Vielleicht bekommt es Leipzig in der Ratsversammlung am 12. März hin, einen Doppelhaushalt für die Jahre 2025/2026 zu beschließen, der von der Landesdirektion Sachsen noch mit Ach und Krach genehmigt wird. Aber die Finanzprobleme der Stadt sind damit nicht gelöst. Das rechnerische Millionenminus, das in beiden Jahren übrig bleibt, muss ja irgendwie ausgeglichen werden. Und dazu will das Finanzdezernat jetzt erstmals in dieser Form ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept vorlegen. Das aber – zeitverzögert – heftige Einschnitte in allen Haushaltsbereichen vorsieht.

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat im II. Quartal 2025 ein Freiwilliges Haushaltssicherungskonzept vorzulegen“, schlägt das Finanzdezernat vor. „Das Konsolidierungsvolumen von mind. 100 Mio. EUR über drei Jahre (2025 bis 2027) wird bestätigt.“

Hinter den 100 Millionen Euro, die der Finanzbürgermeister hier vorschlägt, dass sie durch „Einsparungen“ in allen Dezernaten erreicht werden sollen, stecken zwei Zahlen.

Die erste Zahl ist das noch im November erwartete Haushaltsdefizit aus dem Vorjahr: „Die Finanzrechnung 2024 weist einen Zahlungsmittelsaldo lfd. Verwaltungstätigkeit i.H. von 22,2 Mio. EUR aus. Dies hat zur Folge, dass die ordentliche Tilgung einschl. kreditähnlicher Rechtsgeschäfte gem. Haushaltsplanung i.H. von 40,5 Mio. EUR nicht erwirtschaftet werden konnte. Der Differenzbetrag i.H. von 18,2 Mio. EUR muss daher aus Kassenkrediten finanziert werden, das zu zusätzlichen Zinsaufwendungen führt und den städtischen Haushalt belastet.“

Ob am Ende tatsächlich ein Minus in der Endabrechnung steht, ist völlig offen. Noch weiß der Finanzbürgermeister nicht einmal, wie hoch die Steuereinnahmen im Vorjahr sind. Es sind erst einmal nur geschätzte Zahlen vom Jahresende. In den ersten drei Quartalen 2024 hat Leipzig schon 714 Millionen Euro an Steuern eingenommen. Wenn das vierte Quartal so ähnlich verläuft wie das vierte Quartal 2023, werden am Jahresende über 1 Milliarde Euro zu Buche stehen. Und möglicherweise steht dann auch kein Minus im Gesamthaushalt mehr unterm Strich.

Die Genehmigungslücke im nächsten Doppelhaushalt

Aber der neue Doppelhaushalt wurde ja bekanntlich auch mit einem deftigen Minus geplant: „Die finanziellen Risiken des Haushaltsplanentwurfes 2025/2026 wurden zum Stand Sitzung des Ältestenrates am 14.11.2024 auf etwa 110 Mio. EUR beziffert.“

Auch hier ist völlig unklar, ob Leipzig tatsächlich in dieses Defizit gerät. Wie unsicher viele Einnahmeposten sind, erklärte Finanzbürgermeister Torsten Bonew ja schon in der Dezember-Ratsversammlung.

Wobei Bonews wichtigstes Ziel die Genehmigungsfähigkeit des Doppelhaushalts ist. Was mit dem im November prognostizierten Minus von 110 Millionen Euro wohl nicht klappen wird. In seiner Vorlage rechnet er nun vor, dass zur Genehmigungsfähigkeit des Doppelhaushalts rund 40 Millionen Euro fehlten. Dadurch, dass sich Verwaltung und Ratsfraktionen in den Haushaltsverhandlungen noch auf weitere Änderungen im Haushaltsplan geeinigt haben, ist diese Lücke zur Genehmigungsfähigkeit des Doppelhaushalts auf rund 55 Millionen Euro gewachsen.

Das klingt dann so, als würden sich die Fraktionen im Stadtrat von ihren alten Vorstellungen, was im Leipziger Haushalt als Spielraum möglich ist, nicht trennen können. Aber ein Verzicht auf dieses Mitgestalten am Haushalt hätte eben auch bedeutet, dass Leipzigs Stadtrat die Weiße Fahne schwenkt und seine Rolle als Haushaltsgestalter völlig aufgibt.

Etwas, was so in allen sächsischen Kommunen derzeit droht, die unter der Überlast der insbesondere vom Bund auf die Kommunen abgewälzten Aufgaben mittlerweile nicht nur ächzen. Reihenweise werden sie in diesem Jahr keine genehmigungsfähigen Haushalte mehr hinbekommen. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland ist völlig aus dem Lot geraten. Und daran wird auch die Doppel-Bazooka der möglichen neuen Regierung nichts ändern.

Drei Jahrzehnte Steuerpolitik für die Reichen

Das Problem steckt an einer völlig anderen Stelle. Und es hat mit der Vergesslichkeit der Wähler zuj tun, die sich jahrzehntelang immer wieder mit der Mohrrübe neoliberaler Parteien „Steuersenkungen“ haben ködern lassen. Eine Mohrrübe, die auch im Bundestagswahlkampf gleich mehrere Parteien ihren Wählern vor die Nase hielten. Obwohl sie alle wussten, dass sich Deutschland weitere Steuersenkungen gar nicht leisten kann.

Die Folgen der inzwischen drei Jahrzehnte zurückliegenden Steuersenkungen unter Helmut Kohl und Gerhard Schröder sind heute im ganzen Land zu besichtigen – marode Infrastrukturen, fehlendes Geld für Schulsanierungen, eine Bahn, die in einem Milliarden-Investitions-Stau steckt. Und das wichtigste: Kommunen, die ihre Haushalte nicht mehr finanziert bekommen und reihenweise Leistungen streichen müssen, während die Vermögen der Reichen, die von den Steuersenkungen den Löwenanteil kassieren, immer weiter wachsen.

Gebühren, Effizienz, Digitalisierung

Aber wie will Finanzbürgermeister Torsten Bonew das benötigte Geld zusammenkehren?

50 Millionen Euro sollen allein die Dezernate der Stadt zusammensparen – eigentlich sogar 52,5 Millionen Euro, davon 7,5 Millionen schon im Jahr 2025, 20 Millionen im Jahr 2026 und 25 Millionen Euro im Jahr 2027. Den größten Batzen soll dabei das Dezernat Jugend, Schule und Demokratie beisteuern, mit insgesamt 21 Millionen Euro. Was das bedeutet, verrät die Vorlage noch nicht.

Wobei im Jugenddezernat das große Thema Elternbeiträge in den Kitas zur Diskussion steht, zu dem Bonew schon gesagt hat, dass Leipzig gar nicht umhinkommt, die Elternbeiträge nach Jahren wieder einmal anzuheben. Hier geht es um 11 Millionen Euro jährlich. Aber wenn diese Anhebung jetzt mit dem Doppelhaushalt beschlossen wird, kann sie nicht mehr zur Konsolidierung herangezogen werden. Auch das steht in der Vorlage.

Auf welch wackligen Füße die Zahlen stehen, formuliert das Finanzdezernat selbst: „Die kurzfristigen Maßnahmen umfassen konkrete Einsparpotenziale und Ertragssteigerungen, die unmittelbar zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um bereits identifizierte Effizienzsteigerungen, Anpassungen im Bereich der Gebühren- und Entgeltordnungen sowie erste Maßnahmen zur Reduzierung von Sachkosten.

Mittelfristige Maßnahmen hingegen sind aufgrund ihres Prüf- und Umsetzungsbedarfs erst über einen längeren Zeitraum realisierbar. In diesen Fällen werden zunächst Prüfaufträge formuliert, um Einsparpotenziale und Handlungsspielräume detailliert zu analysieren. Dies betrifft unter anderem strukturelle Veränderungen, die Optimierung von Verwaltungsprozessen und die Weiterentwicklung der Digitalisierung in der kommunalen Verwaltung.“

25 Millionen Euro sollen auch die Beteiligungsunternehmen der Stadt beisteuern, weitere 25 Millionen sind als „zentrale Beiträge“ deklariert.

Ein echtes Konzept steht noch nicht dahinter. Im Gegenteil. Die Summe soll mit kurzzeitig wirkenden Maßnahmen eingespart werden: „Aufgrund des erheblichen Umfangs des städtischen Aufgabenportfolios, ist eine tiefgründige Untersuchung aller Aufgaben der Stadtverwaltung innerhalb des gesetzten Zeitraums nicht umsetzbar. Daher werden bei Umsetzung der Aufgaben- und Strukturkonsolidierung mithilfe von Steckbriefen bewusst Schwerpunkte definiert, deren Wirkung mittel- bis langfristig eintreten wird.

Der Fokus liegt insbesondere auf der Optimierung von Massenprozessen, Entlastung bei Aufgaben mit hohem Digitalisierungspotential sowie der Ermittlung und Beseitigung von Doppelstrukturen. Darüber hinaus ist eine Priorisierung von freiwilligen Aufgaben beabsichtigt sowie eine Analyse von Aufgaben mit sehr großer Wirkung bzw. großem Ressourcenbedarf (Finanzen und Stellen).

Zudem wird der effiziente Einsatz von Personalressourcen bei Pflichtaufgaben durch Absenkung von Überqualitäten und Standards (im gesetzlichen Rahmen), Optimierung von Prozessen und Digitalisierung der wesentlichen Pflichtaufgaben als Untersuchungsschwerpunkt festgelegt.“

Die Dienstberatung des Oberbürgermeisters hat diese Vorlage schon passiert. Also muss zumindest so eine Art Zustimmung von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die in ihren Ressorts dann die Kosten senken sollen, vorliegen. Die Vorstellung in Finanzausschuss des Stadtrates steht noch aus.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 7 Kommentare

@Rudi
Wenn die Stadt Leipzig die Elternbeiträge erhöht, orientiert sie sich am gesetzlich Möglichen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die Stadt bisher weniger als das gesetzliche Maximum gefordert hat. Dies zu erhöhen, fällt den wenigsten Stadträten leicht (denn diese müssen es beschließen). Außer vielleicht denen von CDU und AfD. Ihre Aussage, dass man dies nur tut, weil sich Kinder weniger wehren können, ist simpel gesagt Quatsch!

@TLPZ
Die Kitabeiträge sind in Sachsen gesetzlich geregelt. Sie müssen 15 – 23% (Krippe), 15 – 30% (Kindergarten) der Personal- und Sachkosten betragen. Einen Haushalt saniert man damit nicht. Was damit aber beeinflusst wird, ist der Zuschussbedarf der Kommune. Nutzt die Kommune die 30% voll aus, sinkt der Zuschussbedarf der Kommune. Es ist in dem Sinne keine Einnahme, aber eine geringere Ausgabe.

@Rudi
Auch wenn ich Ihre Ausführungen hinsichtlich der Gebühren für den Autoverkehr teile und gleiches befürchte, so muss ich doch Ihre Ausführungen zu den Kita- Gebühren wesentlich korrigieren: Per Gesetz werden die Elternbeiträge ausschließlich auf die Personal- und Sachkosten erhoben. Eine Erhöhung der Elternbeiträge für Kita und Hort kann daher NICHT zur Haushaltskonsolidierung der Stadt verwendet werden!

@Urs
Spannend. Die Erhöhung der Gebühren ist als Maßnahme oben aufgeführt. Welche Gebühren erhöht werden sollen, wissen wir aktuell nicht. Die Befürchtung ist, dass viele Gebühren erhöht werden, aber mal wieder nicht die für den Autoverkehr, dafür hat man mit der Erhöhung der Kita-Gebühren weniger Bauchschmerzen in Verwaltung und Stadtrat. Da wissen wir jetzt schon, dass die Kita-Gebühren erhöht werden, denn Kinder wehren sich weniger gegen eine Gebührenerhöhung als Autofahrer.

Ich bin für eine Kommentartaxe: ab dem 10. wöchentlichen Kommentar unter einem beliebigen Zeitungsartikel oder bei den Fernsehanstalten kostet es pro Text einen Euro. Aus Dampf würde dann Reales, echte Einnahmen.

Immer wieder, lieber Autor, gefallen mir Ihre schönen Photos mit Münzen und Ledersäckchen, die Sie anscheinend in vielen Varianten aufgenommen haben. Klingt ironisch, ist es aber nicht.

Wenn aber, lieber User “Rudi”, höhere Gebühren für Anwohnerparkausweise gleichsam als letztes Aufgebot zur Haushaltssicherung angemahnt werden, wird mir ganz gruselig, wenn ich versuche, in Ihre Gedankenwelt einzutauchen.

Wir dürfen gespannt sein, ob Parkgebühren und Gebühren für Anwohnerparkausweise auch erhöht werden. Selbst in Cottbus und Potsdam kostet der Anwohnerparkausweis nun gut 100 Euro/Jahr. In Leipzig noch immer nur 30,70Euro als hätte es in den letzten 30 Jahren keine Lohnerhöhungen gegeben.

Schreiben Sie einen Kommentar