Das Investitionsmoratorium von Finanzbürgermeister Torten Bonew hat in mehreren Fraktionen für berechtigten Unmut gesorgt. Denn damit griff er direkt in die Haushaltshoheit des Stadtrates ein, die mit den Sparauflagen des OBM sowieso schon heftig infrage gestellt ist. Aber das Moratorium schaffe noch mehr Unsicherheit, so die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sylvia Herbst-Weckel. Denn welche Projekte da nun auf einmal auf Eis gelegt sind, verrät das Moratorium einfach nicht.
Und während die Linksfraktion im Stadtrat eine Aussetzung des Moratoriums beantragen will, geht es den Grünen in ihrem Antrag direkt um die Frage, welche Investitionsprojekte die Verwaltung denn jetzt abwürgen will und welche trotzdem finanziert werden. Dazu haben sie einen eigenen Antrag geschrieben, der am heutigen Mittwoch, 24. September, ins Verfahren gehen soll.
„Mit dem jüngsten Haushaltsgenehmigungsbescheid der Landesdirektion und den daraus folgenden Auflagen steht die Stadt Leipzig vor erheblichen Herausforderungen. Der Oberbürgermeister und insbesondere der Kämmerer nutzen derzeit das Mittel einer pauschalen und fachlich weitgehend undifferenzierten Sperre der Investitionshaushaltsmittel“, kritisieren die Grünen darin das intransparente Vorgehen von OBM Burkhard Jung und Finanzbürgermeister Torsten Bonew.
„Dies führt faktisch zu einem Stillstand nahezu sämtlicher Investitionsvorhaben, unabhängig von deren Priorität oder Fördermittelbindung, und entzieht dem Stadtrat seine zentrale Steuerungsfunktion. Diese Situation gefährdet die Handlungsfähigkeit der Stadt in mehrfacher Hinsicht.“
Torsten Bonew hatte mit seinem Moratorium zwar eine kleine Liste mitgeliefert, welche Art Investitionen von seinem Moratorium ausgenommen sein sollten. Aber die Liste ist so diffus, dass trotzdem nicht klar ist, welche Investitionen jetzt noch getätigt werden dürfen und welche nicht.
Riskiert Leipzig jetzt seine Fördermittel?
So monieren die Grünen den drohenden Verlust von Fördermitteln: „Zahlreiche Investitionen, darunter Infrastrukturvorhaben, sind an externe Förderungen gebunden, bei denen eine zeitnahe Mittelverwendung zwingend erforderlich ist. Der derzeitige Kurs des Kämmerers, nur Förderungen mit ≥75 % Förderquote freizugeben, führt zum drohenden Verfall vieler Mittel – insbesondere bei den gängigen 50%-Förderprogrammen wie etwa im Bereich des Basismoduls Hauptachsen zur Stärkung des ÖPNV.“
Oft stecken viele Jahre an Vorplanungen in diesen Projekten und intensive Bemühungen um Fördergelder bei Bund und Land. Wenn der Finanzbürgermeister sie jetzt einfach streicht, verfallen auch die Fördergelder. Leipzig verliert also auch noch Geld und kann aufwendig geplante Projekte nicht umsetzen.
Und den Grünen stößt auch sauer auf, dass vor allem Projekte zu Klimaanpassung, Wärmewende, zur sozialen Infrastruktur und der Kultur unter die Streichung fallen würden. „Diese Themen können nicht unter pauschale Sperrentscheidungen fallen.“
Ein Eingriff in das Hoheitsrecht des Stadtrates
Gerade die Intransparenz des Moratoriums kritisieren die Grünen, weil hier ganz offensichtlich reihenweise Projekte gestrichen werden sollen, die der Stadtrat beschlossen hat. „Es ist Aufgabe und Recht des Stadtrates, die politischen Schwerpunkte bei Investitionen zu setzen und die Finanzmittel nach strategischen und transparenten Kriterien zu priorisieren. Eine Konzentration der Entscheidungshoheit beim Kämmerer widerspricht diesem Prinzip“, stellen die Grüne etwa fest, was augenscheinlich derzeit von der Verwaltung bewusst unterlaufen wird.
„Mit diesem Antrag wird daher eine faktische Rückführung der Entscheidungsmacht zum Stadtrat sowie eine klare, dynamische Investitionsstrategie bis 2030 eingefordert. Zugleich wird durch transparente Kriterien für Freigaben und Investitionsmoratorien eine verlässliche Planungsgrundlage geschaffen. Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Stadt wiederherzustellen, strategische Entwicklungen abzusichern und externe Fördermittel in vollem Umfang für Leipzig zu nutzen.“
Ganz zentraler Punkt des Antrags ist deshalb die Aufforderung an den OBM, „dem Stadtrat unverzüglich eine Liste der bis 31.10.2025 durch die Kämmerei freigegebenen Investitionen und Förderungen sowie eine Liste der bis 31.12.2025 freizugebenden Investitionen vorzulegen.“
Damit würde der Stadtrat wenigstens erst einmal erfahren, welche Investitionen jetzt tatsächlich noch kommen. Aber dabei soll es nicht bleiben.
Bis zum 30. November soll der Oberbürgermeister „ein Verfahren zur Freigabe von Planungs- und Investitionsmitteln vorlegen, das eine transparente Methodik zur Freigabe mit klaren und fachlich nachvollziehbaren Kriterien (u.a. Rechts-/Pflichtbindung, Förderfristen, Projektfortschritt und Umsetzungsreife sowie z.B. Klimaanpassung/Wärmewende, infrastrukturelle Grundversorgung, soziale und kulturelle Wirkung, Folgekosten, Gefahr im Verzug) festlegt, ein standardisiertes Freigabeverfahren mit Zuständigkeiten, Schwellenwerten und Berichtswesen einführt sowie die Entscheidungshoheit des Stadtrates absichert, indem diese Regeln als verbindliche Grundsätze der Haushaltsbewirtschaftung beschlossen werden.“
Also eine Prioritätenliste, die den Stadträten schwarz auf weiß zeigt, in welcher Reihenfolge die beschlossenen Investitionen nun abgearbeitet werden sollen, welche besonders dringlich sind und Vorrang haben, und welche aufgeschoben werden können. Etwa beim neuen Technischen Rathaus oder den Plänen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz.
Wer entscheidet hier eigentlich?
Eigentlich hatten auch die Grünen erwartet, dass es solche Listen schon in der Haushaltsdiskussion seit Herbst 2024 gegeben hätte. Aber davon war auch in den Finanzausschüssen nichts zu sehen. Was schon überrascht. Denn wie will die Stadt eigentlich steuern, wenn sie keinen Überblick über die Dringlichkeit der beschlossenen Investitionen hat? Dass das gegenüber dem Stadtrat geradezu Intransparent ist, kritisiert auch Herbst-Weckel.
Aber der Antrag beinhaltet auch noch zusätzlichen Sprengstoff. Denn die Grünen sehen hier den Finanzbürgermeister auch seine eigentlichen Kompetenzen überschreiten und die Entscheidungshoheit über die Ausgaben der Stadt an sich ziehen, die tatsächlich bei Stadtrat und OBM liegt. Sodass der letzte Punkt im Antrag lautet: „Der Oberbürgermeister wird des Weiteren aufgefordert, dem Kämmerer die Befugnis für Verpflichtungsermächtigungen wieder zu entziehen und zurück auf sich zu übertragen.“
Denn der enorme Druck, der auf einmal auf dem Haushalt der Stadt liegt, verführt natürlich dazu, den Stadtrat regelrecht auszubooten in seinem zentralen Recht – nämlich über den Haushalt zu beschließen und über die Investitionsentscheidungen auch Stadtpolitik zu machen. Dass manche Projekte derzeit nicht umsetzbar sind, ist auch dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Dr. Tobias Peter, bewusst. „Darüber kann man auch reden“, sagt er. „Aber dann brauchen wir eben eine klare Prioritätensetzung der Stadt, die uns derzeit einfach nicht vorliegt.“
Beschließen wird der Stadtrat am heutigen24. September noch nicht. Der Antrag geht erst einmal ins Verfahren. Aber dass es eine große Debatte über die desolate Finanzlage der Stadt geben wird, ist jetzt schon absehbar.
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