Seit einigen Jahren wird in Leipzig eine Diskussion darüber geführt, ob der Zoo mit einigen Veranstaltungen rassistische Stereotype verbreitet und ob er seine koloniale Vergangenheit angemessen aufarbeitet. Der Migrantenbeirat hat das Thema am Mittwoch, dem 18. Mai, in den Stadtrat gebracht. Am Ende stand ein deutliches Ergebnis: Veranstaltungen wie „Hakuna Matata“ und „El Dorado“ soll es in der bisherigen Form bald nicht mehr geben.

Es sei ein „emotionales Thema“, stellte Mohamed Okasha, Co-Vorsitzender im Migrantenbeirat, seiner Rede in der Ratsversammlung voran. Das gelte nicht nur für Menschen wie ihn, die von Rassismus betroffen sind, sondern alle. Er stellte aber auch klar: „Es stehen sich keine Fronten gegenüber. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Ziel.“

Eines dieser gemeinsamen Ziele sei es, dass der Zoo sensibel mit seinen Angeboten und mit seiner Geschichte umgeht. Aktuell gebe es dabei jedoch erheblichen Verbesserungsbedarf. Veranstaltungen wie „Hakuna Matata“ würden rassistische Stereotype beziehungsweise ein bestimmtes Bild von Afrika verbreiten. „Aber Afrika ist ein Kontinent mit 50 Ländern.“

Zur Aufarbeitung der kolonialen Geschichte sagte Okasha: „Wir erkennen die Bemühungen des Zoos an.“ Doch die Ergebnisse der bisherigen Aufarbeitung sollten auf dem Zoogelände sichtbar gemacht werden.

Emotionale Debatten im Stadrat – Mohamed Okasha spricht zum Antrag aus dem Migrantenbeirat. Foto: Videostream der Stadt Leipzig, Screenshot: LZ

Auf Okasha folgte CDU-Stadträtin Andrea Niermann, die zunächst ihren Vorredner mit einem falschen Nachnamen ansprach und anschließend ihre Verärgerung über den Antrag des Migrantenbeirates ausdrückte. Dieser würde dem Zoo Kolonialismus und Rassismus unterstellen. Offenbar gehe es vorrangig darum, ein politisches Zeichen zu setzen. Sie selbst habe die Veranstaltungen besucht und dort „keinen Rassismus feststellen können“.

Kritik an dieser Sichtweise kam von Linke-Stadträtin Juliane Nagel, die auf „Abwehrreflexe“ verwies, die es auch beim Leipziger Zoo gebe, und von Grünen-Stadträtin Nuria Silvestre, der zufolge rassistische Einstellungen bereits in der Kindheit vermittelt würden – nun müsse es darum gehen, diese zu hinterfragen.

Für lautstarke Verwunderung sorgte die Ankündigung des FDP-Stadtrates Sven Morlok (Freibeuter), dass seine Fraktion mehrheitlich für den Antrag des Migrantenbeirates stimmen werde. Afrika dürfe nicht auf die bei den Zoo-Veranstaltungen vermittelten Bilder reduziert werden. Es sei ein großer Kontinent, der beispielsweise auch aus technologischem Fortschritt und „Ausbeutung für unseren Wohlstand“ bestehe.

Morlok selbst sei kürzlich zwei Wochen in Kenia gewesen. Dort habe er keine einzige Person gesehen, die dem im Zoo vermittelten Bild entspricht. Er forderte manche Ratskolleg/-innen zudem dazu auf, sich den Antrag genau durchzulesen: Nicht dem Zoo werde Rassismus vorgeworfen, sondern es würden Veranstaltungen mit rassistischen Stereotypen kritisiert.

Mit der Unterstützung von Linken, Grünen sowie Teilen von SPD und Freibeutern erhielt der Antrag des Migrantenbeirates letztlich eine deutliche Mehrheit. 36 Personen stimmten dafür, 22 dagegen.

Vielsagend war wohl auch das Abstimmungsverhalten von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Dieser enthielt sich seiner Stimme, ist nun aber persönlich dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass unter Mitarbeit relevanter Akteure neue Veranstaltungsformate entwickelt werden. Unterstützung für den anwesenden Zoodirektor Jörg Junhold hätte anders ausgesehen.

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