Am Donnerstag durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen in Leipzig-Connewitz, eine Maßnahme soll mit dem Lina E.-Verfahren in Verbindung stehen. Außerdem haben Unbekannte zwei Neonazis in Erfurt überfallen und schwer verletzt. Und in Lützerath könnte die bisher schnelle Räumung aufgrund eines von Aktivist/-innen gegrabenen Tunnels ins Stocken geraten. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 12. Januar 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Razzia in Connewitz: Demo am Abend angekündigt

Die Polizei hat in den vergangenen Jahren mehrere Razzien in der linken Szene Leipzigs durchgeführt, beispielsweise im Juni und Januar letzten Jahres – heute ist eine weitere dazugekommen. Am frühen Morgen und bis in den Mittag hinein durchsuchten Beamt/-innen des Landeskriminalamts (LKA) auf Anordnung der Leipziger Staatsanwaltschaft zwei Wohnungen in Leipzig-Connewitz, einmal eine Privatwohnung über dem Verein „linXXnet“ in der Brandstraße und einmal eine Wohnung in der Leopoldstraße.

Gegen wen genau sich die Durchsuchungen richteten, ist nach wie vor nicht ganz klar. Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz wollte sich Stand Donnerstag, 17 Uhr weder zu den Tatvorwürfen noch zu den Beschuldigten äußern. Sicher ist nur, dass die beiden Hausdurchsuchungen jeweils verschiedenen Ermittlungsverfahren zuzuordnen sind und laut Schulz in keinem Zusammenhang stehen. Von den Durchsuchungen betroffen seien jeweils die Beschuldigten der Verfahren.

Laut der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel – deren Büro sich im „linXXnet“ befindet – steht mindestens eine der heutigen Maßnahmen, und zwar die in der Leopoldstraße, im Bezug zum Verfahren gegen die Leipziger Studentin Lina E., der seit September 2021 in Dresden der Prozess gemacht wird. Konkret soll es um einen Überfall auf Neonazis am Wurzener Bahnhof im Februar 2020 gehen.

Nagel, die während der Razzia heute zeitweise vor Ort war, bezeichnete die polizeilichen Maßnahmen als „unverhältnismäßig“.

Kurz nachdem die ersten Infos über die Razzia heute Morgen durch die Social-Media-Feeds sickerten, versammelten sich Personen aus dem „linXXnet“-Umfeld in der Brandstraße und meldeten eine spontane Kundgebung bei der Polizei an, um gegen die Razzia zu demonstrieren. Für heute Abend ist eine weitere Demonstration unter dem Motto „Fight Repression“ in Connewitz angekündigt, die LZ wird berichten.

Die Kollegen Michael Freitag und Lucas Böhme haben die heutigen Ereignisse in Connewitz in einem Bericht zusammengefasst.

Brutaler Angriff auf zwei Neonazis in Erfurt

Ein Überfall auf Neonazis, der in seinem Ablauf und seinem Gewaltlevel einigen Taten ähnelt, welche die Bundesanwaltschaft Lina E. und weiteren Personen im Dresdner Mammutverfahren anhängt, ereignete sich heute in Erfurt. Wie der MDR berichtet, griffen acht vermummte Personen am Donnerstagmorgen zwei Männer in der Pestalozzistraße an.

Die beiden 24 und 34 Jahre alten Männer, bei denen es sich laut Polizei um Neonazis handelt, seien dabei schwer am Kopf verletzt worden. Sie befinden sich außer Lebensgefahr und werden derzeit in einem Krankenhaus behandelt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls waren sie auf dem Weg zur Arbeit. Die Angreifer/-innen waren laut den Berichten mit einer Axt, Totschlägern und Pfefferspray bewaffnet.

Aufgrund der Gesinnung der angegriffenen Männer geht die Polizei von einer politisch motivierten Tat aus. Die angreifende Gruppe soll laut Aussagen von Zeug/-innen aus sechs Männern und zwei Frauen bestanden haben. Einer der Angreifer soll laut dem MDR die Tat selbst gefilmt haben, außerdem soll eine Passantin das Geschehen mit ihrem Handy dokumentiert haben.

Die Polizei blieb bei der Suche nach der angreifenden Gruppe bisher erfolgslos. Derzeit werden Zeug/-innen des Überfalls befragt.

In Erfurt wurden in den vergangenen Jahren in mehreren Fällen Akteur/-innen der Neonazi-Szene in ähnlicher Weise überfallen. Im Mai 2021 drangen Unbekannte in die Wohnung eines Rechtsextremen ein und verletzten ihn mit einem Hammer schwer. Und im April 2022 verprügelten maskierte Unbekannte die Verkäuferin eines Bekleidungsgeschäfts, das rechte Szeneklamotten verkauft.

Polizei räumt Lützerath in hoher Geschwindigkeit

Die Räumung des von Aktivist/-innen besetzten Dorfes Lützerath am Rande des Tagebaus Garzweiler in Nordrhein-Westfalen ging derweil am Donnerstag weiter. Laut mehreren Medienberichten kommt die Polizei dabei schnell voran. Am Mittwoch war die Einsatzkräfte erstmals ins Dorf vorgedrungen.

Heute machten Bilder die Runde, die Polizeibeamt/-innen bei Räumungsaktionen in dem Ort zeigen. Beide Seiten scheinen gut vorbereit: Einige Aktivist/-innen klebten sich an Türen fest, um das Eindringen der Polizeikräfte in Häuser zu erschweren. Die Polizei wiederum ist mit schwerem Gerät ausgestattet.

Die Klima-Aktivist/-innen, von denen einige seit 2020 in dem Ort wohnen, werden der Polizei vor, „Menschen willentlich zu gefährden“.

Einsatzkräfte nahmen heute mehrere Besetzer/-innen fest und transportierten sie in RWE-eigenen Transportern ab. Der Energiekonzern hat derweil damit begonnen, Häuser im Ort abzureißen und Bäume zu fällen. Rund 100 Personen blockierten heute einen Zufahrtsweg des Dorfes, darunter auch das bekannte „Fridays For Future“-Gesicht Luisa Neubauer. Sie wurden von der Polizei weggetragen oder abgeführt.

Haben Aktivist/-innen einen Tunnel unter Lützerath gegraben?

Dann veröffentlichten Aktivist/-innen heute noch ein Video, das für viel Diskussionsstoff sorgt und die aktuell schnell ablaufende Räumung des Ortes deutlich verzögern könnte. Es zeigt zwei vermummte Personen, die unter Tage zu sitzen scheinen und mit computerverzerrter Stimme erklären, Tunnel unter Lützerath gegraben zu haben, mit dem Ziel, die Räumung zu verzögern.

Die Polizei prüft nach eigenen Angaben aktuell die Möglichkeit eines Tunnelsystems unter Lützerath. Sollten sich die Angaben bestätigen, könnte die komplette Räumung und somit die Abbaggerung des Ortes tatsächlich in deutlich weiterer Ferne liegen als auf Grundlage der Räumungsgeschwindigkeit der letzten zwei Tage angenommen.

Denn schwere Geräte oder Fahrzeuge zum Fällen von Bäumen oder Abriss von Häusern dürften dann erstmal nicht zum Einsatz kommen, da sie im untergrabenen Boden einbrechen könnten und dabei eventuell Menschen gefährdet wären, die sich im Tunnel befinden oder die Geräte steuern.

Großdemonstration mit Greta Thunberg in Lützerath geplant

Die Wut der klima-aktivistischen Szene richtet sich zunehmend nicht nur gegen die Polizei, sondern auch gegen die Grünen. Sie regieren gemeinsam mit der CDU in NRW und haben die Abbaggerung Lützeraths sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene mitzuverantworten.

Heute besetzten Aktivist/-innen sowohl das Regionalbüro von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) in Flensburg als auch die Grünen-NRW-Parteizentrale in Düsseldorf. Letztere wird bereits zum zweiten Mal in dieser Woche besetzt. Die Besetzer/-innen fordern ein sogenanntes Moratorium und ein persönliches Verhandlungsgespräch mit NRWs Energieministerin Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen). Neubaur zeigte sich heute offen für ein derartiges Gespräch.

Unter Lützerath befinden sich rund 280 Millionen Tonnen Braunkohle. Laut des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung würde der Abbau dieser Menge Kohle die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels in Deutschland unmöglich machen.

Die Bundesrepublik hat sich im Jahr 2015 gemeinsam mit knapp 200 anderen Staaten im Rahmen des Pariser Klimaabkommens selbst dazu verpflichtet, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur möglichst auf 1,5 Grad Celsius verglichen mit dem vorindustriellen Niveau zu beschränken.

Für Samstag rufen verschiedene Klimagruppen, darunter „Fridays For Future“, zu einer Großdemonstration bei Lützerath auf. Auch Greta Thunberg hat ihr Kommen angekündigt. Bundes- und europaweit wird dafür nach Lützerath mobilisiert, auch aus Leipzig wollen sich hunderte auf den Weg machen, um gegen die geplante Abbaggerung zu demonstrieren und die Besetzer/-innen vor Ort zu unterstützen.

Soli-Demo für Lützerath in Leipzig: Grünen-Büro beschädigt

Und auch in Leipzig regt sich seit einigen Wochen aktiver Protest gegen die Räumung Lützeraths. Am Mittwochabend versammelten sich rund 20 Personen aus dem antikapitalistischen Spektrum in Reudnitz und zogen in Solidarität mit den Aktivist/-innen in Lützerath mit Transparent, Sprechchören und Pyrotechnik durch die Straßen. Sie machten die am Mittwoch begonnene Räumung Lützerath zum Anlass ihres Protests.

Die Route der Spontandemonstration führte über den Täubchenweg, die Heinrichstraße, die Kohlgartenstraße und die Elsastraße zum Elsapark, wo sich die Demonstration gegen 21:30 Uhr auflöste.

Parolen wie „Polizei NRW – der Schlägertrupp von RWE“ oder „Brecht die Macht der Banken und Konzerne!“ waren dabei zu hören. Auf dem Plakat, das die Gruppe vor sich trug, war der Schriftzug „Unsere Solidarität gegen eure Repression. Gegen Kapitalismus“ zu lesen.

Aus der Gruppe heraus wurde während der Aktion ein Parteibüro der Grünen und eine Filiale der Allianz-Bank attackiert. Dabei ging die große Scheibe des Grünen-Quartiers zu Bruch. Außerdem zündeten die Demonstrant/-innen eine Mülltonne an und sprühten Graffiti. Die Feuerwehr musste ausrücken, um den Brand zu löschen.

Die Grünen-Landtagsabgeordneten Daniel Gerber und Christin Melcher verurteilten die Attacke auf ihr Büro heute, „Friedlicher Protest ist immer legitim, aber solche Aktionen sind völlig inakzeptabel“, kritisierte Gerber. Die Polizei hat die Ermittlungen wegen eines Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung aufgenommen.

Festnahme nach mutmaßlicher Entführung in Leipzig und erneut Panne im Vorfeld der Berliner Wiederholungswahl

Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat:

über die Bilanz der strafrechtlichen Aufarbeitung des sogenannten Überfalls auf Connewitz

über den Umbau der Sesenheimer Brücke zu einer barrierefreien Infrastruktur

im Liveticker über die Demo-Geschehnisse am Abend heutigen Abend in Connewitz

Was heute außerdem wichtig war: Eine mutmaßliche Entführung in Leipzig-Probstheida am Dienstagabend ist längst nicht umfassend geklärt – doch mit der Befreiung eines 29-Jährigen und der Festnahme eines Verdächtigen (21) zumindest für den Moment zu einem erleichternden Ende gelangt. Die Hintergründe sind bisher völlig unklar, die Polizei ermittelt wegen erpresserischen Menschenraubes.

Einen Monat vor der Wiederholung der Wahl zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus hat die CDU laut einer Spiegel-Umfrage die Nase vorn. Und es gibt Berichte über erneute Pannen im Vorfeld der Widerholungswahl: Ein FDP-Kandidat, der gar nicht zur Wahl steht, soll auf den Wahlzetteln für Berlin-Neukölln aufgetaucht sein. Die Briefwahlunterlagen sind bereits verschickt worden.

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