Es ist nicht zu begreifen, was in den Köpfen einiger Mitmenschen so alles schiefläuft. Am Sonntagnachmittag wurde das wieder einmal deutlich. Eine rassistische Beleidigung gegen den schwarzen Schalke-Spieler Christopher Antwi-Adjei sowie darauf folgende dauerhafte Pfiffe gegen den ghanaisch-deutschen Fußballer warfen einen beschämenden Schatten auf ein eigentlich großartiges DFB-Pokalspiel (0:1 n.V.) im ausverkauften Bruno-Plache-Stadion.

Es lief die 14. Spielminute in der Erstrunden-Partie zwischen dem Regionalligisten 1. FC Lok Leipzig und dem Zweitligisten vom FC Schalke 04. In einem harten, aber vom Schiedsrichter nicht geahndeten Zweikampf, geht Christopher Antwi-Adjei zu Boden und der Ball ins Seitenaus. Lok-Kicker Alexander Siebeck reicht ihm die Hand, will dem Gegenspieler aufhelfen. Dieser schlägt das Angebot aus und will anschließend den Einwurf ausführen.

Doch dazu kommt es vorerst nicht. Ein widerlicher Zwischenruf aus Richtung der Dammsitz-Zuschauer veranlasst Antwi-Adjei zu einer Unterbrechung. Er macht zunächst den Linienrichter und anschließend den Schiedsrichter auf das rassistische Vorkommnis aufmerksam. Dieser wiederum veranlasst eine Stadiondurchsage, die sich klar von diesen Diffamierungen distanziert. Nach knapp vier Minuten Unterbrechung kann die Partie schließlich fortgesetzt werden. Der Vorfall war damit natürlich keineswegs vom Tisch.

Schalke-Trainer auf PK: „Das kotzt mich an!“

In der anschließenden Pressekonferenz fand Schalke-Trainer Miron Muslic klare Worte: „So eine Äußerung hat nirgends etwas verloren! Und das Schlimmste für mich: Chris wird danach 120 Minuten lang ausgepfiffen. Das kotzt mich an!“ Der bosnisch-österreichische Coach will daher auch das Argument der fehlgeleiteten Einzelperson nicht gelten lassen.

„Das ganze Stadion hat, glaube ich, ein Gefühl gehabt, warum das Spiel unterbrochen ist – und das ganze Stadion hat gepfiffen. Es ist keine Einzelperson. Aber leider Gottes ist das gang und gäbe, dass man das verharmlost und dann abschiebt als ‚ein Idiot‘. Das sehe ich nicht so, das möchte ich klar betonen. Das ist meine persönliche Sicht, und das ist glaube auch die Sicht vom Schalke 04.“

Trainer Miron Muslic (FC Schalke 04) während der Pressekonferenz im Anschluss an das Spiel. Foto: Jan Kaefer

Sein Leipziger Kollege Jochen Seitz hofft, dass der Rufer zur Rechenschaft gezogen werden kann: „Ich hoffe, dass man die eine Person herausfinden kann und sie mit einem lebenslangen Stadionverbot rausfiltriert. Das hat in keinem Stadion etwas zu suchen und macht einen auch traurig.“

Christopher Antwi-Adjei erstattet Anzeige

Noch am selben Abend veröffentlichten beide Vereine jeweils eigene Statements zu diesem rassistischen Vorfall auf ihren Kanälen. „Schalke 04 verurteilt rassistische Beleidigung gegen Christopher Antwi-Adjei scharf“, titelten die Gelsenkirchner ihren Beitrag. Anknüpfend an des Trainers Worte bei der Pressekonferenz hieß es außerdem: „Statt Verständnis zu zeigen, pfiffen Teile des Heimpublikums Antwi-Adjei bei jeder Ballberührung bis zum Abpfiff aus – eine völlig unverständliche und enttäuschende Reaktion.“

Zudem wurde der Schalker Sportvorstand Frank Baumann folgendermaßen zitiert: „Zuallererst tut es mir für Christopher sehr leid, dass er sich solche Worte anhören muss. Wir verurteilen dieses Verhalten aufs Schärfste und hoffen, dass derjenige ausfindig gemacht wird. Die Fans und Mitglieder von Schalke 04 haben sich in Satzung und Leitbild klar und unmissverständlich zum Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus bekannt, als Verein und Vorstand vertreten wir diese Werte mit aller Deutlichkeit. Wir stehen fest an Christophers Seite.“

Jonas Arcalean (17, Lok Leipzig) mit einem Schuss, Christopher Antwi-Adjei (18, FC Schalke 04) springt dazwischen. Foto: Jan Kaefer

In ihrem Statement informierten die Knappen außerdem darüber, dass der betroffene Spieler Christopher Antwi-Adjei inzwischen Anzeige erstattet hat. Nun ermittelt die Polizei.

„Der 1. FC Lok hat ‚KEEN BOCK AUF RASSISMUS!‘“, überschrieben die Leipziger ihre Mitteilung – und bezogen sich dabei auf eine eigene Werbebande, die bei den Ligaspielen regelmäßig eben jenen Slogan sichtbar macht. Und: „Wir entschuldigen uns in aller Form bei Christopher Antwi-Adjei und dem FC Schalke 04!“

Die Probstheidaer bedauern ausdrücklich die aus dem Publikum getätigte rassistische Beleidigung. „Wir wollen hier den Wortlaut bewusst nicht wiedergeben, aber diese eine Stimme hat einen Schatten auf einen sonst wundervollen Fußballnachmittag geworfen“, schreiben die Blau-Gelben. „Rassismus in jedweder Form hat in keinem Stadion der Welt und überhaupt nirgendwo etwas zu suchen. Rassismus ist keine Meinung, sondern ausgelebte Unmenschlichkeit und mit den Werten des 1. FC Lok nicht vereinbar“.

Daran, dass es diesen traurigen Zwischenruf tatsächlich gegeben hat, bestehen inzwischen auch bei Lok keine Zweifel mehr, wie das Statement zeigt. Mehrere Zuschauer waren Ohrenzeugen und bestätigten den rassistischen Vorfall. Dass der Weg, den die Probstheidaer in ihrem Engagement gegen menschenverachtendes Gedankengut in den Reihen so einiger ihrer Anhänger noch gehen müssen, weiterhin steinig ist, macht ein Blick in die Facebook-Kommentarspalte zum Lok-Statement schmerzlich klar.

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