Das Gedenken an die Luftangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945 ist seit Jahrzehnten heftig umstritten. Rechtsradikale, darunter in diesem Jahr auch weite Teile der sächsischen AfD, vereinnahmen das Gedenken, um mit falschen Fakten die deutschen Kriegsverbrechen zu relativieren. Nicht ganz so schlimm, aber dennoch unerträglich ist die aktuelle Darstellung im „MDR Sachsenspiegel“, wo die Kriegsschuld der Deutschen fast keine Rolle spielt.

Schon die Anmoderation von Gesine Schöps (ab Minute 0:45) für den folgenden MDR-Beitrag lässt wenig Gutes erahnen: „78 Jahre ist es her, dass Dresden bombardiert wurde. An diesem 13. Februar 1945 verloren bis zu 25.000 Menschen ihr Leben. Die Innenstadt wurde fast vollständig zerstört. Mit einer Menschenkette möchte Dresden an das Leid von damals erinnern und ein klares Zeichen gegen Hass senden.“

An wessen Leid erinnert werden soll und wessen Leid fast gar keine Rolle spielt, wird in den folgenden fünf Minuten klar. Es geht um die Luftangriffe auf Dresden, ein Zeitzeuge erzählt von der „Bombennacht“ und die Stimme im Off fragt: „Wie künftig umgehen mit der schmerzlichen Geschichte?“

Kein Wort vom Nationalsozialismus

Schmerzlich ist die Geschichte in diesem Beitrag aber nur für die Deutschen. Kein Wort zum Angriffs- und Vernichtungskrieg, zu den Massenmorden an Zivilisten, zum Holocaust. Nicht ein einziges Mal fällt das Wort „Nationalsozialismus“. Ständig ist nur ganz allgemein von „Krieg“ die Rede.

Auch der Verweis auf die Situation in der Ukraine darf nicht fehlen. Ein CDU-Politiker sagt ins MDR-Mikrofon, dass dort „auch wieder durch Bomben die Zivilbevölkerung ums Leben kommt und das gleiche Leid wieder entsteht“. Fast so, als gäbe es kaum einen Unterschied zwischen Bomben des Aggressors Russland im Jahr 2023 und Bomben gegen den Aggressor Deutschland im Jahr 1945.

Historisch umstritten

Ob letztere wirklich nötig waren, ist immer noch umstritten. Es gibt Historiker/-innen, die die Luftangriffe als Kriegsverbrechen werten. Andere betonen, dass auch in Dresden zu diesem Zeitpunkt noch tausende Soldaten stationiert waren, kriegswichtige Nachschubwege hier verliefen und der Ausgang des Zweiten Weltkriegs zugunsten der Alliierten noch nicht besiegelt war.

Vor allem ist Dresden kein Einzelfall: In vielen Städten, nicht nur in deutschen, passierte ähnliches. Als erstes Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkrieges gilt der Angriff der deutschen Luftwaffe auf die polnische Stadt Wieluń mit schätzungsweise mehr als 1.000 Toten. Das geschah am 1. September 1939.

Noch heute erinnern sich die Londoner/-innen an die letzten Bombardements der deutschen Luftwaffe in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1941 und der acht Monate zuvor, in denen Hitler-Deutschland versuchte, den Willen der britischen Zivilbevölkerung zu brechen. Die Londoner Totenzahlen lagen bei über 40.000; bei einem der schwersten Luftangriffe am 29. September 1940 sollen mehr als 1.400 verschiedene Brände in der englischen Hauptstadt gelodert haben.

Es waren Eindrücke „totaler“ Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung, die den seit 1942 Oberkommandierenden des Bomber Command der Royal Air Force, Sir Arthur Harris, zu einer unerbittlichen Haltung gegenüber Nazi-Deutschland brachten.

Es waren also die Deutschen, die neben dem Massenmord an der jüdischen Bevölkerung und Erschießungskommandos in besetzten Gebieten auch den Luftkrieg als Vernichtungsfeldzug begannen.

Wer waren die Täter?

Am Ende der Berichterstattung über den 13. Februar schaltet der MDR zu einem Reporter vor Ort. Dieser erwähnt immerhin, dass es nicht nur deutsche Opfer, sondern auch deutsche Täter gab. Wer genau diese Täter waren, bleibt aber unklar. Die alliierten Luftangriffe auf Dresden bezeichnet der Reporter irritierenderweise mehrmals als „Anschläge“.

Video-Screenshot Beitrag MDR Sachsenspiegel
Video-Screenshot Beitrag MDR Sachsenspiegel

Man muss gar nicht so weit gehen, den Verantwortlichen beim MDR zu unterstellen, durch Nichterwähnung bewusst die deutsche Kriegsschuld zu relativieren. Vielleicht ist „Fahrlässigkeit“ ausreichend. In einer Zeit, in der rund die Hälfte der Jugendlichen nicht weiß, wofür Auschwitz steht, und eine rechtsradikale AfD den angeblichen „Schuldkult“ beenden möchte, gibt es für diese Fahrlässigkeit aber keine Entschuldigung.

Übrigens: Während eines kurzen Statements des Dresdner Oberbürgermeisters Dirk Hilbert zu Beginn des Beitrages steht der für die „Freien Sachsen“ aktive Neonazi Michael Brück seitlich hinter ihm und grinst in Großaufnahme in die Kamera.

Kein Vorwurf an den MDR oder an Hilbert – aber es passt perfekt ins Bild.

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Es gibt 3 Kommentare

Ach ja:
“….der Ausgang des Zweiten Weltkriegs zugunsten der Alliierten noch nicht besiegelt war.”
Anfang 45 war nicht absehbar, wie der Krieg ausgehen wird? Das ist eine ernsthafte Strömung der Diskussionen unter Historikern, so dass der Autor sie in diesem Artikel nutzen kann um einen Hauch von Verständnis für den Angriff zu erwecken?

Traurig, aber ein bisschen selbstredend für eine Art von Medienselbstverständnis, überall Einordnung und Haltung zu verlangen und vor allem zu senden. Der Satz “es gab Opfer auf beiden Seiten” ist gültig und steht im ersten Schritt für sich selbst.
Wenn der Autor gern umfangreiche Einordnung wünscht, warum geht er in seiner eigenen Kritik an der Berichterstattung nicht auf durchaus üble Teile der Proteste in Dresden ein, wie sie aus dem Titelbild erkennbar sind? “Danke Bomber Harris!” ließ mich vor Jahren völlig fassungslos zurück, als ich es auf einem Plakat sah. Wie man sowas Verhetzendes ertragen kann, ist mir schleierhaft.

Ich lese kein falsches Wort, zustimmen kann ich dem Kommentar dennoch nicht. Der MDR hat in seinem Nachrichtenmagazin „Sachsenspiegel“ über Gedenkveranstaltungen in Dresden am 13.02. berichtet und den historischen Hintergrund kurz angerissen. Das ist seine Aufgabe als Landesrundfunkanstalt. Es ist meines Erachtens aber nicht erforderlich, in einem Nachrichtenbeitrag von 2:50 Minuten Länge, auf die Ursachen und den Verlauf des Zweiten Weltkriegs zu verweisen und auf die zahlreichen Opfer deutscher Aggression, die andernorts zu beklagen sind. Die darf der MDR bei seinen Zuschauern als bekannt voraussetzen. Und diejenigen, die historische Fakten nicht wahrhaben oder relativieren wollen, wird man mit solchen Hinweisen kaum erreichen. Vielmehr würde der MDR Wasser auf die Mühlen derjenigen schütten, die ihn delegitimieren wollen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt vorhalten, den Informationsgehalt seiner Programme zu Gunsten von Verlautbarungs- und Haltungsjournalismus herunterzufahren (ich sehe das nicht so). Rituelle Geschichtsstunden zu bestimmten Themen helfen nicht, diesem Vorwurf entgegenzuwirken.

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