habe ich sie gefragt, wie sie denn beim Chanson ‘Für mich soll’s rote Rosen regnen’ auf die Strophe ‘Ich will alles oder nichts’ gekommen sei“, schreibt Koch. „’Alles’, sagte sie, ‘ist etwas Ganzes. Nichts ist auch etwas Ganzes. Das Dazwischen ist nur etwas Halbes.“

Das kann man eine Lebenseinstellung nennen. Und irgendwie hat sie ja genau das gelebt, Halbes nie ausgehalten. Und damit ihr Publikum beeindruckt. Denn sie lebte es ja auf der Bühne vor. Und war damit auch immer ein Gegenbild zu einer Gesellschaft, die sich im Halben immer am liebsten eingerichtet hat. Denn dazu braucht es Mut, das Ganze zu wollen. Auf der Bühne und im Leben. Denn dazu ist man dann – wie es auch Hildegard Knef passierte – nicht immer marktkompatibel, erlebt Höhen und Tiefen.

Und steht auch mit über 50 wieder auf, um mit Chansons auf Tournee zu gehen, wie es Hildegard Knef tat. Und so schreibt René Koch nicht nur von ihren doppelten Wimpern, die ihr Markenzeichen wurden, von ihrem Berliner Humor und der Liebe zu Puder und Lippenstift, sondern auch von der Buchautorin und Malerin. Denn auch das war sie. Erfolgreich, weil es in ihr lag, weil der Mut zum Ganzen eben auch Grundlage jeden mutigen Erzählens ist – im Buch und im Gemälde. Ein Hund namens Hilde kommt natürlich auch vor. Und auch Kochs Lippenstiftmuseum in Berlin, in dem auch Hildes Kleider zu sehen sind.

Und selbst nach ihrem Tod feiert sie Triumphe – ob nun mit dem Film „Hilde“, in dem Heike Makatsch sie verkörperte. Oder mit ihren großen Songs, die re-mastered neu erscheinen oder von Bands und Sängerinnen neu eingesungen werden. Eben weil die ganze Ironie, die sie in die Zeilen getextet hat, auch heute noch funktioniert. Sie hatte Ausstrahlung. Und war damit immer unverwechselbar. „Wir sprachen auch über ihre Narben auf der Haut und auf der Seele“, schreibt Koch.

„Längst ist sie zur Legende geworden.“ Das muss eine erst mal schaffen. Das braucht eine Menge Mumm, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Mit Kochs kleinem Büchlein kommt man der Berühmten ein wenig näher, spürt ein wenig, wie sie war, wenn sie sich vor den Spiegel setzte und sich in das Bild verwandeln ließ, das ihr Markenzeichen geworden ist.

René Koch „Meine Freundin Hildegard Knef“ Buchverlag für die Frau, Leipzig 2025, 6 Euro.

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