Ein Arbeitsmarkt mit absolutem Nachwuchsproblem hat auch eine gute Seite: Gerade in den Branchen, in denen Fachkräftemangel, herrscht, können in Sachsen endlich spürbar steigende Gehälter durchgesetzt werden. Darüber staunte am 31. März sogar das Statistische Landesamt, das ein „deutliches Plus bei den Pro-Kopf-Verdiensten der Arbeitnehmer/-innen mit Arbeitsort in Sachsen 2021“ bilanzieren konnte.

Was natürlich nicht heißt, dass das auf alle Branchen zutrifft. Und auch nicht, dass das Westniveau bei Gehalt schon in Sichtweite wäre.

33.613 Euro und damit rund 1.173 Euro bzw. 3,6 Prozent mehr als im Vorjahr verdienten Arbeitnehmer/-innen im Durchschnitt 2021 in Sachsen brutto, also vor Abzug der Lohnsteuer und Sozialbeiträge (Deutschland +3,5 Prozent). Der sächsische Durchschnittsverdienst entsprach damit aktuell knapp 88 Prozent des gesamtdeutschen Wertes.

Nachdem die Arbeitnehmer/-innen im Verarbeitenden Gewerbe 2020 in der Corona-Pandemie vor allem aufgrund von Kurzarbeit die größten Verdienstverluste hinnehmen mussten, gab es hier 2021 den stärksten Zuwachs. Der Pro-Kopf-Verdienst stieg um 1.978 Euro bzw. 5,6 Prozent auf 37.274 Euro und prägte die Entwicklung im gesamten Produzierenden Gewerbe.

Im Baugewerbe fiel der Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je Person mit 1.387 Euro oder 4,2 Prozent (34.403 Euro) etwas geringer aus. Innerhalb des Dienstleistungssektors verzeichnete der Pro-Kopf-Wert im Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister den größten Zuwachs und stieg um 1.533 Euro oder 5,1 Prozent auf 31.706 Euro.

Die Bruttogehälter nach Bundesländern 2021 im Vergleich. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt
Die Bruttogehälter nach Bundesländern 2021 im Vergleich. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt

Im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit legten die Verdienste um 588 Euro je Person bzw. 1,7 Prozent zu (35.516 Euro).

Den Spitzenverdienst in Sachsen erzielte man auch 2021 mit 37.961 Euro pro Kopf im Produzierenden Gewerbe ohne Baugewerbe.

In anderen Branchen liegt das Verdienstniveau noch deutlich darunter.

So erhöhte sich der Pro-Kopf-Verdienst im Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation, der sich im Vorjahr verringerte, aktuell um 1.132 Euro bzw. 4,1 Prozent (28.923 Euro).

Die besondere Rolle der Landwirtschaft

Die niedrigsten Verdienste wurden nahezu unverändert in der Land- und Forstwirtschaft erreicht. Mit 21.625 Euro gerade einmal 0,8 Prozent über dem Vorjahreswert. Gerade der Ukraine-Krieg zeigt, was für eine fatale Entwicklung auf dem Nahrungsmittelmarkt vonstattenging.

Dass so viele Landwirte in industriellen Maßstäben wirtschaften müssen (Masse statt Klasse), hat mit den niedrigen Abnahmepreisen der großen Einzelhandelskonzerne zu tun, die ihre Produkte nach wie vor versuchen, möglichst „billig“ zu verkaufen und den Landwirten damit auch die Spielräume nehmen, ihre Betriebe auf eine umweltfreundliche Produktionsweise umzustellen.

Und während die Profiteure der industriellen Landwirtschaft den Krieg in der Ukraine wieder als Argument benutzen, die Entwicklung hin zu einer klima- und umweltfreundlichen Landwirtschaft ausbremsen zu wollen, ist im Zeichen der Versorgungsautonomie gerade das Gegenteil notwendig: weg von der enormen Abhängigkeit von einem Weltmarkt, auf dem Nahrungsmittel den Launen von Markt und Kriegen unterworfen sind, hin zu einer robusten und zukunftsfähigen Landwirtschaft.

Um dazu die Worte von Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther zu zitieren: „Es darf jetzt keine Rolle rückwärts geben. Eine Rolle rückwärts wäre schädlich und gefährlich. Hunger bekämpfen wir nicht, indem wir ökologische Ruhezonen und Puffer für Artenvielfalt für den Anbau freigeben. Erstens haben wir kein Mengenproblem. Sondern Hunger entsteht durch fehlende Kaufkraft und dysfunktionale Märkte. Dort muss unser Handeln ansetzen. Zweitens lägen die zusätzlichen Produktionskapazitäten, wenn Stilllegungsflächen bebaut würden, im Zehntel-Prozent-Bereich. Der Schaden für Umwelt und Artenvielfalt wäre hingegen enorm“, sagte er am 1. April nach der Frühjahrskonferenz der Agrarministerinnen und -minister von Bund und Ländern.

„Wenn wir unsere Böden übernutzen, wenn wir Klimakrise und Artensterben nicht stoppen, riskieren wir Ertragsausfälle und die Sicherheit der Lebensmittelversorgung weit in die Zukunft. Es ist schädlich und gefährlich, den Krieg in der Ukraine zum Vorwand zu nehmen, wichtige Trendwenden für Artenvielfalt, Umwelt und Klimaschutz zurückzudrehen.“

Die Rolle der Metropolen

2021 wurden Bruttolöhne und -gehälter in Höhe von 62,7 Milliarden Euro an die Arbeitnehmer/-innen in Sachsen gezahlt, vier Prozent der gesamtdeutschen Bruttolöhne und -gehälter. In Sachsen stieg diese Summe gegenüber 2020 genau wie in Deutschland um 3,8 Prozent.

Mit dem Schnitt von 33.613 Euro lagen die sächsischen Bruttoverdienste auf Rang 12 unter allen Bundesländern – vor den anderen vier Flächenländern des Ostens und inzwischen auch vor Schleswig-Holstein, aber auch deutlich hinter Berlin, das mit 41.082 Euro inzwischen auf Rang 3 liegt – hinter Hamburg und Hessen – und das längst zum wirtschaftlichen Motor im Osten geworden ist, vergleichbar Städten wie Leipzig und Dresden, nur eine ganze Nummer größer. Es sind längst die großen Metropolen, die das wirtschaftliche Tempo vorgeben und wo die besser bezahlten attraktiven Arbeitsplätze entstehen.

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