Der Begriff des Sündenbocks wird umgangssprachlich oft und gern verwendet, wo kommt der aber her? Er ist tatsächlich biblisch und dort gibt es sogar zwei Sündenböcke. Im Alten Testament, genauer gesagt im 3. Buch Mose (Levitikus), Kapitel 16, wird beschrieben, wie der Hohepriester am Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungstag, symbolisch die Sünden des Volkes Israel auf zwei Böcke übertrug. Einer dieser Böcke wurde anschließend in die Wüste gejagt, um die Sünden des Volkes wegzutragen. Der andere war das Brandopfer.

Der erstere, der in die Wüste getrieben wird, steht heute metaphorisch dafür, dass Fehler und Mängel auf eine Person oder Gruppe von Personen abgewälzt werden. Den zweiten Bock könnte man dann als Eskalation betrachten. Seit der Niederschrift des Alten Testaments hat sich da nicht viel geändert, sieht man vom religiösen Hintergrund ab.

Im aktuellen Wahlkampf zur Bundestagswahl sucht sich jede Partei ihre Sündenböcke. Mal, wie bei Markus Söder, sind es die Grünen, fast schon parteienübergreifend sind es Menschen, die Bürgergeld beziehen, zumindest eine scheinbar sehr große Gruppe, die das System ausnutzen. Ebenfalls die Migrantinnen und Migranten werden gern und oft als Sündenböcke benutzt, neuerdings besonders die ohne festen Arbeitsplatz.

Auch die Ukraine dient für einige Parteien als Sündenbock. Hätten die sich ergeben, dann müsste man ja nicht über Waffenlieferungen und Verteidigungsausgaben reden und könnte weiter russisches Gas und Öl verfeuern.

Die Forderung, den Sündenbock in die Wüste zu treiben, gilt hierbei wörtlich genommen für die geflüchteten Menschen. Die wollen einige Politikerinnen und Politiker, im wahrsten Sinne des Wortes, in Gebiete zurückschicken, in denen sie vielleicht nicht überleben.

Metaphorisch wird es, wenn die Grünen in die politische Einöde geschickt werden sollen. Die kann man ja nicht abschieben, man kann aber dazu aufrufen, ihnen politischen Einfluss durch die Wahlentscheidung zu nehmen.

Bei den „faulen Bürgergeldempfängern“ schwankt es zwischen wörtlich und metaphorisch. Nach Meinung einiger politischen Akteure sollen nicht nur diese, sondern auch arbeitende Menschen, die sich die hohen Mieten in den urbanen Zentren nicht mehr leisten können, doch in ländliche Gebiete mit niedrigeren Mietpreisen ziehen. Dazu dient beispielsweise der Vorschlag, die Mietkostenübernahme zu deckeln.

Das sind einige Beispiele für die politischen Antworten nach dem Sündenbock-Prinzip. Was sind die gesellschaftlichen Fragen, die einer Antwort bedürfen?

Beginnen wir mit der Wirtschaft, da gibt es großen Handlungsbedarf.

Das Zugpferd der deutschen Wirtschaft, die Automobilindustrie, hat bekanntermaßen Probleme, und zwar Absatzprobleme. Woran liegt das? Sie ist bekanntermaßen eine Exportindustrie, der größte Teil des Problems liegt am einbrechenden Auslandsabsatz. Welche Produkte lassen sich international am besten absetzen? Das sind dann wohl qualitativ hochwertige und innovative Produkte zu günstigen, besser gesagt angemessenen, Preisen.

Die Argumentation von Akteuren in Politik und Wirtschaft, die Probleme betreffend, konzentriert sich auf den Preis. Der Preis ist zu hoch, weil die Löhne und Steuern zu hoch sind und die Energie und Rohstoffe zu teuer sind.

Da haben wir die Gewerkschaften, die um höhere Löhne kämpfen, und die Grünen, die die Energiewende vorantreiben, als Sündenböcke identifiziert. Wir müssen nicht über Managementversagen, fehlenden Innovationswillen und ähnliches reden. Einfache Antwort gefunden – so geht Wahlkampf.

Bei den Staatsfinanzen ist es ähnlich. Ja, es gibt einen hohen Anteil der Sozialausgaben im Staatshaushalt, aber was ist mit den Einnahmen? Deutschland hat 1997 die Vermögenssteuer ausgesetzt. Nimmt man hier nur die Entwicklung der Anzahl der Milliardäre in Deutschland, dann war das fatal. 2001 gab es 69 Milliardäre, bis 2024 stieg die Anzahl auf 249, das ist ein Anstieg auf das 3,6fache.

Da wäre mit einer Vermögenssteuer einiges an Staatseinnahmen möglich und es beträfe nicht den Eigenheimbesitzer oder Handwerksmeister. Die einfache Antwort: „Die Ausgaben für das Bürgergeld und Asylbewerberleistungen sind viel zu hoch“ zeigt auf die falschen Sündenböcke.

Genug der Beispiele, diese ließen sich fortsetzen.

Fazit: Der Sündenbock als einfache Antwort auf komplexe wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen ist eine untaugliche, ja fatale Antwort. Je mehr diese Gruppen als Ursache und der Kampf gegen sie als Lösung proklamiert werden, umso stärker werden populistische Ränder im politischen Spektrum.

Wir brauchen keine immer neuen Sündenböcke, sondern Lösungen. Rein biblisch gesehen half die Vertreibung und Opferung der Sündenböcke dem jüdischen Volk auch nichts.

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Es gibt 5 Kommentare

So einfach und banal ist das hier. Man verwurstet all seine Vorurteile und Feindbilder in einer völlig undifferenzierten Ansammlung schwarz/weißer Apologien, kaschiert es mit einem teuflisch aussehenden Baphomet und glaubt wirklich , dass der Leser dem Einfachen meinungslos folgt.

@Lutz 70 Die Zahl ist von statista.com, dort heißt es: “Die Zahl der Milliardäre in Deutschland steigt seit Jahren an. Zum 13. September 2024 gab es in Deutschland laut Vermögens-Schätzungen des Manager-Magazins 249 Milliardäre (inklusive Großfamilien). Hier sehen Sie, wer zu den reichsten deutschen Familien zählt.” Die Seite ist auch im Text verlinkt.

Wie der Autor auf 249 Milliardäre kommt muss er mal erklären. Die ARD gab die Anzahl heute mit 130 an…

P.S. Und wer sagt mir denn, dass die Artikel hier nicht auf von ChatGPT geschrieben werden, wenn ihr euch schon so großzügig an von der Allgemeinheit gestohlenen Bildern (that’s what ChatGPT is about) bedient? Ihr zerstört mit solchem Firlefanz das Vertrauen der Lesenden, die an Inhalten interessiert sind.

@Thomas Köhler: Zum Thema “AI-Grafiken in der LIZ” möchte ich bemerken, dass es ein Medium weniger gibt, das ich lesen muss, wenn mir diese umwelt- und phantasiezerstörerische Augenkrätze hier öfter in die Augen gestreut wird.

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