Die Stadtwerke Leipzig sind kein reiner Strom- und Wärmeversorger. Als wichtiger Teil der L-Gruppe haben sie vielfältige Aufgaben für die Stadt Leipzig zu erfüllen. Im Gegensatz zu anderen Energieversorgern gehen erzielte Gewinne der Stadtwerke Leipzig GmbH in das Ergebnis der L-Gruppe ein und werden somit auch zur Finanzierung anderer Teile der Gruppe verwendet.
Karsten Rogall, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) und kaufmännischer Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig GmbH, gab der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) ein Interview. Dessen Überschrift: Leipziger Stadtwerke-Chef: „Wir sollten die Erneuerbaren-Förderung abrupt beenden“, sorgte nicht nur bei uns für Irritation.
Wir haben Karsten Rogall um ein Interview gebeten. Aufgrund von Terminproblemen seinerseits war nur eine schriftliche Beantwortung von Fragen möglich. Diese Möglichkeit haben wir genutzt. Ob die Antworten wirklich von Karsten Rogall gegeben wurden, können wir somit nicht eindeutig sagen.
Herr Rogall, die Überschrift des Artikels in der ZfK irritierte einige Menschen. Sie erweckte den Eindruck, dass Sie den Ausbau der erneuerbaren Energien ablehnen. Da der Artikel durch die Paywall nicht jedem zugänglich ist, haben wir Sie um dieses Gespräch gebeten. Sind Sie wirklich generell gegen die Förderung erneuerbarer Energien?
Nein. Ich bin lediglich der Meinung, dass die anfänglich richtige staatliche Förderung nach mehr als 20 Jahren nun beendet und der Ausbau ab sofort marktwirtschaftlichen Mechanismen überlassen werden sollte. Wenn jemand in Photovoltaik- oder Windkraftanlagen investiert, muss sich das wirtschaftlich selbst tragen.
Angebot und Nachfrage führen dazu, dass nur Investitionsentscheidungen getroffen werden, die wirtschaftlich sinnvoll sind. Wir können nicht Jahr für Jahr mehr als 20 Milliarden Euro für die Förderung der Erneuerbaren ausgeben. Das überfordert auf Dauer den Staatshaushalt.
Liest man das Interview, dann sprechen Sie beim Ausbau der Erneuerbaren oft vom Markt, der das regeln soll. Sie sagen: „Die Förderung sollten wir abrupt beenden und den Ausbau einfach dem Markt überlassen“. Soll das heißen, es soll überhaupt keine regulatorischen Eingriffe geben?
Die Stadtwerke übernehmen diverse Zukunftsaufgaben. Das sollte auch von regulatorischer Seite besser unterstützt werden. Wir sind als kommunales Unternehmen nicht auf eine maximale Rendite aus. Wir investieren in Erneuerbare, in Kraftwerksprojekte, wir bauen Wärmeversorgungs-Systeme aus, planen Tiefen-Geothermie. Wir bilden die gesamte Wertschöpfung der Energiewirtschaft ab.
Auch die Netznutzung ist eines unserer Geschäftsfelder. Wenn man dort keine Rendite mehr erzielen kann, müssen wir uns überlegen, wo wir Geld verdienen können. Denn wir haben eine Aufgabe zur Daseinsvorsorge. Wir müssen in Leipzig schließlich den ÖPNV und vieles andere finanzieren. Hier wünschen wir uns gleiche Rahmenbedingungen*, sprich Regulierung in diesen verschiedenen Wertschöpfungsstufen der Energiewirtschaft durch den Staat.
*Nachfrage: Was meinen Sie, wenn Sie von gleichen Rahmenbedingungen sprechen?
Hier kritisieren wir grundsätzlich den geplanten Eingriff in ein funktionierendes Geschäftsmodell und wollen nicht auf andere zeigen. Aber wenn beispielsweise die Wasserwirtschaft mit einer durch das Kommunalabgabegesetz ermöglichten Gesamtkapitalrendite von sechs Prozent auf ihre Investitionen besser dasteht als die Stromnetze, läuft etwas grundlegend falsch.
Menschen oder Firmen, die beispielsweise eine PV-Anlage installiert haben, berichten, dass diese bei zu hohem Anteil an Strom aus Erneuerbaren im Netz abgeregelt wird. Sie können nicht einmal mehr den eigenen Bedarf damit abdecken. Sie sagen: „Wenn wir den Strom, der vor Ort produziert wird, dort nicht mehr verbrauchen oder transportieren können, läuft etwas falsch.“ Widerspricht sich das nicht? Ist das ein lösbares technisches Problem?
Der Ausbau der Erneuerbaren ist sinnvoll und notwendig, aktuell vor allem bei der Windkraft. Aber wir haben es nicht geschafft, die Netze, im Gleichklang auszubauen. Das merken wir an allen Stellen. Wir merken, dass die Umspannwerke gar nicht mehr so viel Energie aufnehmen können. Bei der Anzahl der Stunden mit negativen Strompreisen gibt es immer wieder neue Rekordstände.
Das ist ein Indiz, dass der Markt langsam versagt.* Wenn wir den Strom, der vor Ort produziert wird, dort nicht verbrauchen oder transportieren können, läuft etwas schief. Gerade bei der Fotovoltaik muss der unkontrollierte Ausbau vor allem auf landwirtschaftlich genutzten Flächen aufhören.
*Hier haben wir nachgefragt, einerseits, was mit „Der Markt versagt“ genau gemeint ist.
Hier haben wir auf den, aus unserer Sicht, nicht mehr funktionierenden Energy only Markt abgestellt. Die große Anzahl von Stunden mit negativen Preisen sind Indiz genug. In dieser Situation weitere PV Anlagen über das EEG zu fördern, die diese Situation noch weiter verschärft, finden wir schwierig.
*Die zweite Nachfrage betraf das konkrete Beispiel: „Ist das ein lösbares technisches Problem, beispielsweise durch smarte Netze und Speichertechnik?“
Der Ausbau der Erneuerbaren muss sich an der Leistungsfähigkeit der Netze orientieren. Wenn die Netze entsprechend ausgebaut sind, kann auch wieder in neue EE-Anlagen investiert werden. Im Moment geschieht dies umgekehrt, mit der Folge von Zwangsabschaltungen, da wo es möglich ist. Und das Ganze wird sogar noch durch staatliche Subventionen gefördert.
Das muss sofort enden. Smarte Netze und Speichertechnologie können den Effekt abmildern, hier ist der technische Stand, vor allem aber die Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Anlagen noch nicht so weit, dass er das grundlegende Problem negieren kann.
Sie kritisieren Doppelstrategien bei der Förderung, einerseits für den Ausbau der Fernwärme und andererseits im gleichen Gebiet für Wärmepumpen. Für letzteres müssten die Stromnetze verstärkt werden. Der Ausbau der Netze ist aber eine Kernforderung, wenn u. a. die Elektromobilität gestärkt werden soll. Ist die Kritik nur ein Mittel um die Marktmacht der Stadtwerke Leipzig, bei der Wärmeversorgung, zu stärken?
Wir wollen in großem Umfang Fernwärmesysteme ausbauen, gleichzeitig gibt es parallel dazu Programme, mit denen Hauseigentümer den Einbau von Wärmepumpen gefördert bekommen. Das zwingt Stadtwerke wiederum dazu, ihre Stromnetze überall zu verstärken.* Das ist in Summe volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.
Hier müssen neue Regeln her. Wenn durch eine kommunale Wärmeplanung (KWP) der Ausbau von Fernwärme vorgeschlagen wird, sollte diese auch im Hinblick auf bezahlbare Wärmepreise gefördert werden. In den Stadtgebieten wiederum, in denen die KWP eine dezentrale strombasierte Wärmeversorgung empfiehlt, sollten dann eben Wärmepumpen oder andere Technologien durch den Staat gefördert werden.
Eine Doppelförderung sollte jedoch aus volkswirtschaftlichen Gründen in jedem Falle vermieden werden.
Zusatzfrage: Durch den Klimawandel haben wir mehr Hitzetage. Wärmepumpen können auch kühlen, alternativ steigt eventuell der Einsatz von Klimaanlagen in Häusern mit Fernwärmeversorgung. Würde das die bestehenden Netze nicht ebenfalls überfordern?
Alle diese Veränderungen versuchen wir mitzudenken, aber ja auch dieser zusätzliche Bedarf belastet die bestehenden Netze. Umso wichtiger ist der konsequente Ausbau.*
*Auch zum Netzausbau wünschten wir eine Präzisierung: Ist der Ausbau des Stromnetzes in Leipzig generell erforderlich? Ist diese Maßnahme vom überregionalen Ausbau abhängig? Vor welchen Herausforderungen stehen die Stadtwerke Leipzig dabei?
Gerade in Stadtteilen, in denen der Anschluss an die Fernwärme unwirtschaftlich ist, muss verstärkt in den Ausbau der Strominfrastruktur investiert werden und das in Milliardenhöhe, alleine in Leipzig. Wenn diese notwendige Infrastruktur dann auch noch in gleichem Maße und zur gleichen Zeit in FW-Gebieten durchgeführt werden sollte, wären alle betroffenen Energieversorger finanziell und leistungsfähig überfordert.
Der „Champagner der Energiewende“, sprich der grüne Wasserstoff, wird die übersteigerten Erwartungen nicht erfüllen. Sie sprechen davon, dass die neuen Gaskraftwerke bis 2045 mit fossilem Erdgas betrieben werden. Ist somit der Wasserstoffbetrieb für das HKW Süd vom Tisch?
Vor zwei, drei Jahren wurde intensiv über wasserstofffähige Kraftwerke, Elektrolyseanlagen und das Wasserstoff-Kernnetz gesprochen. Nun muss man zur Kenntnis nehmen, dass das Wasserstoff-Kernnetz deutlich kleiner ausfällt. Die größte Zahl von Elektrolyseanlagen, die geplant waren, kommen nicht. Das bedeutet, in den kommenden Jahren steht die benötigte Menge an Wasserstoff gar nicht zur Verfügung.
Der Großteil des grünen Wasserstoffes wird schon aufgrund der hohen Energiekosten nicht aus Deutschland kommen. Wir müssen daher stärker auf den Import von grünem Wasserstoff setzen. Aber abgeschrieben haben wir die Idee vom Wasserstoffbetrieb unseres Heizkraftwerks Leipzig Süd noch nicht.* Wenn sich mittelfristig die Rahmenbedingungen wieder ändern und ein Betrieb wirtschaftlich möglich ist, können wir sofort umstellen.
*Auch hier eine Nachfrage: „Bedeutet das, dass zumindest der Zeitplan für die Umstellung auf Wasserstoff, inkl. der vorgesehenen technischen Erweiterungen zur Nutzung von Wasserstoff obsolet ist?“
Wir hatten hier nie einen Zeitplan, da wir von externen Faktoren abhängig sind. Aber wir sind bereit, sobald es die Umstände zulassen, das Kraftwerk mit Wasserstoff zu betreiben.
Anmerkung d. Red.: Hier war voraussichtlich die Stadtverwaltung Leipzig, mit dem Termin 2035-38, der 2024 aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen resultiert, zu weit vorgeprescht.
Werden die Stadtwerke in Deutschland, die komplexere Aufgaben erfüllen, als die reinen Energieversorger, mit den anstehenden Änderungen in der Gesetzgebung im Regen stehen gelassen?
Sowohl die Stadtwerke als auch die gesamte Leipziger Gruppe erfüllen Aufgaben der Daseinsvorsorge. Nicht alle Geschäftsfelder sind kostendeckend und müssen durch andere mitfinanziert werden. Wenn also die Bundespolitik einseitig Einnahmepotenziale in der Energieversorgung beschneidet, fühlen wir uns tatsächlich ein bisschen alleingelassen.
Wenn man gleichzeitig neue, emissionsärmere Technologien fördern will, darf die Politik den Menschen nicht versprechen, dass ihre Kosten der Wärmeversorgung nicht steigen werden. Das ist unehrlich und unmöglich. Der Weg in die Klimaneutralität kostet Geld, aber er kostet nicht unser aller Wohlstand.
Was wären Ihre Wünsche, besser Forderungen, an die Bundes- und Landespolitik, um die kommunalen Stadtwerke zu unterstützen?
Da haben wir viele – hier nur ein Beispiel: Mit der Verabschiedung des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes im Jahr 2017 war festgelegt worden, dass bis 2022 in Betrieb gehende Anlagen noch vom Förderinstrument der sogenannten vermiedenen Netzentgelte profitieren können.
In Leipzig haben wir auf dieser Basis ein Kraftwerk gebaut, und die vermiedenen Netzentgelte in die Kalkulation einfließen lassen. Selbstverständlich haben wir uns darauf verlassen, dass diese Einnahmen Bestand haben werden. Das jetzt ohne Not abschaffen zu wollen, ist unseriös. Diese Überlegungen sollten schnellstmöglich vom Tisch.
Fazit: Wie fast schon erwartet, ist die Überschrift des Artikels in der ZfK etwas unterkomplex. Man kann durchaus zustimmen, wenn Karsten Rogall meint, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien systematischer, im Einklang mit dem Netzausbau, erfolgen sollte. Ein zulässiger Schluss ist, dass der Netzausbau prioritär vorangetrieben werden muss, besonders mit smarten Netzen und Energiespeichern. Ob es die Lösung ist, die Erneuerbaren-Förderung abrupt zu beenden, darf trotzdem bezweifelt werden.
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