Alles in unserer Welt ist endlich. Und es ist gut, sich dieser Endlichkeit immer wieder bewusst zu werden. Denn sie gibt allem, was vor dem Ende passiert, erst einen Wert und einen Sinn. Das Magazin für Endlichkeitskultur „Drunter + Drüber“ sammelt mit jedem neuen Heft weitere Aspekte dieser Endlichkeit, der wir uns oft erst bewusst werden, wenn die Dinge vor unsere Augen verschwinden. „Klimaangst“ ist eine neue, aber ganz reale Angst, die immer mehr Menschen bedrückt.

Einerseits als ganz reale Angst vor den Folgen eines immer mehr aus den Fugen geratenden Klimas mit Dürren, Hitzewellen, Tornados oder massiven Überschwemmungen. Andererseits aber auch als Trauer um eine Welt, die es so schon bald nicht mehr geben wird.

Unsere Welt. Die Welt, in der wir zu Menschen geworden sind, in der wir unsere Nische gefunden haben, in der wir unsere Zivilisationen geschaffen haben – und sämtliche Mittel, genau diese Welt gründlich zu zerstören.

Die gute Nachricht, die in den Texten dieser neuen Ausgabe von „Drunter + Drüber“ aufscheint, ist: Der Natur ist das alles egal. Sie wird auch dann noch da sein, wenn der Mensch seine Existenz auf diesem einzigartigen Planeten beendet hat, sich quasi selbst aus dem Rennen katapultiert hat, weil er schlichtweg zu doof ist, seine eigenen Lebensgrundlagen zu erhalten.

Es geht auch ohne Krone der Schöpfung

Dann machen eben die Einzeller weiter. Oder die Moose, die Algen oder – wie seit Urzeiten – die Cyanobakterien. Sie werden über den Untergang der Menschheit zwar keine Dramen schreiben und keine Blockbuster drehen.

Es wird ihnen so herzlich egal sein, wie ihnen auch dieser eingebildete Affe egal ist, der gerade die Meere zur Müllhalde gemacht hat, die Wälder zerstört und sich benimmt, als wäre er für die einzig existierende Erde nicht die Bohne verantwortlich.

Natürlich kann man das einschränken, denn einige Menschen empfinden die Verluste natürlich als genau das. Nicht nur die Jugendlichen von „Fridays for Future“. Und ihre Trauer mischt sich mit Wut und Verzweiflung. Denn die Alten und Reichen und Lernunfähigen, die für den ganzen Schlamassel verantwortlich sind, sehen gar nicht ein, warum sie auf ihr weltzerstörerisches Verhalten verzichten sollten.

Sie sind zum Egoismus erzogen, fahren die Ellenbogen raus und fordern gleich noch härtere Strafen – für junge Leute, die den Autoverkehr in ihren autogerechten Großstädten mal für ein halbes Stündchen aufhalten.

Als könnten sie in ihren Köpfen nicht zusammen bekommen, dass die abgebrannten Wälder im Harz oder in der Sächsischen Schweiz genauso Ergebnis ihres zerstörerischen Lebensstils sind wie die abgeholzten Wälder am Amazonas, die brechenden Gletscher in den Alpen, die Hochwasser in Australien usw. Man muss das nicht alles aufzählen. Es ist längst genug.

Und es macht zunehmend mehr Menschen depressiv, mutlos und verzweifelt. Jüngere stärker als Ältere. Denn die sie wissen, dass das, was jetzt die Nachrichten beschäftigt, erst der Anfang ist, dass es bis zur Jahrhundertmitte noch viel schlimmer kommen wird, denn die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre steigt weiter an.

Das Verbrennen fossiler Brennstoffe hat überhaupt nicht aufgehört. Volle 50 Jahre seit dem Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ sind letztlich ungenutzt verstrichen.

Die UN-Klimakonferenzen enden mit immer schöneren Versprechen. Und ändern doch nichts.

Zurück in den Kreislauf des Lebens

Natürlich weckt das nicht nur massive Gefühle der Trauer. Auch um eine einmalig schöne Welt, die vor unseren Augen in eine Wüste verwandelt wird. Es weckt auch das Bedürfnis vieler Menschen, dann wenigstens als einzelner Mensch möglichst keine zusätzliche Belastung für die Erde und das Klima zu sein.

Sei es mit einem wirklich nachhaltigen Lebensstil (was eben nichts mit den tausendfältigen Missbrauch des Wortes „Nachhaltigkeit“ im Greenwashing etlicher Konzerne zu tun haben darf), sei es mit Überlegungen zu einer Beerdigung, die eben nicht wieder zu einer Belastung für Atmosphäre und Boden wird.

Ein Thema für etliche Bestattungsinstitute, die sich in der Zeitschrift auch zu Wort melden und den überraschten Lesern erst einmal erzählen, dass auch das Sterben heute in Deutschland ganz und gar nicht klimaneutral ist. Ökologisch in der Regel auch nicht.

Jede Beerdigung hinterlässt einen mehr oder weniger großen CO₂-Fußabdruck. Und Schadstoffe, die mit dem Toten in die Erde gelangen, ohne dass sich wirklich alle Friedhofsverwaltungen Gedanken darüber machen.

Obwohl die meisten Friedhofssatzungen durchaus klimafreundlich sind – auch wenn das meist gar kein Aspekt war, als die Friedhofssatzungen entstanden. Da ging es eher um eine durchdachte gärtnerische Gestaltung der Friedhöfe als Ort der Trauer mit Bäumen und Grabbewuchs. Und um eine gewisse Einheitlichkeit der Gräber.

Doch manche Zeitgenossen behandeln heute auch Gräber wie ihre Vorgärten: schottern sie zu, lassen Kies draufkippen und jede Menge Stein verbauen. Doch die Grabsteine kommen in der Regel nicht aus dem Steinbruch in der Nähe, sondern werden heute zu einem Großteil aus Indien importiert.

Schon das ein regelrechter Narrenstreich in Sachen Ökologie. Dass meist auch noch Kinderarbeit dabei eine Rolle spielt, macht die Sache noch schlimmer.

Wie sieht ein würdevolles Ende aus?

Man ahnt schon, dass immer mehr Bestatter so nicht mehr arbeiten wollen und versuchen, auch die Beerdigung klima- und umweltfreundlicher zu machen. Auch die Kremation, die heute in Ostdeutschland längst die Hauptbestattungsart ist.

Mit dem nächsten Hinkefuß, der verblüfft, denn die meisten Urnen sind überhaupt nicht in der Erde abbaubar. Sie stehen mit der Asche dann zwar 20 Jahre in der Erde. Aber die Asche hat sich nicht im Erdboden verteilt, sondern müsste dann eigentlich als Sondermüll entsorgt werden.

Auf einmal tauchen mitten in den ganzen praktischen Regularien der Beerdigung zutiefst moralische Fragen auf. Und Dinge, die immer mehr Menschen so nicht wollen. Manchmal laufen sie dann einem Trend hinterher, der ihnen doch noch eine irgendwie erdverträgliche Beerdigung verheißt – so wie die Beerdigung in einem Friedwald. Aber auch diese Art der Bestattung kommt im Urteil der Fachleute nicht gut weg.

Es werden auch einige andere Varianten beschrieben, wie andere Völker mit ihren Toten umgehen. Aber manches wirkt mit unserem europäischen Denken über einen würdevollen Tod nicht wirklich vereinbar.

Man merkt aber auch, dass selbst die heute üblichen Bestattungsformen eine starke Verbesserung zum Ökologischen vertragen. Auch Bestatter lernen ja dazu.

Und auch Hinterbliebene verstehen in der Regel sehr gut, warum ein schwerer lackierter Eichensarg aus vier Zentimeter dicken Brettern wahrscheinlich das Gegenteil einer umweltfreundlichen Bestattung ist, während ein einfacher, unlackierter Sarg aus Kiefernholz den Prozessen der Vergänglichkeit im Boden viel zuträglicher ist.

Zeit zum Umdenken

Es ist längst Zeit, dass Bestattungsinstitute derart umdenken. Die Zeiten der Gedankenlosigkeit sind vorbei. Eher ist es Zeit, die Friedhöfe nicht nur als Orte der Ruhe in der Stadt wiederzuentdecken und zu bewahren, sondern sie auch als Orte biologischer Vielfalt zu sehen und als kleine oder große grüne Lungen in der gestressten Stadt.

Etwas, was Frank Pasic ja sogar mit dem Friedgarten Mitteldeutschland zu einer kleinen Attraktion gemacht hat. Skulpturen aus Beton zeigen dort ganz normale Menschen beim Besuch auf dem Friedhof. Doch sie sind so liebevoll gestaltet, dass Besucher aus nah und fern extra in den Friedgarten kommen, um sich mit den Skulpturen zu fotografieren.

Obwohl diese ja nur ganz gewöhnliche Menschen zeigen, wie man sie auf dem Friedhof tatsächlich trifft: nachdenklich, trauernd, ihren Schmerz verarbeitend.

Denn natürlich sind es ja trotzdem Orte, an denen uns immer bewusst wird, dass wir im Leben immer auch geliebte Menschen verlieren. Meist plötzlich und unerwartet, auch wenn das lange, absehbare Sterben, das manche Alten erwischt, auch nicht die schönste Alternative ist.

Und wir können hier fühlen, dass wir als Menschen eins sind mit dieser Natur, die uns am Ende wieder aufnimmt. Dass wir nie aufgehört haben, Teil der lebendigen Welt zu sein, auch wenn uns überall eingeredet wird, wir seien etwas Anderes und hätten mit dem Lebendigen um uns herum nichts (mehr) zu tun.

Da genügt dann ein kleines Virus aus einer Fledermauspopulation in Südchina …

Zum Beispiel.

Und zur Wahrheit gehört auch, dass auch Musiker diese Trauer schon lange kennen. Auch die um eine Welt, die von den Orks unter uns behandelt wird wie eine Müllkippe. Die Hinweise auf den reichen Musikkanon, der sich mit der Trauer um eine zerstörte Welt beschäftigt, findet sich natürlich auch im Heft.

Am Ende bleibt das Gefühl, dass es gar nicht so falsch ist, sich als Mensch zu sorgen und viel mehr Sorgsamkeit walten zu lassen bei allem, was wir tun. Denn es unsere Welt, die da vor die Hunde geht. Und es ist unerhört, dass sich Menschen das Recht herausnehmen, diese Welt zu zerstören.

Wir alle müssen sorgsam werden. Auch am Ende, wenn es darum geht, wieder einzugehen in den Kreislauf des Lebens. Ohne Plastik, Bombast und Steinen aus Kinderarbeit. Eigentlich ist es machbar.

Es ist machbar.

Es sind nicht die Weltuntergänge, die faszinieren. Sondern es ist die Welt, wie sie ist. Und deren Verlust zumindest die Fühlenden unter uns alle spüren. Als Besorgnis, Trauer und Wut.

Frank Pasic (Hrsg.) „Drunter + Drüber. Umwelt und Tod“, Funus Stiftung, Kabelsketal 2022, 11 Euro.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar