15.000 Teilnehmer/-innen wollen der namentlich unbekannte Anmelder und sein angeblich nur als „Medienpartner“ auftretende Journalismusaktivist Jürgen Elsässer mit seinem „Compact“- Magazin begrüßen. Am heutigen 26. November 2022 wird sich das Geschehen ab etwa 14 Uhr rings um den Simsonplatz, einen Auftritt Björn Höckes und den anschließenden rechtsradikalen Marsch in Leipzig drehen. Leipzig, einst vom Rechtsextremisten Christian Worch aufgrund der hier erlebten Widerständigkeit gegen Faschisten zur „Frontstadt“ erklärt, soll offenbar mal wieder „erobert“ werden. Und dabei die Kriegsschuld in der Ukraine umgedichtet werden.

Der Schlachtruf lautet dieses Mal ab 15 Uhr „Ami go home“; ein unter „Querdenkern“ und Neonazis altbekanntes Narrativ der besetzten, also vorgeblich unsouveränen „BRD“, wird so mal wieder bedient. Inklusive der neuen Selbstverharmlosung rechtsradikaler Demokratiefeinde als einzige antikriegerische Kraft im Lande.

Erwartet wird seitens der Polizei offensichtlich ein Großeinsatz, auch dank der Vielzahl an Gegendemonstrationen, denn bereits vor Tagen sagte man das Fußballspiel Dynamo BFC Berlin gegen die BSG Chemie Leipzig ab. Und verlegte den Anstoß auf Dienstag, den 29.11., mitten in die (Arbeits)woche.

Am 24. November 2022 erklärten die Fans des Fußballverein BFC Dynamo, dass sie nun alle 500 Gästekarten für das Spiel zurückgeben würden. Für sie, die offenbar unter dem Mangel an einsatzfähigen Polizeibeamten wegen des Demonstrationsgeschehens eine Spielverlegung hinnehmen mussten, war der Dienstag statt des Wochenendes keine Alternative für eine Auswärtspartie.

In einer Mitteilung dazu heißt es unter anderem: „Auch wenn die Zeit sich geändert hat, wurden in früheren Jahren Spiele durch den Verband angesetzt und später mit den Vereinen abgestimmt. Damals gab es kaum solche Spielverlegungen, sodass man als Fan planen konnte, Urlaube nicht umsonst genommen wurden oder Fanbusse storniert werden mussten, wie gerade auch erforderlich wurde.“ Und weiter fordere man „auch die Polizei auf, dass diesbezüglich ein Umdenken stattfindet. Spieltermine, die angesetzt wurden bzw. angesetzt werden, sollten weitestgehend eingehalten werden.“

So sollten Spiele nur „aus nachvollziehbaren Gründen verlegt werden, was eine Ausnahme darstellen muss.“ Die sah die Polizeidirektion Leipzig angesichts des Demogeschehens am 26. November 2022 ab etwa 14 Uhr in Leipzig als offenbar gegeben an.

Den Liveticker vom 26. November ab 12 Uhr findet Ihr hier auf L-IZ.de

Der Abend zuvor

Für den Leipziger Gegenprotest begann der heutige 26.11.2022 bereits am Vorabend. Schon am Freitag trafen sich rings um das „Rabet“ im Leipziger Osten rund 100 Antifaschisten.

Hier drehten sich am Freitagabend die Redebeiträge um die sogenannten „Montagsdemonstrationen“, die Kontinuitäten in der „Querdenker“-Bewegung seit 2020 und im Ausblick auf den heutigen Samstag um Björn Höcke und seinen Auftritt in Leipzig (siehe Video).

Das meiste Getümmel konnte jedoch mal wieder der „Querdenken“-Szene-Youtuber Sebastian W. alias „Weichreite TV“ für sich verbuchen, welcher im Dunkel des Parkes am Rabet erneut Journalist spielte. Insgesamt zwei Strafanzeigen stellte er gegen Antifaschist/-innen, welche ihn einen „Nazi“ nannten, nachdem er trotz ständiger Aufforderungen, sich zu entfernen, immer wieder versuchte, Demoteilnehmerinnen anzusprechen.

Wie gewohnt, ohne Presseausweis und journalistische Kompetenz geriet der Handyfilmer am Ende auch noch mit Polizeibeamten aneinander. Als diese versuchten, aufgrund der permanenten Wortgefechte zwischen ihm und den Demonstranten, ihm einen festen Platz zuzuweisen, von dem aus er seinen Livestream laufen lassen sollte, erwog er auch noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den leitenden Einsatzbeamten.

Zuvor hatten die gleichen Polizisten aufgrund seiner Anzeigen mindestens eine junge Frau in Gewahrsam genommen, um die Personalien festzustellen.

Während der Kundgebung am „Rabet“ stieß eine Demonstration mit etwa 500 Teilnehmenden vom Alexis-Schumann-Platz kommend über die Eisenbahnstraße dazu. Diese Versammlung forderte den Stopp von Femiziden, der Gewalt gegen Frauen, die zudem noch immer allzuoft tödlich endet.

Anlass war unter anderem der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen, welchen auch der DGB mit einer Kundgebung am Volkshaus beging. Vielleicht auch ein Zeichen für den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft: insgesamt fanden sich am ganzen gestrigen Tag in Leipzig kaum mehr als 1.000 Demonstrationsteilnehmer/-innen ein, um ihre Stimme gegen das Quälen, Erschlagen, Stalken oder Missbrauchen von Frauen zu erheben.

Der Samstag

Zur Demonstration um Jürgen Elsässers Propagandablättchen „Compact“ hingegen wollen angeblich 15.000 Teilnehmende aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen für eine Schwächung der Westbindung Deutschlands und die angebliche Kriegsschuld des Westens in der Ukraine demonstrieren. Oder, um die Kriegsschuldumkehr am russischen Einmarsch in der Ukraine mit Elsässers Worten zu sagen, würde die USA jedes Land, welches sich nicht unterordne, „mit Krieg“ überziehen.

„Deswegen jetzt der blutige Vorstoß gegen Russland“, so das rechtsradikale Narrativ Elsässers über einen angeblich angegriffenen Angreifer namens Russland, welches gerade versucht, die gesamte Infrastruktur eines souveränen Nachbarstaates zu zerbomben.

Eine unter „Querdenkern“ weitverbreitete Erzählung, welche sogar Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung im Vorfeld des heutigen Tages dazu brachte, ausdrücklich noch einmal die Solidarität mit der Ukraine zu betonen. „Leipzig steht fest an der Seite der Ukraine, die im Februar dieses Jahres von Russland angegriffen wurde. Ebenso fest steht Leipzig an der Seite der USA, die Amerikaner sind seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Verbündeter“, sagte Jung.

Ab 15 Uhr wollen sich heute also weitere rechtsradikale bis extrem rechte Fans des „Compact“-Magazins von außerhalb auf dem Simsonplatz mit den üblichen Leipziger Montagsdemonstranten mischen, um anschließend über die Ebert-, Käthe-Kollwitz- und Marschnerstraße zum Herzliya-Platz und wieder zurückzulaufen. Dabei will man auch gegen die US-Botschaft demonstrieren, welche im Musikerviertel beheimatet ist.

Eine thematisch ähnliche Zubringerdemo will an der Querstraße am Hauptbahnhof starten und ab 14:30 Uhr zum Simsonplatz laufen, während der Gegenprotest Zubringer aus dem Süden, Westen und dem Leipziger Osten mit Startpunkten am Lindenauer Markt, Rabet und Connewitzer Kreuz angemeldet hat. Diese starten alle ab 14 Uhr.

Als Redner auf dem Platz vor dem Bundesverwaltungsgericht ist mit Björn Höcke einer der extremsten Parteigänger der AfD angekündigt. Dank seiner Äußerungen stellte das Verwaltungsgericht Meiningen im Jahr 2019 fest, dass der frühere Teilnehmer an mindestens einer Dresdner Neonazidemo zum „Bombengedenken“ zurecht „Faschist“ genannt werden darf.

Enden soll der Aufzug gegen 20:30 Uhr. Die LEIPZIGER ZEITUNG wird wie gewohnt live berichten.

Die einzelnen Demonstrationen (zeitlich geordnet) & die LnP-Karte

Die Karte vom Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ (LnP)

Karte von Leipzig nimmt Platz zum 26.11.2022

Der Gegenprotest von „Leipzig nimmt Platz“ (LnP) ab 14 Uhr

14:00 Uhr bis 18:00 Uhr, Fahrradaufzug „No Compact. Elsässer go home!“: Lindenauer Markt (Sammlung und Auftakt) – Kuhturmstraße – Zschochersche Straße – Karl-Heine-Straße – Klingerweg – Anton-Bruckner-Allee – Sachsenbrücke – Anton-Bruckner-Allee, zwischen dortigem Bassin und Herzliyaplatz (Abschluss und Beendigung), ca. 1200 Teil-nehmer, Anzeigender: Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“

14:00 Uhr bis 18:00 Uhr, Aufzug „No Compact. Elsässer go home!“: Rabet (Sammlung und Auftakt) – Konradstraße – Hermann-Liebmann-Straße – Eisenbahnstraße – Rosa-Luxemburg-Straße – Wintergartenstraße – Fußweg nördlich Oberer Park – Goethestraße – Richard-Wagner-Straße (Zwischenkundgebung zwischen Goethestraße und Nikolaistraße) – Richard-Wagner-Straße – Richard-Wagner-Platz – Große Fleischergasse – oberer Dittrichring – Käthe-Kollwitz-Straße – Westplatz, ca. 500 Teilnehmer, Anzeigender: Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“

14:00 Uhr bis 18:00 Uhr, Aufzug „No Compact. Elsässer go home!“: Connewitzer Kreuz (Sammlung und Auftakt) – Karl-Liebknecht-Straße – Peterssteinweg – Wilhelm-Leuschner-Platz (westliche Fahrbahn) – Neues Rathaus (am Gordelerdenkmal) (Abschluss und Beendigung), ca. 500 Teilnehmer, Anzeigender: „Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz“.

15:30 Uhr bis 17.30 Uhr, Kundgebung „Compact wegnebeln“: Harkortstraße, ca. 200 Teilnehmer, Anzeigender: „Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz“.

Die rechtsradikalen Aufzüge ab 14:30 Uhr

14:30 Uhr bis 15:30 Uhr, Aufzug „Freiheit für Deutschland“: Querstraße, zwischen Wintergartenstraße und Schützenstraße (Sammlung und Auftakt) – Querstraße – Johannisplatz – Nürnberger Straße – Bayrischer Platz – Riemannstraße – Harkortstraße – Beethovenstraße – Simsonplatz (Übergang zur dortigen Versammlung), ca. 500 Teilnehmer, Anzeigender: natürliche Person

15:30 Uhr bis 20:30 Uhr, Aufzug „Ami go home / Frieden, Freiheit, Souveränität“:  Simsonplatz (Sammlung und Auftakt) – Karl-Tauchnitz-Straße – Friedrich-Ebert-Straße – Käthe-Kollwitz-Straße – Marschnerstraße – Edvard-Grieg-Allee – Herzliyaplatz – Karl-Tauchnitz-Straße – Simsonplatz (Abschluss und Beendigung)

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