Kurz, wohl aber nicht schmerzlos: Am Freitagabend rückte die Polizei nach Connewitz aus. Am Herderpark hatte sich gegen 21 Uhr ein Demonstrationszug in Bewegung gesetzt. Etwa eine Stunde lang lieferten sich Demonstrant/-innen und Polizist/-innen ein Katz- und Maus-Spiel, für kurze Zeit erhellte immer wieder Pyrotechnik den Stadtteil. Mehrere Fahrzeuge, die Fassade der Polizeiwache in der Wiedebachstraße sowie ein Haltestellenhäuschen wurden beschädigt.

Es waren die Nachwehen der Geschehnisse im Leipziger Osten vom Donnerstag und ein Zwischenspiel für den heutigen Samstagabend. Am Donnerstag, 3. September, hatte einen Tag nach der Räumung des (ehemals) besetzten Hauses in der Ludwigstraße eine Demonstration stattgefunden. Während mehrere Böller gezündet wurden, sollen Personen versucht haben, sich erneut Zutritt in die leerstehende LuWi71 zu verschaffen. Es kam zu Unruhen, nachdem die Polizei die Aktion auflösen wollte. Bis in die Nacht dauerte der Einsatz, in dessen Zuge eine brennende Barrikade an der Ludwigstraße errichtet und mehrere Personen festgenommen wurden.

Ein Gespräch zwischen den Besetzer/- innen und dem mutmaßlichen Eigentümer Udo H. des Hauses war während der zehntägigen Besetzung nicht zustande gekommen. Dies hatte H. zunächst angekündigt, dann aber doch abgesagt.

Dass das Thema mit der „TagXpluseins“-Demonstration nicht vom Tisch sein würde, wurde nun am Freitag den 4. September dann bewiesen. Am Nachmittag besetzten mehrere Personen ein leerstehendes Haus in der Bornaischen Straße. Dieses wurde Stunden später durch die Polizei geräumt.

Demo am 4. September 2020 in Leipzig Connewitz

 Video: L-IZ.de

Gegen 21 Uhr dann verkündeten die Beamten den Einsatz in der Wolfgang-Heinze-Straße. Ein Versammlungsleiter für die Demonstration fand sich nicht, 13 Minuten nach Beginn wurde die Aktion als unfriedlich eingestuft. Gemeint damit waren brennende Barrikaden sowie fliegende Böller und Steine. Auch dieses Mal sollen Personen während der Unruhen versucht haben, erneut in das noch Stunden zuvor besetzte Gebäude einzudringen.

Die Geschosse und die „massive Bedrängung“ macht laut Polizei auch den „Einsatz der Mehrzweckpistole als Hilfsmittel des unmittelbaren Zwangs erforderlich.“ Auch sollen sie den Beamten nach verantwortlich gewesen sein für einen Auffahrunfall zwischen zwei Einsatzwagen.

Acht Polizist/-innen wurden leicht verletzt, sechs Einsatzfahrzeuge beschädigt.

„Die Häuser denen, die drin wohnen“?

Es geht um Solidarität, es geht um das Recht auf Wohnen, es geht um die Spekulation mit Immobilien. Während der Wohnraum in Leipzig immer knapper wird, befinden sich etliche Häuser im sanierungsbedürftigen Zustand und stehen leer. Der Anreiz, die Verkaufspreise für Immobilien über Jahre hübsch wachsen zu lassen, um dann mit dem Weiterverkauf eines Objekts Profit zu machen, scheint groß.

Im Falle der LuWI71 sollen dies bereits 20 Jahre gewesen sein. Eine Zeit, in der der Eigentümer des Hauses immer wieder wechselte, jedoch keine Mieter/-innen das Gebäude bezogen. Die Besetzung dieser Häuser ist verboten, lenkt den Fokus jedoch auf das Problem. Durch die Wohnungsknappheit steigen die Mietkosten, die sich weniger Gutbetuchte einfach nicht mehr leisten können. Sie werden aus ihren Wohnvierteln verdrängt, die soziale Vielfalt in den Quartieren nimmt zunehmend ab.

„Wenn also Baustellen angegriffen werden, neue Häuser mit Farbe beschmiert werden, dann sehen wir darin nicht das Werk von gelangweilten Chaot/-innen, sondern ein letztes verzweifeltes Aufbäumen all derjenigen, die sich nicht kampflos aus ihrem Kiez verdrängen lassen wollen. Denn dieser Staat schützt nicht uns Menschen, sondern den Profit“, heißt es in einem Blog-Eintrag von fightforyourfuturele.

Auch am heutigen Samstag ist eine Demonstration angemeldet. Unter dem Motto „Kämpfe verbinden – für eine solidarische Nachbarschaft“ startetet die Veranstaltung um 20 Uhr am Hildebrandplatz. Zuvor, ab 17 Uhr beginnt die Party „20 Jahre linxxnet“. Auch die Polizei hat nunmehr die Schlagzahl erhöht. In Kürze soll es ein Pressegespräch mit der Polizeiführung geben.

Es könnte eine weitere heiße Nacht in Leipzig werden.

Zum Livebericht vom 5. September 2020 auf L-IZ.de

Ludwigstraße 71: Eine Demo nach der Besetzung + Videos

Ludwigstraße 71: Eine Demo nach der Besetzung + Videos

Ludwigstraße 71: Räumung am Morgen, eine Demo und unbeantwortete Fragen

Ludwigstraße 71: Räumung am Morgen, eine Demo und unbeantwortete Fragen

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