Eigentlich haben die drei Dürresommer 2018 bis 2020 klargemacht, dass Leipzig Abschied nehmen muss von seinen alten Plänen zur Gewässerregulierung, dass neue Kanäle schlicht kontraproduktiv sind und das Wasser wieder da fließen muss, wo es der Auwald braucht. Doch noch hält Leipzigs Umweltverwaltung an Dinosaurier-Projekten wie der Alten Elster und dem freigebaggerten Elsterbecken fest. Ein Thema, das jetzt der Ökolöwe aufgreift.

Gerade das Elsterbecken hat ein schwerwiegendes Problem: Es ist bis zum Rand mit Schlamm gefüllt. Denn schon bei der Konstruktion dieses künstlichen Bauwerkes wurde ein folgenschwerer Fehler begangen, stellt der Ökolöwe fest. Die Wasserfläche wurde unnatürlich breit angelegt.Dadurch fließt das Wasser im Elsterbecken nur sehr langsam, zu langsam: Mit dem Wasser der Weißen Elster stürzen die mitgebrachten Sedimente aus dem Oberlauf des Flusses in das Elsterbecken und bleiben dort liegen. Es kommt zur starken Sedimentation.

Das sind die ganzen Sandbänke, die man auch über der Wasseroberfläche sieht und denen die Landestalsperrenverwaltung regelmäßig mit Baggern zu Leibe rückt. Über die vergangenen Jahrzehnte haben sich so mehr als 800.000 Tonnen Schlamm, Sand und Kies abgesetzt – und jedes Jahr kommen etwa 20.000 Tonnen dazu. Die Folge: Das Elsterbecken muss regelmäßig mit einem Spezialschiff ausgebaggert werden.

Ausbaggerung des Elsterbeckens im Januar 2018. Foto: L-IZ.de
Ausbaggerung des Elsterbeckens im Januar 2018. Foto: L-IZ.de

„Der Konstruktionsfehler von damals macht das 400.000 Quadratmeter große Elsterbecken zu Leipzigs größter Schlammgrube, mit kaum einem Nutzen – weder für die Leipziger/-innen, noch für die Natur“, sagt Jeremias Kempt, umweltpolitischer Sprecher des Ökolöwen. Damit sich das ändert, fordert der Umweltschutzverein. Motto: „Elsterbecken zum Leben erwecken!“

In Zeiten von Artensterben und Klimakrise brauche Leipzig solche Visionen. „Wir Ökolöwen stellen uns ganz konkret vor, wie das Elsterbecken nach einer Renaturierung aussehen könnte: mit mehr Lebensraum für Tiere (wie den Biber und den Flussregenpfeifer) und neuen Grünflächen für die Stadt und die Menschen“, so Kempt weiter.

Durch eine Renaturierung könnte ein geschwungener Fluss mit Inseln, Sandbänken und Wiesen entstehen. So würde eine Flusslandschaft an dieser Stelle auch natürlicherweise aussehen. Aber auch die Leipziger/-innen würden von dieser Renaturierung profitieren. Es entstehen freie Flächen, die als Wasserspielplatz, Volleyballstrand oder Liegewiesen direkt am Wasser genutzt werden können.

So könnte das Elsterbecken wieder zu einem natürlichen Fluss werden. Visualisierung: Ökolöwe
So könnte das Elsterbecken wieder zu einem natürlichen Fluss werden. Visualisierung: Ökolöwe

Ein natürlicher Fluss im Becken ist außerdem wichtig, um den nördlichen Auwald mit Wasser zu versorgen. Leipzigs grünes Wahrzeichen leidet extrem unter den Folgen der Klimakrise: Leipzigs „Grüne Lunge“ hat seit Jahren mit schweren Dürren zu kämpfen. Das Ökosystem steht schon jetzt an seiner Belastungsgrenze. Die Renaturierung des Elsterbeckens ist ein wichtiger Baustein, um den Auwald in Leipzig zu retten. Und sie muss zwangsläufig auch im Auenentwicklungskonzept auftauchen, das Ende 2022 / Anfang 2023 vorgelegt werden soll.

Den Fluss wieder zum Fließen bringen

Dazu muss sich die Steuerung des Gewässerknotens ändern: Der Wasserpegel im Elsterbecken muss abgesenkt werden, das Wasser verstärkt in die Nahle gelenkt werden und die Neue Luppe möglichst in ihrer Rolle als schneller Wasserableiter reduziert werden. Die Sohle der Flüsse in der Nordwestaue muss angehoben werden. Erst dann entsteht auch wieder ein naturnahes Flussregime.

Die bisher abgelagerten Sedimente im Elsterbecken (die außerdem hochgradig belastet sind) kann man dann liegen lasen und muss sie nicht – wie vom Umweltdezernat noch immer beabsichtigt – für enorme Millionensummen abbaggern und entsorgen. Im Gegenteil: Sie ergeben neuen Grund für Uferbewuchs, während die Fließrinne, die es jetzt schon im Elsterbecken gibt, deutlich höhere Fließgeschwindigkeiten bekommt, sodass auch eingespülte Sedimente mit fortgetragen werden.

Der Fehler von 2004 im Jahr 2012 wiederholt

Die Verwaltung hingegen hat andere Pläne: Das Elsterbecken soll sogar von den Flüssen abgeschnitten und zu einem riesigen Tümpel umgebaut werden. So steht es im Integrierten Gewässerkonzept von 2004. Und so hat es der Leipziger Stadtrat sogar 2012 noch wider besseres Wissen bestätigt. Er hat damals der Verwaltungsvereinbarung des Umweltdezernats mit der Landestalsperrenverwaltung zugestimmt.

Und das bedeutet: „Die Vereinbarung beinhaltet die Überleitung der Parthe über die Weiße Elster zur Neuen Luppe (beides Gewässer 1. Ordnung), die Offenlegung des alten Elsterbettes zur Rückverlegung der Weißen Elster (1. Ordnung) sowie die Beräumung und Profilierung des Elsterbeckens im wasserwirtschaftlich zwingend notwendigen Umfang für den künftigen Betrieb als Gewässer im Nebenschluss.“

Die „Offenlegung des alten Elsterbettes“ meint den Neubau der Alten Elster als kanalisierte Direktverbindung vom Stadthafen Richtung Rosental westlich vom Waldstraßenviertel. Ein Plan, der bislang jede vernünftige Entwicklung im östlichen Sportforum be- und verhindert.

Und selbst wenn dieser unter 60 Millionen Euro nicht zu bauende Kanal niemals gebaut wird, weil er nun einmal das dringend benötigte Wasser für die Nordwestaue abführt, fungiert der 2025 endgültig wieder geöffnete Elstermühlgraben nach Ansicht der Landesdirektion Sachsen als neue Fortsetzung der Weißen Elster.

Denn dann wird der Großteil des Wassers aus der Weißen Elster ebenfalls am Palmgartenwehr vorbei in den Elstermühlgraben geführt, der dann eine deutlich höhere Fließgeschwindigkeit bekommt und die Sedimente der Weißen Elster mitnimmt. Auch so wird das Elsterbecken weitgehend abgeklemmt und das dringend benötigte Wasser samt den Sedimenten landet wieder nicht im Gebiet der Luppe, wo es eigentlich gebraucht wird, damit der Auwald wieder lebt.

Das hätte schlimme Folgen für den Auwald und wäre eine verpasste Chance für eine grüne Stadtentwicklung in Leipzig, findet der Ökolöwe. „Wir Ökolöwen fordern, dass die Stadt Leipzig zusammen mit dem Land Sachsen ihre alten Pläne stoppt!“, so Kempt.

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Es gibt 7 Kommentare

Danke Ellen, genau das war er.

Die giftigen Sedimente verstehe ich als Altlast der DDR.
Gibt’s da keine Institution, die dafür aufkommen müsste?

@Christian
“Zwei Meter hoch lagern im Becken insgesamt 800.000 Tonnen Sedimente, die sich seit den 1920er Jahren abgelagert haben. Und zwar gefährliche Sedimente. Deswegen entzündete sich ja um das Jahr 2005 der Streit um das Vorhaben der LTV, diese Sedimente abzubaggern. Schon beim ersten Aufwühlen dieser Schlammschicht meldeten die Behörden der Stadt Halle massiv erhöhte Schwermetallbelastungen im Wasser der Saale. Sie stammten genau aus diesen Sedimenten.”
Dazu kommen bei stehendem, flachem Wasser z.B. Blaualgen.
Der sehr ausführliche Artikel dazu, ist dieser:
https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2018/11/Was-macht-der-Fluss-im-Elsterbecken-245474

Anderes Problem von Flüssen sind die eingespülten Schadstoffe aus der Landwirtschaft (und z.B. Gummi von Autoreifen..).
Der Artikel:
l-iz .de/politik/leipzig/2020/07/Sie-werden-noch-ewig-nicht-in-Leipziger-Fluessen-bedenkenlos-baden-koennen-340924

Vor längerer Zeit schon las ich einmal hier in der LIZ einen Beitrag zu dieser Idee.
Da ging es schon damals um den “Wasserklau” durch die sinnlos kanalisierte und evtl. vom Land bezahlte Hochwasserelster in der F.-Ebert-Straße.
Allerdings erinnere ich mich auch, einen dreistelligen Millionenbetrag gelesen zu haben, da im Flutbett vor allem nur Sondermüll in Schlammform liegt.
Will der Ökolöwe da “Gras drüber wachsen lassen” oder das Flussbett darüber bauen?

@M. Freitag: Es ist überhaupt nicht schlimm, viele Mitglieder zu haben, im Gegenteil. Und tatsächlich, vor einigen Jahren hatte der Ökolöwe noch eine gewisse Streitkraft, zwar bereits damals wenig gegen die Satdt, aber immerhin haben sie noch versucht , gegen den Tornadoerlass (Deichrodungen) zu klagen, leider mit bösen handwerklichen Fehlern. Ich wäre damals fast mal eingetreten. Aber seitdem, null Streitbarkeit mehr, nur noch ein Schmusekurs mit der Stadtverwaltung, ein bißchen populistisch aufgeblasene Kritik am Verlust des Stadtgrüns, aber immer ganz klar zeigend, dass sie niemals auch nur im entferntesten klagen könnten, und dann natürlich v.a. fungieren sie leztendlich als zweite Öffentlichkeitsabteilung des städtischen Forstamtes, haben sogar eine eigene mit dem Forstamt abgestimmte Anlage im Forstwirtschaftsplan bekommen, sprechen sich weiter für ein “Weiter So” im Auwald aus; sorry, Sie mögen das ja gerne so gut finden, für mich ist es so, dass sie eigentlich der Satzung eines Naturschutzverbandes nicht mehr entsprechen und sich heftig am greenwashing beteiligen. Mit Unsinn meinte ich übrigens auch diese Mäanderlinie (die LIZ berichtetete) im südlichen Auwald mit Radfahrer und Fußgänger, sorry für mich zeigt sich so nur, dass sie von den spezifischen auenökologischen Verhältnissen dort keinerlei Ahnung haben, oder einfach etwas populistisches malen, um als die Retter des Auwaldes zu erscheinen, die sie aber definitiv nicht sind. Das ist zumindest meine Sicht dieser Dinge, und seien Sie gewiss, ich kenne mich fachlich sehr gut aus! Gerne können Sie eine andere Meinung vertreten.

@Robin W.: Der Ökolöwe erfüllt als eine nahezu einzigartige Einrichtung im Osten genau diese Aufgabe seit seiner Gründung vor über 30 Jahren: Umweltthemen popularisieren, vorantreiben, um Mehrheiten kämpfen. Je mehr Mitglieder, um so unabhängiger sein Handeln und größer die Kraft: Was sollte daran schlimm sein?

Dies ist eine Forderung, die seit vielen Jahren – auch von tatsächlich fachkundigen Ökologen und Experten – immer wieder erhoben wurde. Mir ist schon desöfteren aufgefallen, dass der Ökolöwe sehr gerne Planungen anderer aufgreift und zumindest suggeriert, als sei der Ökolöwe der Initiator oder als sei dieser Vorschlag neu. Aber seis drum, natürlich ist diese Forderung völlig berechtigt, die Planungen der Stadt aus dem Elsterbecken eine Sportstätte zu machen katastrophal, und vielleicht braucht der Ökolöwe mehr Mitglieder, die er so zu gewinnen gedenkt. Immerhin ist es nicht ein solcher Unsinn, wie man ihn regelmäßig vom Ökolöwen zum Thema Wald zu lesen bekommt…

Aberaberaber, wer denkt jetzt an die Motorbootfahrer?! Bei diesem Ökoquatsch kommen die doch kaum durch. Es muss für alle Menschen ein lebenswertes Stadtleben ermöglicht werden, auch für Motorbootfahrer, sind ja auch Menschen. Deshalb setzten sich OBM und Stadtverwaltung so dafür ein, und der Stadtrat hat doch zugestimmt. Weshalb jetzt diese Unruhe!!!!!1!!1!

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