Am Wochenende betätigten sich ja gleich reihenweise deutsche Medien damit, so richtig schön Panik zu verbreiten. Angefangen hatte die „Welt am Sonntag“, welche die Aussage des Chefs des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Ralph Tiesler kolportierte, ab Januar sei in Deutschland mit Stromausfällen zu rechnen. „Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird.“ Am Sonntag dementierte das Amt die Aussagen seines Chefs. Aber auch in Leipzig gibt es Panikmacher.

Die deutlich übertriebene Meldung der „Welt am Sonntag“ hatten dann reihenweise andere Medien übernommen, von der „Zeit“ über den WDR und den eiligen MDR bis zum „Spiegel“, der ebenso unhinterfragt meldete: „Bundesamt für Bevölkerungsschutz rechnet mit Stromausfällen im Winter“.

Panikmodus ohne Grundlage

Doch die ganze Panikmache hatte überhaupt keine Grundlage. Noch am Sonntag, dem 20. November, schickte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe die Klarstellung in die Welt: „Ein großflächiger Stromausfall in Deutschland ist äußerst unwahrscheinlich. Das elektrische Energieversorgungssystem ist mehrfach redundant ausgelegt und verfügt über zahlreiche Sicherungsmechanismen, um das Stromnetz bei Störungen zu stabilisieren.

Ebenso wird die Wahrscheinlichkeit als gering angesehen, dass es regional und zeitlich begrenzt zu erzwungenen Abschaltungen kommt, um die Gesamtversorgung weiter sicherzustellen. Auf ein solches Szenario hatte sich BBK-Präsident Tiesler in seinem Interview mit der ‚Welt am Sonntag‘, welches am 19. November 2022 erschienen ist, bezogen, um die grundsätzliche Bedeutung von Vorsorgemaßnahmen hervorzuheben.

Die missverständliche Formulierung bedauert das BBK und stellt diese hiermit klar.“

„Missverständliche Formulierung“ ist gut.

Was alles so droht

Dass die Springerzeitung „Die Welt“ und ihre Schwesterzeitungen einen Hang zur Dramatisierung und Panikmache haben, hätte man beim BBK eigentlich wissen müssen. Schon am 15. September hatte die „Welt“ getitelt: „‚Gefahr eines Blackouts gegeben‘ – Was Deutschland im kommenden Winter droht“.

Und es ist noch immer so, dass selbst seriöse Medien auf solche Kampagnen nur zu gern einsteigen – selbst ohne eigene Recherche. Es geht um Clicks, es geht um Tempo und darum, die Aufmerksamkeit der Leser/-innen abzugreifen. Also wird die Meldung hundertfach weiterverbreitet. Und ist damit in der Welt. Denn so schnell kann keine seriöse Redaktion nachprüfen, ob das, was da hinausgehauen wird, so stimmt oder ob die Kollegen beim eiligen Blatt da einfach nur zugespitzt haben fürs Clickbaiting.

Dass ein für Katastrophen zuständiges Bundesamt „davon ausgehen muss“, dass es zu Stromausfällen kommt, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber so, wie es formuliert wurde, klang es nun einmal so, als ob das Amt ab Januar tatsächlich davon ausginge, dass es regional und großflächig zu längeren, also sogar tagelangen Blackouts käme.

Dass das so ganz und gar nicht erwartet wird, stellte dann das BBK am Sonntag fest.

Und auch die „Zeit“ musste sich, nachdem sie am Tag zuvor noch die Meldung der „Welt am Sonntag“ verbreitet hatte, korrigieren.

Panik à la Städtetag

Dass das immer neue Panikschüren Folgen zeitigt, machte ja selbst eine Meldung des Deutschen Städtetages vom 15. Oktober deutlich, die sich auf ein Interview des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, mit der Süddeutschen Zeitung bezog.

Darin sagte er unter anderem: „Ein Blackout ist ein realistisches Szenario.“ Und: „Das Land müsse sich darauf einstellen, dass verschiedene Krisensituationen aufeinanderträfen. Vor allem bei einem längeren Blackout würden Ressourcen knapp, und die Informationslage sei unklar. ‚Eine funktionierende Notversorgung mit Wasser und Wärme ist nur über maximal 72 Stunden möglich‘“.

Was dann in Leipzig gleich wieder einen Schwanz von Anfragen und Anträgen im Stadtrat zur Folge hatte.

Die Linksfraktion formulierte unter der Überschrift „Sicherung der Versorgung mit Elektroenergie, Wärme, Gas und Wasser sowie des täglichen Lebens und die Vorbereitung der Stadt und der Stadtbevölkerung auf Blackout und Sabotage“ gleich ein ganzes Fragenpaket, in dem sie direkt auf den Artikel in der „Süddeutschen“ Bezug nahm: „Die Süddeutsche Zeitung meldete am 15. Oktober 2022 auf ihrer Homepage unter der Überschrift ‚Städtetag: Mehr zu Katastrophen-Selbsthilfe Informieren‘: ‚Deutschlands Städte fordern, die Bevölkerung stärker über mögliche Folgen von Energieknappheit oder Sabotage zu informieren.‘

‚Ein Blackout ist ein realistisches Szenario‘, und ‚wir müssen uns darauf einstellen, dass verschiedene Krisensituationen aufeinandertreffen‘, warnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, in der ‚Süddeutschen Zeitung‘. ‚Eine funktionierende Notversorgung mit Wasser und Wärme ist nur über maximal 72 Stunden möglich.‘

Ein Problem sei dabei: ‚Die Menschen in Deutschland sind bisher unerfahren mit Krisen und Katastrophen‘, erklärte Dedy. ‚Deshalb ist eine kontinuierliche, transparente und niedrigschwellige Aufklärung über mögliche Risiken wichtig. Kampagnen zur Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit müssen deutlich stärker und breiter ausgerollt werden.‘“

Immerhin ist ja Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung Vizepräsident des Deutschen Städtetages. Er hätte ja Kenntnis haben sollen von den Besorgnissen des Hauptgeschäftsführers. Aber das Fragenpaket ist noch nicht beantwortet. Wahrscheinlich wird es in der Dezember-Ratsversammlung besprochen. Dann könnte auch das ebenso besorgte Fragenpaket von Torsten Füth zur Beantwortung anstehen. Er hatte wieder ein anderes Medium konsumiert.

Die Rolle des ÖRR

„Wie Veröffentlichungen zu entnehmen ist, hat sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines sogenannten Blackouts nicht zuletzt aufgrund der von der Politik angeheizten internationalen Lage in Verbindung mit einer völlig fehlgeleiteten Energiepolitik erheblich erhöht, aktuell auch thematisiert in der Sendung Report der ARD am 25.10.2022“, so Füth.

Die erwähnte Sendung haben wir zwar in der Mediathek der ARD nicht gefunden. Aber dafür einen ganzen Schwung von Sendungen, die sich genüsslich mit dem Thema Blackout beschäftigen: „Blackout – Hessen ohne Strom“, „Sorge um Blackout in Deutschland“, „Winnweiler bereitet sich auf Blackout vor“, Schnaitenbach auch. Mittendrin dann ein Beitrag, der die ganze Panikmache wieder einfangen soll: „Blackout-Angst: Wie ein Horrorszenario instrumentalisiert wird“.

Da müssten sich auch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten so langsam fragen, welche Rolle sie eigentlich in der Berichterstattung spielen wollen.

Blackout-Angst: Wie ein Horrorszenario instrumentalisiert wird

Der schnöde Ernst der Lage

Denn dass da eine ganze Latte von Leuten, die von den Medien zu „Experten“ gemacht wurden, öffentlich ihre Meinung zur Möglichkeit von Blackouts verkündet hat, mündet dann meist auch in Anträge populistischer Parteien wie der AfD.

Einen solchen gab es nun auch im Leipziger Stadtrat, in dem mal wieder kühn und ohne jede Quellenangabe behauptet wird: „Laut Expertenmeinungen ist es realistisch, dass in näherer Zukunft tagelange Strom- und/oder Gasausfälle (Blackout) eintreten könnten. Die Gasversorgung ist infolge der Sanktionen gegen Russland gefährdet. Zwar wurden Kohlekraftwerke in Deutschland teilweise wieder hochgefahren, aber dies soll nur übergangsweise sein und der Ausstieg aus der Kernkraft soll nach aktuellem Stand zum April 2023 erfolgen. Außerdem werden Hackerangriffe als ernstzunehmende und akute Gefahr angesehen.“

Also fordert die AfD-Fraktion schleunigst die Erstellung eines Notfallplans. Alarmstimmung ist eben ihr Heimspiel. Da kann es gar nicht schrill genug zugehen: „Ein längerer Zusammenbruch der Energieversorgung hat katastrophale Folgen für die elementaren Bedürfnisse der Bürger, wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser sowie die öffentliche Sicherheit.

Vielen Bürgern ist der Ernst der Lage möglicherweise noch nicht bewusst, hier ist eine entsprechende Informationskampagne der Stadt für eigene Vorsorgemaßnahmen notwendig.
Die Zeit drängt. Ein weiteres Zuwarten und Hoffen auf mildes Wetter im Winter oder auf eine günstige Entwicklung in Politik und Energieversorgung wäre grob fahrlässig und verantwortungslos gegenüber den Bürgern der Stadt Leipzig.“

Aber wie das BBK feststellte, rechnet nicht einmal dieses für Katastrophen zuständige Amt mit einem großflächigen Stromausfall. Und auch „regional und zeitlich begrenzt (…) erzwungene Abschaltungen“ sind eher unwahrscheinlich.

Der AfD-Antrag wurde in der Novemberratssitzung erst einmal ins Verfahren verwiesen. Denn die Lage ist nicht wirklich so ernst, wie die AfD-Fraktion so schrill formuliert und so viele Medien in fröhlicher Katastrophenstimmung ausgemalt haben.

Oder wie Alexander Neubacher in einer „Spiegel“-Kolumne beinah weise feststellte: „Nichts elektrisiert Journalisten mehr als die Aussicht auf eine finstere Zukunft. Aber so lässt sich die Wirklichkeit nicht abbilden.“

Stimmt. Genau so. Nur halten sich leider viele Redakteure nicht die Bohne daran und malen weiter Katastrophenszenarien in einer erstaunlichen Lust an Weltuntergängen.

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Es gibt 2 Kommentare

Also mit seiner Aussage “Die Menschen in Deutschland sind bisher unerfahren mit Krisen und Katastrophen” liegt Herr Dedy ja völlig im Abseits: Neben den zwei Katastrophen, die weiter zurück liegen, gab es den Blackout Made in DDR zu Silvester 1979, wobei damals die wenigen öffentlichen Telefonanlagen funktionierten im Gegensatz zum Funknetz fürs Handy. Im Netz sind sogar Dokumentationen zu dem Blackout und den Folgen verfügbar, einfach mal ansehen…..

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