Das Thema Migration, unter dem irreführenden Label „illegale Migration“, hatte die CDU/CSU im Bundestagswahlkampf ganz oben auf ihre Liste gesetzt. Man wollte die AfD nicht „inhaltlich stellen“, sondern durch Übernahme deren Forderungen bei diesem Thema, „rechts überholen“. Das hat nicht geklappt, aber nach dem Regierungsantritt musste geliefert werden.

Da kam die Personalie Alexander Dobrindt ins Spiel, der Mann, der sich gern über rechtliche Grenzen wagt und ungern auf Warnrufe hört. Er wurde also der neue Bundesminister des Innern und somit der Ausputzer für Friedrich Merz. Merz hatte schließlich im Wahlkampf verkündet, er werde am ersten Tag seiner Amtszeit als Bundeskanzler das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz anweisen, alle deutschen Grenzen „dauerhaft“ zu kontrollieren und „ausnahmslose alle Versuche der illegalen Einreise“ zurückzuweisen.

Dobrindt ging auch gleich in die Vollen und verkündete bereits am 21. März 2025: „Wir werden den Familiennachzug für subsidiär Geschützte umgehend aussetzen, wir werden die sogenannte Expresseinbürgerung abschaffen, wir werden dafür sorgen, dass die freiwilligen Aufnahmeprogramme so weit wie möglich auch beendet werden und werden umgehend nach Afghanistan und Syrien Straftäter auch abschieben.“

Dazu gehöre, dass an den Grenzen verstärkt kontrolliert und auch bei Asylgesuchen stärker zurückgewiesen werde. Wichtig erscheint hier, dass Dobrindt den Begriff „Grenzkontrollen“ vermeidet, aber „an den Grenzen verstärkt kontrolliert werde“ inhaltlich eben diese Bedeutung hat. Allein das ist ein Angriff auf die Beschlüsse zum „Schengen-Raum“, zu dem Deutschland und seine Nachbarstaaten gehören.

Das Europaparlament sagt zum Schengen-Raum: „Die generelle Regel lautet, dass Personen im Schengen-Raum von einem Mitgliedstaat in einen anderen reisen können, ohne dass sie Grenzkontrollen unterzogen werden.“

Selbstverständlich gibt es Ausnahmen und Deutschland führt schon länger Grenzkontrollen durch, das ist nicht die Erfindung Dobrindts. Rechtlich fragwürdig ist auf jeden Fall die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen.

Hier kommt die europäische Dublin-III-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 640/2013) ins Spiel. Diese wurde 2013, also zur Zeit der Groko unter Angela Merkel, beschlossen. Alexander Dobrindt war damals CSU-Generalsekretär.

Dort heißt es in Kapitel II, Artikel 3 (Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz) unter (1): „Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.“

An dieser Stelle setze auch das Berliner Verwaltungsgericht, mit Urteil AZ: VG 6 L 191/25 an. Es erklärte damit nicht, dass die Kläger einreisen dürften. Auf jeden Fall müsse aber ein Dublin-Verfahren durchgeführt werden, dies könne auch an der Grenze oder im grenznahen Bereich stattfinden.

Nur zur Ergänzung: Ein Dublin-Verfahren sieht eine Prüfung der Zuständigkeit für das Asylverfahren vor. Eine Rückführung in das zuständige Land ist vorgesehen, wenn dieses ermittelt wird. Ob das im Falle der Kläger wirklich Polen ist, oder ob sie in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt oder einen Schutzstatus haben, hat das Gericht nicht geprüft. Das wäre die Aufgabe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewesen.

Das deutsche Recht kennt aber keine Präzedenzfälle, also stellt sich Dobrindt hin und spricht von Einzelfallentscheidungen. Er will die Zurückweisungen fortführen lassen, obwohl deren Rechtswidrigkeit vom Gericht nachgewiesen wurde. Vielleicht hofft er auf das Urteil eines anderen Gerichtes, welches seine Auffassung bestätigt.

Er sagt: „Wir sehen, dass die Rechtsgrundlage gegeben ist und werden deswegen weiter so verfahren.“ Er war auch mal überzeugt, dass seine PKW-Maut europarechtskonform wäre. So viel zum Rechtsverständnis des Ministers.

Fazit: Es sieht so aus, als ob es Alexander Dobrindt, besser gesagt die Bundesregierung, auf langwierige juristische Verfahren anlegt. Am Ende wird wohl wieder die Feststellung eines europarechtswidrigen Handelns stehen und dann beginnt die Suche nach den Schuldigen. War es Merz, Dobrindt oder die juristischen Berater? Der Schaden für die Merz-Regierung, für Deutschland und besonders für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat wird angerichtet sein.

Danke für nichts.

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