Dass es knapp werden würde, war abzusehen. Denn wenn es um Projekte der Energie- und Wärmewende geht, stellen sich drei Fraktionen im Leipziger Stadtrat jedes Mal konsequent stur. Mit den wildesten Argumenten. Am 17. Dezember war deshalb durchaus nicht sicher, dass die drei Vorlagen der Stadt zur Wärmewende am Ende durchkommen würden und Leipzig tatsächlich den Umbau seiner Wärmeversorgung starten kann. Mit einem Pilotquartier in der Leipziger Südvorstadt, wo exemplarisch der Komplettumbau eines Quartiers gezeigt werden soll, und einer extra zu gründenden Quartiersentwicklungsgesellschaft.
Beides wurde gerade von Rednern von AfD, CDU und BSW heftig und ausufernd angegriffen. Auch mit Argumenten, die überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben. Bis hin zur Unterstellung, der Stadtrat würde nun mit der Gründung einer Leipziger Quartiersentwicklungsgesellschaft (LQEG) völlig ausgebootet und hätte bei der Ausgestaltung der Wärmewende nichts mehr mitzureden.
Genau das aber wäre nicht der Fall, sagte OBM Burkhard Jung nach zwei Stunden einer jetzt wirklich völlig ausufernden Diskussion, in der Stadträte wie Lucas Schopphoven (CDU) dann auch noch meinten, das ganze Projekt Wärmewende sei unfinanzierbar, das Geld einfach alle. Obwohl gleichzeitig die gesetzliche Pflicht vor Leipzig steht, bis zum 30. Juni 2026 eine belastbare Wärmeplanung vorzulegen. Das müssen nämlich alle Kommunen in Deutschland tun, auch weil die EU von Deutschland Umsetzung verlangt.
Es geht jetzt um Fördergelder
„Und wir sind zurzeit noch ganz vorn dran“, sagte OBM Burkhard Jung. Wer als erster konkrete Pläne hat, kann auch als erster Fördergelder beantragen. Denn ohne Fördergelder wird es nicht gehen. Fördergelder, die die LQEG einwerben muss. Die auch nicht den Sinn habe, den Stadtrat auszubooten, sondern alle Maßnahmen in der Wärmeplanung zu bündeln.
Denn die werden komplex. Komplexer als normale Straßenumbauten. Auch in der Südvorstadt. Denn wenn Stadtwerke und Wasserwerke im Pilotquartier alle Straßen aufreißen, um Fernwärme anzulegen – und dabei auch gleich noch die Wasserversorgung zu erneuern -, dann wäre die Stadt – so Jung – „mit dem Klammerbeutel gepudert“, wenn sie die Gelegenheit nicht nutzt, auch den oberirdischen Straßenraum zu verbessern.
Dafür steht übrigens der bislang einzige Finanzposten in der Vorlage zum Pilotquartier: 51 Millionen Euro für die Gestaltung des oberirdischen Straßenraums. Einzuplanen ab 2027 mit dem neuen Haushalt. Wenn früher gebaut werden sollte, müsste die L-Gruppe einzelne Posten vorfinanzieren.
Eine Frage war natürlich, ob die zu gründende LQEG sofort loslegen sollte oder nicht, wo noch nicht einmal klar ist, ob und wie viel Fördergelder Leipzig bekommt. Weshalb die SPD-Fraktion beantragte, die Gesellschaft erst mit Personal auszustatten, wenn es wirklich losgeht. Was OBM Jung als Protokollnotiz auch übernahm.
Es wurde über Bürgerbeteiligung und soziale Frage diskutiert, mögliche Kostensteigerungen für die Mieter. Da kam dann auch die Sturheit einer AfD-Fraktion zum Vorschein, die noch immer felsenfest überzeugt ist, das Heizen bleibe billiger, wenn weiter mit Gas geheizt wird. Als wenn das Gaszeitalter nicht auch zu Ende gehen würde. Von der Abhängigkeit von aktuell den USA mit ihrem dreckigen Frackinggas ganz zu schweigen.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter unterstellte insbesondere AfD und CDU, dass es ihnen bei ihren Reden gar nicht wirklich um das Mitspracherecht des Stadtrates ging, sondern darum, auch hier wieder ein Projekt der Wärme- und Energiewende zu verhindern.
Argumente, die so ähnlich auch die Linke-Fraktionsvorsitzende Franziska Riekewald vorbrachte. Und man konnte sich des Eindrucks tatsächlich nicht erwehren, dass es den genannten Fraktionen tatsächlich nur um die Verhinderung der Wärmewende für Leipzig ging. Denn stichhaltig waren ihre Argumente nicht.
Worum ging es letztlich?
Die letztendliche Wärmeplanung stand mit der Vorlage „Kommunale Wärmeplanung für die Stadt Leipzig | 1. Fassung“ noch nicht zur Abstimmung. Es war erst eine Informationsvorlage, wohin die Reise gehen wird, wenn Leipzig in der Wärmeversorgung unabhängig von fossiler Energie werden will. Die Vorlage musste also nicht beschlossen werden. Die richtige Wärmeplanung soll es dann im Sommer 2026 geben, wie gesetzlich verlangt.

Es ging um die Gründung der LQEG, von der CDU, AfD und BSW nichts wissen wollten. Aber sowohl Baubürgermeister Thomas Dienberg als auch OBM Burkhard Jung betonten, wie wichtig sie wäre, gerade bei komplexen Quartiersmaßnahmen alle Planungen in einer Hand zu bündeln und damit gerade die schwerfälligen Abstimmungsprozesse zwischen Ämtern und mit den Kommunalbetrieben zu verhindern. Wobei Jung versprach: „Wenn das Ding 2027 nicht fliegt, wird sie wieder aufgelöst.“
Und die Aufgaben der Gesellschaft werden gewaltig, wenn es – stadtweit – am Ende um 4 Milliarden Euro geht, die in die Wärmewende von Stadtseite investiert werden müssen. Dass städtische Gesellschaften funktionieren, haben andere Gesellschaften wie die LESG ja längst bewiesen. Es wurde trotzdem knapp: Die Gründung der LQEG bekam mit 33:20 Stimmen ein sehr knappes Votum. Aber Jung appellierte trotzdem an den Stadtrat: „Lassen sie uns zeigen, dass es funktioniert.“
Blieb noch das Pilotquartier in der Südvorstadt, wo erstmals im Komplex gezeigt werden soll, wie ein ganzes Quartier auf Fernwärme umgestellt wird. Diese Vorlage wurde mit 32:31 Stimmen noch knapper abgestimmt. Da wird nicht nur Jung aufgeatmet haben. Denn damit hat Leipzig überhaupt das erste Modellprojekt, mit dem die Stadt sich um die in Aussicht gestellten Fördermittel des Bundes bewerben kann. Ohne den Beschluss – keine Bewerbung.
Aber das hatten ja die Redner von CDU, AfD und BSW ganz offensichtlich nicht auf dem Radar. Ihnen ging es nur um ein stures „Nein“. Sie können mit Energie- und Wärmewende nichts anfangen. Aber eben auch nichts mit der Frage, wie man eine Stadt langfristig klimaneutral bekommt, was es kostet und was tatsächlich hilft, die Energiekosten für die Bürger im Griff zu behalten. Denn dass die fossilen Energien so billig nicht bleiben werden, ist heute schon absehbar.
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Es gibt 4 Kommentare
Vielleicht ist es noch zu früh, aber wird mit der FW Versorgung nicht ein neues Monopol durch die SWL begründet? Das hat doch sicher keinen positiven Einfluss auf die Preisbildung und damit auf die Akzeptanz der Wärmewende.
Nach meiner Kenntnis gehört die Leitung den SWL und betreibt sie auch. Sie soll erhalten bleiben.
Eventuell ergibt sich die Möglichkeit, klimaneutrale Wärme aus dem Süden nach Leipzig zu transportieren.
Die SWL verpflichteten sich vertraglich mit der LEAG, eine bestimmte Menge Wärme abzunehmen.
Der Liefervertrag wurde wohl bis 2027 verlängert, als Absicherung.
Die Leitung aus Leuna wird reine Abwärme nach Leipzig transportieren können.
Für den Bau gibt es Fördermittel.
Fernwärme bietet die Möglichkeit, klimafreundliche Wärme in viele Haushalte zu verteilen, ohne dass jeder einen eigenen Schornstein haben muss.
Wenn das Kohlekraftwerk Lippendorf nicht mehr arbeitet, fehlt diese Wärme.
Eine Alternative ist also sinnvoll – warum volkswirtschaftlicher Unsinn?
Der FW-Endverbraucherpreis ist ein anderes Blatt und sicher diskutabel. Hier wird den Leipzigern kein Schnäppchen angeboten.
Zum Argument Kostenbrocken ein Beispiel:
Jedes Auto in Deutschland kostet – je nach Studienlage – dem Steuerzahler ca. 4600-5200 Euro pro Jahr und Pkw.
Durch Subventionen, Steuererleichterungen, Zuschüsse, Förderungen, Unfallkosten, Infrastruktur, Umweltschäden, …
Warum schreit hier keiner?
Aus Leuna kommt Abwärme aus dem Chemiepark. Dort hat man die Hoffnung, dass noch eine Weile produziert wird und Abwärme nutzbar ist. Das Kohlekraftwerk in Lippendorf wird perspektivisch keinen Strom mehr produzieren. 1 Tonne CO2 kostet im Moment ca. 55 Euro. Im nächsten Jahr ca. 70 Euro. Ab 2027 rechnet man mit 200 Euro/Tonne, weil dann mit ETS II auch Brennstoffe im Gebäude- und Verkehrsbereich gehandelt werden. Weil es dann um Angebot und Nachfrage geht, könnten es aber auch nur 100 Euro/Tonne sein oder mehr als 300 Euro/Tonne. Ganz genau weiß man es noch nicht. Was aber jetzt schon klar ist: Fossile Energien werden deutlich teurer und das wirkt sich dann auch auf die Nutzenden aus. Bei 200 Euro/t wird Sprit ca. 60Cent/l teurer. Wer noch mit Gas heizt, muss mit ca. 1.000 Euro/Jahr mehr rechnen. Entscheidend wir am Ende sein, wie viel der 1,2 Mrd. CO2-Zertifikate im Jahr 2027 tatsächlich benötigt werden. In den nachfolgenden Jahren wird sich die Zahl der Zertifikate verringern, der CO2-Preis also steigen, wenn man keine Maßnahmen zur Verringerung fossiler Energien ergreift. Der Wandel im Verkehrsbereich und auch beim Heizungssystem dürfte demnächst also viel schneller gehen als man das heute denkt.
Stimmt es eigentlich, lieber Autor, daß die Wärmeleitung von Lippendorf ad acta gelegt wurde, weil sie gemietet war? Und nuneine neue Leitung von Leuna errichtet wird, weil nur so Fördergeld erlangt werden kann? Und wenn dem so wäre, wäre das nicht alles volkswirtschaftlicher Irrsinn? Und ist es nicht absehbar, daß mit Fernwärme ein riesiger Kostenbrocken auf die Leipzigerinnen und Leipziger zukommen wird?