Für den Ankläger war es eine Gewaltorgie, bei der es um Erniedrigung und Macht ging: Nach einem blutigen Verbrechen an einem älteren Mann in Leutzsch forderte die Staatsanwaltschaft am Landgericht ein hartes Strafmaß für den Angeklagten, einen zuletzt wohnungslosen Tätowierer und Pornodarsteller, der außerdem versucht haben soll, eine Bekannte zu vergewaltigen. Der 30-Jährige sieht die Dinge weiterhin ganz anders.

Es sei ein Sachverhalt, „der, wenn man von außen draufschaut, schwer nachzuvollziehen ist“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob in seinem Abschlussvortrag am Donnerstag vor dem Landgericht Leipzig. Er hielt die Vorwürfe gegen Christian F. für vollumfänglich erwiesen und forderte 13 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung für den 30-Jährigen, unter anderem wegen versuchten Mordes, versuchter schwerer Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung.

Mehrere Gewalttaten in Leutzsch angeklagt

Aus Sicht des Anklägers hatte sich im seit März laufenden Strafprozess vor dem Landgericht Leipzig bestätigt, dass Christian F. am 1. September 2022 seinen Kumpel Manfred K. (64, Name geändert) in dessen eigener Wohnung in der Georg-Schwarz-Straße unter anderem mit einer Bierflasche traktiert, ihn geschlagen und mit einem Messer auf ihn eingestochen hatte, weil der ihm keine Zigaretten aushändigen konnte oder wollte.

Das alles sei im vollen Bewusstsein passiert, dass Manfred K. ohne Weiteres hätte sterben können. Christian F. habe aus niedrigsten Beweggründen so gehandelt: „Es ging ihm in dem Moment darum, Gewalt um ihrer selbst willen auszuüben, um zu zeigen, dass man ihm nicht widerspricht und ein Stück weit zu erniedrigen“, zeigte sich Jakob überzeugt.

Manfred K. wurde nach dem Gewaltexzess hilflos und blutend auf seiner Couch zurückgelassen, er überlebte am Ende nur knapp. An die Tat selbst hat der 64-Jährige inzwischen keine Erinnerung mehr. Wenig später, am 1. September 2022 gegen 23.30 Uhr, soll Christian F. zudem versucht haben, seine Freundin Janina M. (32, Name geändert) in der Nähe des Leutzscher Rathauses zum Oralverkehr zu zwingen. Ein zufällig vorbeifahrender Streifenwagen der Polizei stoppte und konnte offenbar Schlimmeres verhindern, Christian F. wurde überwältigt und festgenommen. Dabei soll er die Polizisten massiv beleidigt, sie und ihre Familien mit dem Tode bedroht haben.

Auch dies ist Teil der gerichtlichen Anklage gegen Christian F., neben Flaschenwürfen an den Leutzsch-Arkaden kurz zuvor und Würge-Attacken gegen Janina M., die bei ihr bis zur Bewusstlosigkeit führten. Beide kannten sich seit Anfang 2022 aus einem Hamburger Obdachlosenasyl.

Verteidigung plädiert auf milderes Strafmaß

Oberstaatsanwalt Jakob stufte den massiv vorbestraften Christian F. als Mensch ein, „der äußerst gewaltbereit und gefährlich“ sei. Wenn es nicht nach seinem Willen gehe, reagiere der 30-Jährige aggressiv und alles andere sei ihm egal, beschrieb der Anklagevertreter den Verdächtigen, dem der forensische Gutachter eine dissoziale Persönlichkeitsstörung attestiert hatte. Psychisch krank sei Christian F. jedoch nicht. Zum Schutz der Allgemeinheit sei nach Verbüßung von 13 Jahren Haft eine Sicherungsverwahrung nötig, sodass der Verurteilte auch dann nicht auf freien Fuß käme.

Wie Manfred K. zugerichtet wurde, sei schrecklich, räumte auch Verteidigerin Pamela Pabst ein, rechtlich jedoch sei das Handeln von Christian F. als gefährliche Körperverletzung zu werten, da er von einem Tötungsversuch Abstand genommen habe. Die Anwältin plädierte auf fünf bis sechs Jahre Haft, zudem müsse ihr Mandant Hilfe durch einen Alkoholentzug bekommen. Bei der Frage der Sicherungsverwahrung für ihren an Mukoviszidose erkrankten Klienten äußerte sie sich zurückhaltend.

Angeklagter gilt auch in Haft als gefährlich

Skeptisch war dagegen Oberstaatsanwalt Jakob über die Erfolgsaussichten eines möglichen Maßregelvollzugs. Anhaltspunkte für eine alkoholbedingt verminderte Steuerungsfähigkeit bei Christian F., die der Gutachter nicht ausschließen wollte, sah der Ankläger nicht. Erst bei günstigerer Prognose könnte eventuell später über Maßregeln entschieden werden. Derzeit aber gilt Christian F. auch in der JVA Leipzig als schwieriger Gefangener. Weihnachten 2022 griff er in der Untersuchungshaft aus nichtigem Grund eine Krankenschwester an. Aktuell gelten gegen ihn nach einem neuerlichen Vorfall verschärfte Sicherheitsbestimmungen, am Donnerstag musste er im Gerichtssaal Fußfesseln tragen.

In seinem längeren Schlusswort wies Christian F. die massiven Vorwürfe, wie schon im Prozess, großteils zurück und kritisierte unter anderem die Ermittlungsarbeit. Janina M. habe ihn fälschlich bezichtigt, in Leutzsch auf Manfred K. eingestochen zu haben, dies stimme nicht.

Am morgigen Freitagmorgen will das Schwurgericht sein Urteil verkünden.

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