Nicht nur im Sächsischen Landtag beginnen jetzt die Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2021/2022, wo die SPD-Fraktion vielleicht zu Recht befürchtet, dass wegen der Corona-Folgen jetzt auch im Haushalt des Freistaats an lebenswichtigen Stellen gekürzt wird. Auch in Leipzig wird Finanzbürgermeister Torsten Bonew demnächst den Entwurf zum städtischen Doppelhaushalt 2021/2022 vorstellen. Und auch hier mahnt die SPD schon vorab, nicht wieder in ein falsches Sparen zu flüchten.

Was man natürlich fordern kann. Aber in den Haushaltsverhandlungen wird über konkrete Inhalte gestritten. Was kann, was möchte, was muss man eigentlich in den nächsten zwei Jahren finanzieren?

Alles wird nie möglich sein. Jeder Haushalt ist ein Konsens, der das Machbare mit dem Leistbaren verbindet.

Also setzte sich die Leipziger SPD-Stadtratsfraktion an diesem Wochenende in einer ersten Klausur zur Vorbereitung der anstehenden Haushaltsverhandlungen zusammen. Dabei verständigten sich die Fraktionsmitglieder vorrangig auf Schwerpunktthemen, die aus ihrer Sicht in den Haushaltsberatungen eine Rolle spielen sollen.

Dass man dabei auch einige Folgen der Einnahmeausfälle durch die Corona-Folgen wird puffern müssen, ist auch Fraktionschef Christopher Zenker klar: „Der Doppelhaushalt 2021/22 entsteht in einer schwierigen Situation. Trotz Mäßigung, die wir uns auferlegen, muss gelten: In der Krise wird nicht gekürzt. In der Krise dürfen Investitionen und Förderprogramme nicht eingespart, sondern müssen gesichert werden. Wir ziehen uns in der Krise nicht zurück, sondern befördern einen schnellen Wiederaufschwung.“

Die Stadt muss nach Ansicht der SPD-Fraktion auch in den kommenden beiden Jahren in die Lage versetzt werden, Investitionen zu tätigen. Immerhin seien es die Kommunen, die für 65 Prozent der öffentlichen Investitionen in der Bundesrepublik verantwortlich sind. Würden diese Investitionen wegbrechen, hätte das schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft und damit, neben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, vor allem auch für viele Unternehmen.

„Es ist, erst recht in Krisenzeiten, ein Gebot der ökonomischen Vernunft, die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen sicherzustellen“, sagt Zenker und zählt dann auf, was auch bei der SPD auf der Projektliste stehen wird: „Es gilt, die Themen Verkehrswende, Energiewende, ebenso zu meistern wie die Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung, was durch die Coronakrise weiter an Bedeutung gewonnen hat. Die Förderung von innovativen Ideen und Start-Ups kann zukünftige Wertschöpfung und Steuereinnahmen sichern. Auch die Sicherung von bezahlbarem Wohnen und hohe Investitionen in Schulen, Sporthallen und Kitas sind uns wichtig. Diese Zukunftsinvestitionen werden wir nicht ohne neue Kredite realisieren können. Diese Kredite werden aber notwendig sein, denn sie sichern unsere Leistungsfähigkeit und unsere Einnahmen in den kommenden Jahren.“

Erheblicher Rückstand beim Radverkehr und beim ÖPNV

Und man ist sich auch bewusst, dass wichtige Zukunftsthemen in den vergangenen Jahren leider nicht ausreichend umgesetzt wurden.

Am Rande der Klausurtagung hat die SPD-Fraktion deshalb auch intensive Fragestellungen wie eine Beschleunigung des Ausbaus der Radinfrastruktur oder die Einführung des 365 Euro-Jahrestickets diskutiert, die selbstverständlich auch Einfluss auf den Haushalt haben.

„Gerade beim Ausbau der Radinfrastruktur wurde in den letzten Jahren unter Frau Dubrau viel Zeit verloren“, merkt Zenker an. „In der Coronakrise rächt sich das, denn wir müssen beobachten, wie die Individualisierung des Verkehrs zunimmt und damit auch der Radverkehr anwächst. Die entsprechenden Angebote sind aber nicht vorhanden. Aufgrund von wegbrechenden Einnahmen müssen wir anerkennen, dass die Kompletteinführung eines 365 Euro-Tickets aktuell nicht möglich ist. Wir werden jedoch Lösungen suchen, wie zumindest erste Schritte hin zu einem 365-Euro-Jahresticket gegangen werden können. Wir sind überzeugt, dass wir so wieder mehr Fahrgäste für den ÖPNV gewinnen können.“

Dass ein 365-Euro-Ticket nur umsetzbar ist mit einer Anschubfinanzierung, die die Einnahmeausfälle zum Start kompensiert, war eigentlich schon klar, als der Stadtrat im vergangenen Jahr OBM Burkhard Jung den Prüfauftrag gab. Da rechneten beide Seiten noch damit, dass Leipzig zur Modellstadt für den ÖPNV werden würde. Aber dieses Thema ist im Bundesverkehrsministerium völlig eingeschlafen, seit die Debatte um Fahrverbote aufgrund zu hoher Luftschadstoffwerte eingeschlafen ist. Also gibt es derzeit niemanden, der den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) diese nötige Co-Finanzierung geben könnte.

Es ist also wohl kaum finanzierbar, das 365-Euro-Ticket schon – wie angedacht – 2021 einzuführen.

Dazu kamen dann noch die massiven Ausfälle bei den Fahrgasteinnahmen aufgrund des Corona-Shutdowns, die erst einmal ausgeglichen werden müssen. Auch hier trifft eigentlich zu, was Zenker zum Radverkehr gesagt hat. Auch hier hat Leipzig wertvolle Jahre vertrödelt und hat die Strukturen nicht geschaffen, die man für ein attraktives Netz mit 365-Euro-Ticket braucht.

„Unser Ziel ist und bleibt – auch unter den aktuell schwierigen Bedingungen – eine solidarische, gerechte und vor allem zukunftsfähige Stadt zu gestalten“, betont Christopher Zenker. „Wir sind uns sicher, mit hohen Investitionen, Innovationsförderung und dem Erhalt der Angebote von Jugend bis Senioren und Kultur bis Sport kann das gelingen. Dennoch liegt die eine oder andere schwierige Entscheidung vor uns, denn ohne Prioritätensetzung wird es im nächsten Doppelhaushalt nicht gehen.“

Mehrheit der befragten Leipziger/-innen gibt dem 365-Euro-Ticket Rückenwind

Mehrheit der befragten Leipziger/-innen gibt dem 365-Euro-Ticket Rückenwind

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