Was hat Künstliche Intelligenz (KI) mit Faschismus zu tun? Eine Menge. Es geht um Kontrolle, Macht und Feindbilder. Um Manipulation, Entrechtung und einen Technik-Wahn, der keine Rücksicht auf Gerechtigkeit, Menschenrechte, Umwelt und Demokratie nimmt. Im Gegenteil: Beides ist letztlich darauf angelegt, die Regeln einer demokratischen Gesellschaft zu zerstören. Und wie das passiert, das analysiert Rainer Mühlhoff in diesem Reclam-Bändchen.
Es passt in jede Tasche. Man kann es also auch problemlos unterwegs lesen in Bahn und Bus, im Café oder in der Frühstückspause. Es hilft, ein wenig klarer zu sehen, was mit unserer Welt gerade passiert und warum die Tech-Tycoons aus dem Silicon Valley so bereitwillig ihre unheilige Partnerschaft mit den modernen faschistischen Bewegungen eingegangen sind, zu denen Trumps MAGA-Bewegung genaus gehört wie die deutsche AfD.
Ein Wort ist beiden gemeinsam. Ein Wort, vor der sich Demokraten schon längst fürchten sollten: Disruption. Sie wollen Systeme zerstören. Weil beide nur ein Ziel haben: den ganzen Laden und die ganze Macht allein zu übernehmen.
Neue Kleider für den Faschismus
Um zu verstehen, wie reibungslos das Denken über KI zum faschistischen Denken gehört, definiert der Philosoph und Mathematiker Rainer Mühlhoff drei Kriterien, die den Faschismus ausmachen, sodass man nicht immer auf die speziellen Ausformungen des Faschsimus in der Hitler- und der Mussolini-Ära zurückgreifen muss. Denn das Denken hinter dieser Art Staatsverständnis ist eben nicht mit dem Ende dieser beiden faschistischen Regime vergangen.
Im Gegenteil: Ganze Denkfabriken insbesondere in den USA haben dieses Denken mit neuen Schablonen und Ideologien aufgeladen, in denen das alte Endzeitdenken, der Rassismus, Ethnozentrismus und Autoritarismus der faschistischen Vorläufer modernisiert und mit unheimlicher Wucht neu in die gesellschaftlichen Debatten eingespeist wurde.
Mühlhoff analysiert alle diese Denk-Schulen, mit denen das Denken der Menschen permanent penetriert wird. Denn wenn die Menschen anfangen, die Glaubenssätze der Autoritären für bare Münze zu nehmen, geraten die Fundamente der Gesellschaft ins Wanken. Und öffnen sich die Tore für die faschistische Überwältigung.
Und das beginnt mit Vokabeln, die aus den politischen Debatten der letzten Jahre schon gar nicht mehr wegzudenken sind. Entbürokratisierung zum Bveisoeil, einem dieser Kampfbegriffe, mit dem staatliche Verwaltungsstrukturen entkernt werden sollen. Ersetzt durch schöne neue Technologien, von denen ihre Apologeten Wunder versprechen.
Ein Einfallstor für die riesigen Tech-Konzerne, die längst auch die KI als Wundermittel zur Heilung aller Verwaktungsprobleme anpreisen. Oder wie wäre es mit der Vokabel vom „schlanken Staat“, die gerade von konservativen und libertären Parteien so gern verwendet wird, um den Leuten einzureden, der Staat sei ein aufgeblasener Moloch, der ineffizient arbeite und nur die Steuergelder verprasse?
Man überhört dabei schnell, dass es eigentlich ein Frame gegen einen fürsorgenden und regulierenden Staat ist, der die entfesselte Gier der Konzerne und Aktionäre einhegt.
Technologie und Macht
Mühlhoff geht Schritt für Schritt vor. Er will seine Leserinnen und Leser mitnehmen, damit sie verstehen, warum die Slogans der libertären Parteien im Kern nichts anderes sind, als die Implementierung eines neuen Faschismus, der natürlich nicht so aussieht wie der alte. Aber es geht ihm um di selben Ziele.
Oder mal zum Thema „schlanker Staat“ zitiert: „Dieser schlanke Staat ginge allerdings mit einer drastischen Steigerung technokratischer Machtstrukturen einher. Diese Macht verfährt intransparent, muss keine Rechenschaft ablegen – und ist deshalb besonders anfällig für Missbrauch. Der gesellschaftliche Umbau durch KI stellt also mehr als eine technische Revolution dar. Er kann leicht von den Interessen autoritärer und faschistoider politischer Kräfte vereinnahmt werden – und wird es zum Teil bereits schon jetzt.“
Und um das zu verstehen, muss man natürlich wissen, was KI tatsächlich ist – und was nicht. Und so widmet sich Mühlhoff auch diesem Thema sehr ausgiebig, schildert die Entstehung dieses Begriffs, der seit den 1960er Jahren immer neue Mode-Wellen erlebt, aber nichts von dem tatsächlich enthält, was der Begriff Intelligenz tatsächlich meint.
Weder hat man einen sich seiner selbst bewussten klugen Geist vor sich, noch eine „denkende“ Maschine, die vielleicht gar zu Emotionen fähig wäre. Die kann sie imitieren. Dazu eignet sich auch maschinengenerierte Sprache perfekt. Menschen lassen sich auch von Worten und Bildern verführen. Und stellen sich nur zu gern ein lebendes Wesen vor, wenn ein Computer eine Antwort auswirft, die irgendwie so klingt, als hätte sie sich tatsächlich ein lebendiges Wesen ausgedacht.
Aber die riesigen Rechenfarmen, in denen die KI „steckt“, denken nicht. Sie haben keine Fantasie, keine Empathie, nicht einmal die Fähigkeit, sich selbst zu erkennen. Sie generieren die abgefragten Antworten aus einer riesigen Menge gesammelter Daten und berechnen schlichtweg die Wahrscheinlichkeit, welche Antwort am ehesten zur gestellten Frage passen könnte.
Man bekommt ein aus Millionen Informationen ausgefiltertes Ergebnis, hinter dem nichts anderes steckt als eine Wahrscheinlichkeitsberechnung. Und weil dieser Berechnung anhand des von den riesigen Plattformen einfach zusammengeklaubten Materials eben eine gewisse Glaubwürdigkeit anhaftet, sind nur allzu viele Menschen bereit, diesen Rechenprogrammen Intelligenz und Emotionalität zuzuschreiben. Die sie aber nicht haben.
Der technokratische Traum von der absoluten Macht
Die ihnen aber die Apologeten dieser Technologie nur zu gern zuschreiben. Mitsamt einigen Mythen, von denen sich die Menschen nur zu gern beeindrucken lassen – etwa den von den Gurus der Szene immer neu verbreiteten Ankündigungen, dass die KI in 20, vielleicht 40 Jahren die Vernunft des Menschen übertreffen werde, die Macht übernehmen werde und dann irgendwann die (ausgemusterte) Menschheit einfach auslöschen werden.
Weil: Mensch gleich lernunfähig und doof. Unfähig, seine eigenen Probleme zu lösen. Die KI könne das alles. Also gehöre KI überall hin – auch in die Verwaltung des Staates. Und die Angestellten kann man dann einfach in Massen einfach rausschmeißen, wie es Elon Musk mit DOGE in den USA schon mal vorgemacht hat.
Die Spätwirkungen bekommen wir später zu sehen. Wenn uns dann noch dazu ist, sie zu sehen, und wir nicht endgültig und dauerhaft damit beschäftigt sind, uns der permanenten Zumutungen einer entfesselten Technokratie zu erwehren, die uns eintrichtert, rücksichtslose Manager und gnadenlose Präsidenten würden alles besser können und verwalten. Der Staat als „schlankes“ Unternehmen, in dem CEOs und eine auf gnadenlose Effizienz getrimmte KI bestimmen, was im Land passiert. Und was nicht. Wer welche Rechte hat und wer nicht. Wer mitspielen darf und wer nicht.
Nur kann auch Mühlhoff bei all diesen Gurus und in all ihren von Tech-Begeisterung getragenen Büchern nicht erkennen, wo da eine Lösung sitzen soll für die Gegenwart und die akut zu bewältigenden Krisen. Die finden dort einfach nicht statt. Tatsächlich geht es diesen Leuten – und genau da wird es faschistisch – nur um ungefesselte Macht.
Die Menschen, gar die ganzen „Loser“, die nicht superreich sind und in den Vorständen der Tech-Konzerne sitzen, sollen einfach spuren und funktionieren. Teilhabe und Mitsprache sind in den Gesellschaftskonzeptionen dieser Leute nicht mehr vorgesehen. Lösungen für akute Probleme der Gegenwart schon gar nicht: „Sozialpolitische Probleme sollen entsprechend technologisch ‚gefixt‘ werden. Das wird nicht nur der Natur der Probleme nicht gerecht, sondern verhilft vor allem den industriellen Trägern von KI-Technologie zu einem erheblichen Ausbau ihrer Machtposition.“
Vergötterte Technik
Wer dann genauer hinschaut, wie diese Technokraten eigentlich die akuten Probleme der Gegenwart angehen wollen, finde tnichts. Nur lauter Heilsversprechen. Motto: Die KI wird das schon machen. Als wäre die KI tatsächlich schon das Superhirn, das sich diese Leute permanent ausmalen. Das große Heil sehen sie sowieso erst in einer fernen Zukunft. Die problembehaftete Gegenwart interessiert sie gar nicht.
Sie behaupten nur, dass nach ihrer Entmachtung des Staates alles besser wird: „Sie lehnen regulatorische Eingriffe als innovationsfeindlich ab und propagieren eine Weltanschauung, in der technologische ‘Disruption’ die Quelle für Wohlstand, gesellschaftlichen Fortschritt und eine paradiesische Zukunft ist.“
So betrachtet, ähneln ihre Ideologie den Heilsversprechen des Christentums. Nur wird hier die Technik vergöttert und mystifiziert, ohne dass sie tatsächlich das beherrscht, was sich die Propheten dieser Technologie von ihr versprechen. Wer dann – wie Mühlhoff – genauer hinschaut, merkt, dass es eigentlich nur um die Profite und den Wohlstand der Tech-Manager und ihrer reichen Kumpel geht, die vom Einsatz der disruptiven Technologien und von der Entmachtung des Staates profitieren.
Dazu passen dann all die wilden Ideen vom Transhumanismus, von der Besiedelung des Weltalls usw. „Unbeachtet bleibt die Frage, welchem Teil der heutigen Menschheit es den ermöglicht werden würde, andere Planeten zu besiedeln, ihren Geist in die Cloud hochzuladen oder auch nur an dem durch die KI-Industrie heute angehäuften Wohlstand teilzuhaben.“
Der smarte Faschismus von heute
Es ist eine Ideologie für eine kleine, rücksichtslose Elite. Womit wir wieder beim Faschismus wären, für den Mühlhoff drei Wesensmerkmale definiert: 1. antidemokratisches Wirken, 2. Gewaltbereitschaft, 3. Technologie als Machtinstrument.
Drei Merkmale, die man beim alten Faschismus des 20. Jahrhunderts genauso findet (und Mühlhoff bleibt auch die Belege nicht schuldig) wie beim neuen, smarten Faschismus, der sich mal MAGA nennt, mal Populismus. Und er lügt genauso geschmeidig, wie es der alte Faschismus tat. Mühlhoff erwähnt zwar Orwells „1984“ nicht, aber man darf ruhig daran denken. Es wird von Freiheit schwadroniert. Aber das Gegenteil ist gemeint. Das trifft auch auf das Internet zu, um das heute noch immer die alten Legenden von einer Kommunikation Gleicher mit Gleichen wabern.
Aber davon ist nichts mehr vorhanden, seit die große Tech-Plattformen das Internet gekapert, okkupiert und aufgeteilt haben. Wohl wissend, dass Informationen in der digitalen Welt Macht bedeuten. Und das Anhäufen heimlich gesammelter Informationen über alle Nutzer geradezu der Schüssel zur Manipulation der Menschen ist. Das Internet ist schon lange kein „hierarchie- und machtfreier Raum“ mehr. Im Gegenteil: Die großen Tech-Konzerne bestimmen dort die Regeln und beeinflussen damit auch die reale Politik. Denn wer das Denken der Menschen manipulieren kann, manipuliert auch die Politik.
Und nicht erst seit Musks Lobpreis für die AfD im deutschen Bundestagswahlkampf ist klar, dass sich hier zwei Bewegungen treffen, die ganz ähnlich ticken – autoritär und demokratiefeindlich, menschenverachtend, rassistisch, ausgrenzend und nur zu bereit, Technologie zur Abwertung und Unterdrückung anderer Menschen einzusetzen.
Da werden die eigenen Plattformen dann einfach dazu genutzt, nicht nur die Demokratie, sondern auch Medien und Wissenschaft zu diskreditieren und eigene „Bullshit“-Forschung als „alternatives“ Wissen unter die Leute zu bringen. Die wiederum, da sie ja kaum noch den digitalen Kosmos der Plattformen verlassen, kaum noch wissen, wie man Fakten prüft und Lügen von Wissen unterscheidet.
Die Macht der eingebildeten Weltuntergänge
Und das hat eben auch mit Emotionen zu tun. Denn Menschen, die ein positives Weltbild haben und den Menschen für fähig halten, seine Probleme zu lösen, lassen sich nicht von faschistischen Ideologien einfangen. Im Gegenteil: Sie merken, wie diese Ideologien den Raum der Kommunikation und der Freiheit in Wirklichkeit permanent angreifen und zerrütten. Aber Menschen mit einem pessimistischen Weltbild sind nur zu leicht verführbar für autoritäre Unterwürfigkeit und den Auftritt rücksichtsloser (Ver-)Führer.
Sie halten Gewalt für das wirklich legitime Mittel, um Interessen durchzusetzen. Denn für sie bildet die Welt ja eine katastrophische Szenerie, direkt auf das Armageddon zusteuernd, von unheimlichen und unfassbaren Kräften getrieben. Man merkt schon an dieser Stelle, wie nahe sich Verschwörungsideologien und Faschismus sind. Sie legitimieren beide die Gewalt und den Hass. Und da sie Menschen nicht (mehr) zutrauen, Probleme gemeinsam zu lösen, sind sie nur zu bereit, Technologie als Machtinstrument zu akzeptieren. Selbst wenn sie die Technologie gar nicht verstehen.
Hier gehen dann „Tech-Ideologien“ und die „Mythologie faschistischer Weltanschauung“ ihre Symbiose ein. In den USA geradezu live auf politischer Ebene zu erleben. Und sie profitieren natürlich von den Untergangs-Narrativen, die sie selbst in die Welt gesetzt haben. So penetrant und mit Wucht, dass sich selbst friedliebende Menschen davon treiben und beeindrucken lassen. Bis sie nicht mehr sehen, dass dieses Bild vom drohenden Untergang falsch ist. Dass es nicht einmal für die Gegenwart stimmt. Und dass es vor allem zu einem da ist: Den Menschen den Denkraum zu nehmen, in dem sie sich viele verschiedene Zukünfte ausdenken können.
Sackgasse der Alternativlosigkeiten
Da fällt einem das fatale Wort „alternativlos“ wieder ein, mit dem die Neoliberalen ihre „alternativlose“ Vorstellung von Wirtschaft und Politik in die Köpfe gehämmert haben. Hier sind die Grenzen fließend, weil sich der Neoliberalismus nur zu gern als Freiheitsdenken verkauft, obwohl er nichts anderes will, als die entgrenzte Freiheit der Reichen, Mächtigen und Rücksichtslosen. Den „schlanken Staat“ haben die Neoliberalen erfunden. Aber Faschisten finden ihn genauso toll.
Denn dieser schlanke Staat eignet sich ideal zur rücksichtslos praktizierten Macht. Man vergisst ja zu gern, dass der so systematisch von rechts geschmähte Staat auch all das garantiert, was in unserer Gesellschaft überhaupt an Gleichheit, Verteilung, Gerechtigkeit und Fairness möglich ist. Dass die großen Tech-Konzerne das unterm Banner einer falschen „Freiheit“ angreifen, hat nichts mit einer besseren Welt zu tun, sondern nur mit dem als radikal gedachten Machtzugriff einiger weniger Superreicher und Supermächtiger.
Dass diese Ideologien schon früh im Labor Silicon Valley im Schwang waren und durch millionenschwer geförderte Thinktanks systematisch auch in die politischen Debatten geschleust wurden, auch darauf geht Mühlhoff ein. Sein Essay ist ein Angebot an alle, die wissen wollen, warum die Tech-CEOS und die modernen Faschisten so leicht eine Symbiose eingehen und im Grunde dieselben Ziele verfolgen. Worunter die Entkernung und Zerstörung der Demokratie ganz oben auf ihrer Agenda stehen.
Man darf gewarnt sein. Das Büchlein tut das Seinige dazu.
Rainer Mühlhoff „Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus“ Reclam, Ditzingen 2025, 8 Euro.
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