Wenn selbst das Geld für das Theater der Jungen Welt (TdJW) zum Wahlkampfthema wird, dann wird es wirklich schräg. Am 13. Dezember stand – neben den Wirtschaftsplänen für die anderen Kultureinrichtungen der Stadt – auch der Wirtschaftsplan für das TdJW zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung der Ratsversammlung. Und wer das Theater am Lindenauer Markt kennt, fiel aus allen Wolken, als CDU-Stadträtin Andrea Niermann den regelrechten Niedergang des Kindertheaters beschwor.

Dass das Haus in Lindenau Besucher verloren hat, hat gute Gründe. Denn wie alle anderen Theater hat auch das TdJW unter den langen Schließzeiten aufgrund der Corona-Pandemie gelitten. Hatte es 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, noch 57.136 Besucher, so brachen die Zahlen 2020 und 2021 mit 16.153 und 9.693 natürlich ein. 2022, als die Pandemie ausklang, berappelten sich die Zahlen dann wieder auf 37.025. So ähnlich werden die Zahlen auch für 2023 aussehen.

Aber liegt das an der Qualität der Aufführungen? Bleibt das Publikum weg, weil das Programm nicht mehr anspricht?

Andrea Niermann bezog sich im Grunde nur auf eine für sie frustrierende Theatervorstellung von „Karneval der Tiere“ 2022, die sie besucht hat und die komplett gegendert wurde. Wie man weiß: Aktuell ist das Gendern eins der Wahlkampfthemen der CDU.

Zu viele Leute?

Aber die CDU-Fraktion hat das zum Anlass genommen, gleich eine Liste von Stellenstreichungen für den Wirtschaftsplan einzubringen – darunter ausgerechnet Stellen für Inklusion und Theaterpädagogik, mit denen die Arbeit des TdJW – nach Willen des Stadtrates – personell endlich einmal verstärkt wurde. Worauf Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke hinwies. Die zusätzlichen Stellen seien außerdem auf vier Jahre begrenzt, die Verträge mit Intendantin Winnie Karnofka sowieso nur bis zum Ende ihrer Intendanz von abgeschlossen.

Da erstaunt es schon sehr, dass Andrea Niermann ausgerechnet jetzt eine Qualitätsdebatte zum TdJW anzettelt, erst recht, da Winnie Karnofka schon im Juli bekannt gab, dass sie ihren 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wolle. Normalerweise sind es solche Termine der Vertragsverlängerung, zu denen der Fachausschuss Kultur und die Ratsversammlung darüber debattieren, ob die gewählten Intendantinnen und Intendanten die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt haben.

Und dazu genügt der Besuch einer einzelnen Vorstellung nun einmal nicht. Dazu sollten zumindest die Fachausschussmitglieder öfter in den Inszenierungen der von ihnen betreuten Kultureinrichtungen sitzen.

So betrachtet, war der Kürzungsantrag der CDU-Fraktion reiner Wahlkampfklamauk unter dem Label „Wir passen auf, dass kein Euro zu viel ausgegeben“ wird.

Das Geld fehlt an ganz anderer Stelle

Dass die Fraktion dabei das eigentlich Wichtige verpasste, machte dann FDP-Stadt Sven Morlok deutlich, der jetzt wieder die Verwaltung kritisierte, weil sie das TdJW ausgerechnet beim Thema Investitionen unterfinanziert lässt.

Der Wirtschaftsplan des Theaters der Jungen Welt

Denn im Wirtschaftsplan steht auch eine durchaus brenzlige Aussage: „Der Eigenbetrieb sieht sich hierbei mit einem hohen Instandhaltungs- und auch Investitionsstau konfrontiert. Allein in den Jahren 2024 bis 2026 werden notwendige Ersatzinvestitionen i. H. v. ca. 500 T€ notwendig, um die Spielfähigkeit des Hauses und Brandschutzanforderungen zu erhalten bzw. herzustellen.

Auf Basis der jährlich zur Verfügung stehenden investiven Zuweisungen i. H. v. 60 T€ und in Anbetracht der Eigenmittelausstattung des Hauses sind diese Maßnahmen jedoch nicht finanzierbar.“

Was ja wohl bedeute, so Morlok, dass – wenn diese Instandhaltungen unterbleiben – einzelne Säle oder gar das ganze Haus geschlossen werden müssten, das Theater der jungen Welt also seinen Spielbetrieb einstellen muss. Er fand es sehr unverständlich, dass die Stadt überhaupt so einen Wirtschaftsplan vorlege. Und mahnte an, genau diese dringend gebrauchten Mittel mit dem nächsten Haushalt auch zur Verfügung zu stellen.

Ein deutliches Abstimmungsbild

Von Linke-Stadträtin Mandy Gehrt bekam Andrea Niermann dann noch eine deutliche Kritik zu hören. Mit dem Hinweis darauf, dass es in den vergangenen Jahren immer das TdJW war, das tendenziell unterfinanziert war. Und dass es der CDU eigentlich auch gar nicht darum ging, daran etwas zu ändern, das würden die zur Streichung vorgeschlagenen Stellen zeigen. Die würden nämlich zeigen, wofür die CDU stehe – für Ausgrenzung.

So geriet das TdJW – unverdient – mitten in den sich aufschaukelnden Wahlkampf. Und die Abstimmung am Ende machte deutlich, wem die CDU mit solchen Anträgen eigentlich die Bälle zuspielt: Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion bekam eben auch die Stimmen der AfD-Fraktion. Und wurde damit trotzdem mit 13:40 Stimmen abgelehnt.

Und beide Fraktionen stimmten dann auch gegen den vorgelegten Wirtschaftsplan des Theaters der Jungen Welt, der mit 39:13 Stimmen dennoch die nötige Mehrheit fand.

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