Warum sollten die Menschen „da draußen“ das lesen, was ich zu sagen habe? Diese Leitfrage galt es zu beantworten im zweiten Workshop des Projekts „Bürgerjournalismus als sächsische Beteiligungsoption – Pilotierung eines Weiterbildungsformates für Bürgerjournalisten“, welcher am 12. November 2022 in der Plagwitzer Brauerei (Klingenstraße 22) stattfand.

Hier braut Jakob Treige, der das zur Brauerei gehörige Ladenlokal „Kessel Buntes“ an diesem Tag im Alleingang für uns schmiss, seit 2019 sein eigenes Bier.

Für uns allerdings startete der Tag nicht mit „Gebräu“, sondern mit jeder Menge Kaffee und Ideen. Allseitige Wiedersehensfreude und Tatendrang beherrschten den Raum. Neben den Teilnehmenden aus Leipzig, Ölzschau, Colditz, Großpösna, Böhlitz und Dresden, die schon beim ersten Auftakts-Workshop auf Schloss Belgershain dabei waren, gesellten sich noch zwei Bewohner/-innen des Wagenplatzes „Karl Helga“ hinzu, der direkt „um die Ecke“ der Brauerei liegt.

Unser Ziel: Erzählansätze und Blickwinkel zu finden für die Themen, mit denen im Gepäck ein/-e jede/-r Teilnehmer/-in an diesem sonnigen Herbsttag den Weg in den Westen Leipzigs gefunden hatte. Denn oft stellt man fest: Ein Thema kann als noch so interessant oder relevant empfunden werden – „falsch“ erzählt, wird es schnell überblättert beziehungsweise weggeklickt. Nicht zuletzt liegt das wohl auch an der gefühlt immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne erwachsener Leser/-innen und dem Über-Entertainment, welchem wir ausgesetzt sind.

„Das ist ein offener Raum – man brüllt hinein und nichts kommt zurück“, stellte Projektinitiator Frank Beutner nüchtern fest. Doch genau diesen offenen Raum gilt es, mit Leben zu füllen und als Sprachrohr zu benutzen. Und sich nicht entmutigen zu lassen, wenn auf das eigene „Gebrüll“ zunächst keine Antwort erfolgt. Geschichten wollen uns bewegen. Nicht immer gelingt ein persönlicher Bezug zur Leserin oder zum Leser. Manchmal müssen auch einfach die (harten/wissenschaftlichen/unangenehmen) Fakten auf den Tisch geknallt werden, bevor es „intimer“ werden kann.

Wer gestaltet die Stadt?

Diesen persönlichen Bezug stellte Birte für uns mit einem kleinen Vortrag über die Lebensart auf dem Wagenplatz her. Die Bewohner/-innen auf „Karl Helga“ gestalten das Zusammenleben basisdemokratisch, leben weitestgehend autark und laden immer wieder zur Küfa (Küche für alle) oder Theater- und Tanzveranstaltungen auch Nicht-Wagenplatzbewohner/-innen auf ihr Areal ein.

Der Ansatz „Selbst machen und teilen“ dient nicht nur der Selbstwirksamkeit, sondern auch dazu, Ressourcen zu schonen und sich gegenseitig zu unterstützen. In der Mittagspause konnten wir uns selbst ein Bild davon machen. Während wir über den Platz spazierten, wurde vor einem Wagen Holz gehackt, an anderer Stelle saugten Solarpanels die Sonnenstrahlen zur Stromversorgung ein.

Auch, wenn sich wohl nicht ein/-e jede/-r aus der Gruppe das Leben auf einem Wagenplatz vorstellen könnte, hatten uns Birte und Jini, die uns ihr Zuhause zeigten, „gecatched“.

Nachdem wir uns wieder im Warmen befunden hatten, den nächsten Kaffee vor der Nase, wurde in der Gruppe diskutiert, welcher Ansatz gewählt werden sollte, um Leser/-innen für das Thema zu begeistern. „Die Frage, die wir uns stellen sollten, lautet doch: Wie wollen wir die Stadt gestalten und wer gestaltet sie?“, warf LZ-Redakteur Robert Dobschütz in dem Zusammenhang ein noch viel größeres Thema in den Raum.

In den letzten Jahren beginnen sich immer mehr Menschen anhand von steigenden Mieten und Gentrifizierung diese Frage zu stellen. Wieder ging es um direkte Beteiligung: Inwieweit haben wir als Bürger/-innen überhaupt die Möglichkeit, mitzugestalten?

Auch für alle weiteren in Belgershain erarbeiteten Schwerpunkte stellten wir in der Gruppe Fragenkataloge zusammen. Louise aus Dresden wird dem Strukturwandel in Sachsen auf den Zahn fühlen, Harald kämpft für den Erhalt der Baumbestände am Wilhelm-Leuschner-Platz, Matthias möchte der Wasserversorgung der Zukunft auf den Grund gehen.

Noch Stunden hätten wir zusammensitzen und Ideen entwickeln können. Nun geht es nach der vielen Theorie aber vor allem ums Machen. Die Anfragen sind raus, die Richtung bestimmt, die Geschichten wollen erzählt werden. Bald zu lesen auf der LZ.

„Zweite Runde des Projekts Bürgerjournalismus“ erschien erstmals am 25. November 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 108 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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