Dass Geschichte völlig anders verlaufen wäre, wenn Frauen nicht auch immerfort fleißig mit zugepackt, eingegriffen und Männern den Rücken freigehalten hätten, hat sich ja als Erkenntnis auch in der Geschichtsschreibung ein bisschen durchgesetzt. Aber sichtbar wird es noch viel zu selten. Seit 2015 gibt es deshalb das Projekt „Frauen machen Geschichte – Leipziger Frauenporträts“ auf leipzig.de. Die Zahl der dort gewürdigten Frauen hat sich jetzt verdoppelt.

200 Porträts von historischen Leipziger Frauen sind jetzt unter leipzig.de/frauen online abrufbar. Das ist eine Verdoppelung seit 2015, als das Projekt „Frauen machen Geschichte – Leipziger Frauenporträts“ gestartet ist, teilt das Referat für Gleichstellung von Frau und Mann mit.„Frauen machen Geschichte – Leipziger Frauenporträts“ ist ein öffentlich zugängliches digitales Kompendium. Es gibt Auskunft über die Leistungen und Lebenswege von historischen Leipzigerinnen unterschiedlicher Herkunft, Profession und Epoche und will zu einer weiteren Beschäftigung mit Frauengeschichte(n) in Leipzig anregen. Die Porträts reichen vom 15. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit und ermöglichen eine Entdeckungsreise durch die Geschichte Leipzigs, die Wiege der Frauenbewegung.

2015, im 1000. Jahr der Ersterwähnung Leipzigs, gingen 100 Leipziger Frauenporträts auf der Homepage der Stadt Leipzig online. Das Referat für Gleichstellung von Frau und Mann wollte damit gemeinsam mit der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft zeigen, wie Frauen die Geschichte von Leipzig geschrieben haben und mit welchen Lebensleistungen sie in der Stadt und weit darüber hinaus wegweisend gewesen sind.

Die Gleichstellungsbeauftragte Genka Lapön erinnert sich an die Anfänge: „Vor dem Projektstart wurde ich oft gefragt, ob überhaupt 100 Frauenpersönlichkeiten in Leipzig gelebt haben. Denn die Geschichte haben meist Männer geschrieben und haben über Machtmenschen – meist auch Männer – Chroniken und Bücher verfasst und Denkmale gesetzt. Mit dem Online-Projekt möchten wir über den Beitrag von Frauen für die Stadtgesellschaft berichten und den Blick auf die Vergangenheit erweitern. So lassen sich gesellschaftliche Klischees und Normen der Gegenwart besser einordnen.“

Die Frauen sichtbar machen

Schon seit 2013 arbeiten über 50 Autorinnen und Autoren daran, über das Leben und Wirken von Frauen in Leipzig zu recherchieren und die Ergebnisse unter „Frauen machen Geschichte – Leipziger Frauenporträts“ zu veröffentlichen. Koordiniert wird das Projekt von Gerlinde Kämmerer von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. Die Stadt Leipzig begleitet es und sorgt für die technische Umsetzung. Das Projekt wird auch in den nächsten Jahren fortgesetzt. Jährlich kommen weitere Darstellungen historischer Leipzigerinnen hinzu.

Und wer die Seite aufruft, merkt sofort, um welche Dimension es geht – denn gleich begrüßen einen Gerda Taro und Lene Voigt, Caroline Neuber und Käthchen Schönkopf, Cécile Mendelssohn Bartholdy und Louise Otto-Peters, Clara Schumann und Auguste Schmidt.

Und vor allem: jede Menge Frauen berühmter Männer wie Johanna Caroline Julie Bebel oder Ida Laube. Man findet auch Robert Blums Tochter Ida, die sich als Pädagogin einen Namen machte, oder Fanny Goetz, Tochter von Ferdinand Goetz, die sich für das Frauenturnen starkmachte.

Elsa Asenijeff und Ethel Smyth dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Man kann die Frauen nach ihren Tätigkeitsbereichen auswählen, bekommt aber jedes Mal eine lange Liste angezeigt, die dann zeitlich sortiert ist. Manche Frauen tauchen in verschiedenen Bereichen auf. Aber es fällt eben auch auf, dass sie jahrhundertelang von den zentralen Entscheidungsgebieten, wo Männer Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft betrieben, ausgeschlossen waren. Sodass es so aussieht, als hätten sie in der Geschichte eigentlich keine wichtige Rolle gespielt.

Aber hätte Erich Zeigner ohne seine Frau Annemarie überhaupt so lange durchgehalten? Und dass Anton Kippenberg seinen Verlag nicht ohne seine Katharina zu der Insel gemacht hätte, der er war, ist ja von Sabine Knopf in „Die Herrin der Insel“ schon sehr gründlich aufgearbeitet worden.

Im Grunde zeigt die Website tatsächlich erst die Anfänge einer Aufarbeitung der weiblichen Seite der Leipziger Geschichte. Und auch nur jenen Teil, der schriftlich überliefert ist. Und verschriftlicht wurde über Jahrhundert fast nur, was wichtige Männer zustande brachten. Oder auch vermurksten. Man wird, wenn man sich durch die Einträge blättert, so manche Frau finden, die man bisher noch nicht kannte. Auch manche, die man zutiefst vermisst, weil sie eben noch zu Leipzig gehörte, als wäre Leipzig ohne sie gar nicht denkbar.

Ist es auch nicht.

Die Seite „Frauen machen Geschichte – Leipziger Frauenporträts“ findet man hier.

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