Im Bundestag bahnt sich eine historische Entscheidung an. Am Freitag wird das Parlament über einen Gesetzentwurf des Bundesrats zur Öffnung der „Ehe für alle“ abstimmen. Bisher hatte sich die Union mit Händen und Füßen gegen die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften gewehrt. L-IZ.de hat sich bei den Leipziger Bundestagsabgeordneten umgehört, wie sie abstimmen werden.

Am Ende mussten sich CDU und CSU dem Druck der übrigen großen Parteien beugen. SPD, Grüne und Linke setzten kurzfristig im Rechtsausschuss des Bundestags durch, dass die Eheöffnung am Freitag auf die Tagesordnung gelangt. Kanzlerin Angela Merkel war am Montag von ihrem klaren Nein abgerückt und sprach öffentlich von einer Gewissensentscheidung. Die SPD forderte daraufhin eine Abstimmung noch in dieser Woche.

Zuvor hatten Grüne und SPD die Ehe für alle zur unabdingbaren Voraussetzung für einen Koalitionsvertrag nach der Bundestagswahl im September erklärt. Doch erstmals scheint ihnen nun aufgefallen zu sein, dass sie bereits jetzt eigentlich eine knappe Mehrheit im Bundestag innehaben. Die FDP, seit Jahrzehnten favorisierter Koalitionspartner der Union, tritt ebenfalls für die absolute Gleichstellung ein, ist jedoch derzeit nicht im Bundestag vertreten.

Die jetzigen Abgeordneten der Regierungskoalition sind am Freitag nur ihrem Gewissen unterworfen. Eine Mehrheit zugunsten der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare mit der Ehe gilt als sicher, da Grüne und Linke ebenfalls die absolute Gleichstellung fordern.

Monika Lazar ist 1967 in Leipzig geboren und gelernte Bäckerin & Betriebswirtin. Seit 2004 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Foto: B90/Die Grünen
Monika Lazar (Grüne) wird für die Homo-Ehe stimmen. Foto: B90/Die Grünen

Unter den Leipziger Abgeordneten ist das Thema umstritten. Monika Lazar (Grüne) wird am Freitag für die Eheöffnung votieren. „Wir freuen uns sehr, dass wir diesen Erfolg, den wir auch dem jahrelangen Engagement von Volker Beck verdanken, noch in dieser Woche verabschieden“, sagte die Politikerin gegenüber L-IZ.de. „Liebende sollen heiraten können, es ist genug ‚Ehe für alle‘ da.“ Die Grünen sind bekanntlich an vorderster Front, wenn es um die Frage der Ehe für alle geht – die Fraktion dürfte geschlossen mit Ja stimmen.

Daniela Kolbe (SPD). Foto: L-IZ.de
Daniela Kolbe (SPD). Foto: L-IZ.de

Etwas durchwachsener sieht es bei der SPD aus, wenn auch mit einem klaren Hang zum Ja. Daniela Kolbe (SPD) unterstützt ebenfalls die Gleichstellung homosexueller Paare. „Es wird Zeit!“, postete die Generalsekretärin der sächsischen SPD am Mittwoch auf ihrem Facebook-Profil. Am Freitag wird sie für den Gesetzentwurf stimmen. „Aus voller Überzeugung“, ließ sie auf Nachfrage mitteilen.

Allgemein wird erwartet, dass nach dem „Affront“ der SPD gegenüber dem Koalitionspartner CDU natürlich auch der überwiegende Teil der Bundestagsabgeordneten dieser Partei die Haltung der Leipzigerin teilen und mit Ja stimmen werden.

Bettina Kudla (CDU) polterte auf Twitter gegen die Homo-Ehe. Foto: L-IZ.de
Bettina Kudla (CDU) polterte auf Twitter gegen die Homo-Ehe. Foto: L-IZ.de

Bettina Kudla (CDU) wird voraussichtlich gegen die Homo-Ehe stimmen. Auf Twitter äußerte sich die umstrittene Politikerin abträglich über das Gesetzesvorhaben: „Forderung der #SPD nach ‚Ehe für alle‘: Nur eine dekadente Gesellschaft hebt die natürlichen Unterschiede zwischen #Mann und #Frau auf!“

Die 54-Jährige, die dem kommenden Bundestag nicht mehr angehören wird, erntete die Wortmeldung prompt einen Shitstorm. Keine unbekannte Situation für sie, selbst die eigene Partei sah sich bei der Kandidatennominierung für den kommenden Bundestag außerstande, ihr erneut das Vertrauen zu schenken.

Dr. Thomas Feist (CDU) argumentiert juristisch gegen die Ehe für alle. Foto: L-IZ.de
Dr. Thomas Feist (CDU) argumentiert juristisch gegen die Ehe für alle. Foto: L-IZ.de

Ihr Fraktionskollege Thomas Feist (CDU) äußerte sich wie auch Bettina Kudla gegenüber L-IZ.de bis Donnerstagmittag nicht zu dem Thema. In der Öffentlichkeit hielt sich der 52-Jährige zu dem Thema bisher bedeckt. Im Jahr 2015 vom Studentenradio mephisto 97.6 auf das Thema angesprochen, äußerte sich der Politiker mit Blick auf die seinerzeit geänderte Rechtslage in den Vereinigten Staaten ausweichend.

„Wenn ich von der Entscheidung des Supreme Court ausgehe, sagt man, es entstehe eine neue Sachlage und man müsse in Deutschland darauf reagieren. Ich finde es deshalb schief, weil niemand darüber diskutiert, welche Gesetze und Reglungen man von den USA dann auch noch übernimmt. Ich finde das ein wenig rausgepickt. Die Verfassungslagen sind in jedem Land unterschiedlich, und niemand würde hier diskutieren, ob wir allen Menschen erlauben Waffen zu tragen, wie es in der USA-Verfassung steht.“

Vor fünf Jahren stimmte Feist gegen einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Allerdings blieb dem Leipziger seinerzeit schon aus Gründen der Fraktionsdisziplin faktisch keine andere Wahl. Nun ist die Situation eine andere, er ist persönlich gefragt. Deshalb meldete sich heute Thomas Feist mit einer Pressemeldung unter der Überschrift „Nein zur Ehe für alle“ neben dem Hinweis darauf, dass der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht entschieden haben, dass die Ehe für alle kein Menschenrecht sei, wie folgt zu Wort.

„Seit 2011 sind sukzessive bis auf das Adoptionsrecht und die Benennung der Institutionen sämtliche Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft beseitigt worden. Die jetzige Diskussion um eine „Liebe erster oder zweiter Klasse“ führt in die Irre – weil der Argumentationsrahmen moralischer und nicht rechtlicher Natur ist. Zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft gibt es Unterschiede, die nicht wegzudiskutieren sind. Ein Wesensmerkmal der Ehe ist die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten.“

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Laut Feist habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes dieses Strukturmerkmal der Ehe ausdrücklich bestätigt: „Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist.“

Dem derzeitigen Koalitionspartner SPD wirft Feist zudem Wortbruch und die politische Instrumentalisierung des Themas vor. „Die politische Instrumentalisierung dieses Themas zeigt aber auch, dass die SPD jenseits aller Beteuerungen die Chance rot-rot-grüner Bündnisse im Bund ergreifen wird, sollte sich diese Gelegenheit ergeben.“

Nimmt man neben den Wahlkampfthemen allerdings eben jene juristische Argumentation ernst, wäre also für Gegner der „Ehe für alle“ der Weg zum Bundesverfassungsgericht der nächste Gang, wenn am Freitag die Abstimmung positiv für den Antrag ausfallen sollte. Anders wäre die Argumentation letztlich nicht prüfbar.

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Es gibt 10 Kommentare

Ich glaub ja, den CDUlern fehlt einfach generell ein bisschen Liebe. Im Leben und vor allem im Herzen. Die gute Frau Kudla würd bestimmt weniger frustriert wirken, wenn sie sich der Liebe einfach mal öffnen würde. Nicht nur der zu einem Partner, auch und vor allem der Liebe zu ihren Mitmenschen. Einfach mal lächeln, jemanden umarmen, weniger dummes Zeug twittern – die wird sich wundern, was sie dafür zurückbekommt.

Keine(r) hat sich seine Sexualität ausgesucht, also lasst sie doch heiraten, wenn sie wollen! Jeder kann seine Meinung vertreten, ob dafür oder dagegen. Und jetzt war eben die Mehrheit für die “Ehe für alle”, na und!

Lieber Olaf, deshalb schreibe ich Idealisiert antiquiert. Denn Fortpflanzung ausschließlich innerhalb der Ehe gab es, zum Schrecken von Kirche und Staat, niemals in der Geschichte.

Dem Bild der Ehe liegen die Vorstellungen derjenigen zu Grunde, die das GG formuliert haben. Da haben sich nicht 5 Leute hingesetzt und ein paar Artikel aufgeschrieben, die später ratifiziert wurden. Es gibt Begründungen für die einzelnen Artikel. In diese Begründungen flossen die Erfahrungen der vorangegangenen Dekaden, und in Bezug auf die Ehe sicher auch die der vorangegangenen Jahrhunderte ein. „Dem Ehegriff liegt das Bild der verweltlichten bürgerlich-rechtlichen Ehe zu Grunde…“ Eine sogenannte Schicksals-und Wirtschaftsgemeinschaft. Auch wenn das nicht jedem paßt und dem Bild der romantisch verklärten Liebe zuwider läuft. Die Grundlage einer Ehe sein kann – aber nicht muß.
Und nicht zuletzt die Tatsache, daß Fortpflanzung nur zweigeschlechtlich möglich ist.
Diese Begründungen sind z. Bsp. auch für das BVerfG Ausgangspunkt für die Auslegung der einzelnen Artikel. In einem Kommentar zum GG findet man auch die Begründungen. Im Maunz/Dürig z. Bsp..
So hat das BVerfG entschieden, daß gleichgeschlechtliche Verbindungen vom Ehebegriff ausgeschlossen sind. U.a. 1993. Das ist nicht das Mittelalter.
Dazu kann man anderer Auffassung sein. Wobei „antiquiert“, also allein der Hinweis auf den Zeitablauf, m. E. kein Argument ist.

Lieber Olaf,
es war nicht gemeint, dass diejenigen, die Ehe für Alle ablehnen Nazis sind. Sie hängen eben einem idealisiert antiquierten Weltbild an.
Überhaupt verstehe ich die (in diesem Fall) parlamentarische Minderheit nicht. Art. 6 GG definiert nicht, was Ehe ist. Wie kann dann die Erweiterung des BGB grundgesetzwidrig sein? Und auf welcher Grundlage könnte das BVerfG dies beurteilen? Müsste das Gericht nicht sagen: “Sorry, ist rechtlich nicht geregelt, wir sind raus!”?

Nicht nur in Sachsen, Matthias. Wir haben uns die in NRW auch grad an die Backe gewählt, ich konnts auch kaum glauben.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/bvg12-059.html

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv105313.html#Opinion

Nur mal so. Als Beispiel, daß die Diskussion doch ziemlich … emotional geführt wird. Es gibt durchaus auch andere, gegen die verfassungsrechtliche Gleichstellung sprechende Argumente. Nazis sind diese deshalb mitnichten…. Auch, wenn es den Einen oder die Andere nervt.
Wenn der Gesetzgeber durch Mehrheitsentscheid die gesetzliche Regelung ändert, ist das Ausfluß der parlamentarischen Demokratie. Und wenn hinterher der Beschluß des Parlaments auf Antrag durch das BVerfG überprüft wird, Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips.

Liebe Sabine,
leider finden viele “ländliche” Sachsen die CDU noch immer toll. Denken Sie an Michael Kretschmer aus der Oberlausitz. Dort könnten Schaf, Schwein und Kuh gewählt werden, wenn sie für die CDU anträten. Die befreienden Ideen der 68er/89er werden nicht überall geschätzt und umgesetzt. Stadtluft macht frei – aber hier gibt’s mehr Dorfmief!

“Nur eine dekadente Gesellschaft hebt die natürlichen Unterschiede zwischen #Mann und #Frau auf”

Was für eine beschränkte Person. Was denkt die, was nach der Abstimmung passiert? Alle verwandeln sich in geschlechtslose Wesen und vermehren sich in Zukunft nur noch durchs klonen?
Und wenn wir schon bei “natürlich” sind – gerade in der Natur ist Homosexualität vollkommen normal, während die Ehe eine “unnatürliche” Erfindung des Menschen ist.

“Ein Wesensmerkmal der Ehe ist die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten”

Bestimmt wer? Das Gesetz? Das wurde von Menschen gemacht und kann von Menschen geändert werden.

„Die politische Instrumentalisierung dieses Themas zeigt aber auch, dass die SPD jenseits aller Beteuerungen die Chance rot-rot-grüner Bündnisse im Bund ergreifen wird, sollte sich diese Gelegenheit ergeben.“

Ach drollig. Soll wohl heißen: Wer zustimmt fördert rot-rot-grün? Das ist ja fast sogar für die CDU ne billige Nummer. Wem die Argumente fehlen der bewirft den Gegner mit Dreck, das ist so arm.

Liebe CDU, wenn mich nicht alles täuscht, steht auf meinem Kalender 2017. Wenn ihr so am Mittelalter hängt, besucht halt Mittelaltermärkte oder mauert euch in irgendeinem alten Schloss ein, grad in Sachsen stehen doch genug leer. Aber hört doch bitte auf, allen anderen euer antiquiertes Weltbild aufdrängen zu wollen. Das finden ausser Euch und ein paar Nazis doch alle anderen eher blöd. Und es nervt. Ihr nervt.

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